Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, doch Respekt gebührt jenen, die den Filmen aus Sonys Spider-Man-Universum (SSU) mit ungebrochener Vorfreude begegnen. Dabei sind die Figuren, auf denen diese Produktionen basieren, keineswegs uninteressant. Ihre filmischen Umsetzungen jedoch haben sich zunehmend zu blassen Karikaturen entwickelt. Der einst bedrohliche Venom wurde zum witzelnden Sidekick degradiert, der vampirische Morbius geriet zu einer blutleeren Inszenierung, und Madame Web mutierte unfreiwillig zur skurrilen Werbefigur. Inszenatorisch bewegen sich die bisherigen Werke zwischen mediokrer Konventionalität und nahezu schockierenden Fehlgriffen.
Mit Kraven the Hunter wagt sich Sony an einen weiteren Versuch, das SSU mit neuem Leben zu erfüllen. Doch schon im Vorfeld lasteten zahlreiche Herausforderungen auf diesem Projekt. Die Schatten der wenig erfolgreichen Vorgänger, zahlreiche Verzögerungen durch Nachdrehs, Streiks und strategische Verschiebungen drängten den ursprünglich für 2023 geplanten Film in den Herbst 2024. Gerade als der Kinostart bevorstand, wurde bekannt, dass Sony das SSU einstellen und künftig seinen Fokus ausschließlich auf Spider-Man legen will. Sollte dies zutreffen, wäre Kraven the Hunter der Schwanengesang dieses Franchise.
Trotz der skeptischen Vorzeichen existierten Anhaltspunkte, die Anlass zu vorsichtigem Optimismus boten. Der Film hat ein R-Rating, was in Deutschland einer Altersfreigabe ab 16 Jahren entspricht, und zeigt damit zumindest den Willen, sich von der glattgebügelten Herangehensweise anderer Superhelden-Werke zu distanzieren. Auch die Wahl des Regisseurs ließ hoffen: J.C. Chandor, bekannt für anspruchsvolle Dramen wie All Is Lost und A Most Violent Year, bewies in Triple Frontier ein Gespür für Action. Aaron Taylor-Johnson als Titelfigur sowie Russell Crowe in einer Nebenrolle rundeten die vielversprechende Besetzung ab.
Doch die fertige Umsetzung vermag die Erwartungen nur bedingt zu erfüllen. Im Vergleich zum anderen SSU-Personal ist Kraven the Hunter zwar der gelungenste Beitrag dieser Reihe, doch angesichts der niedrigen Messlatte hat diese Einschätzung kaum Gewicht. Chandor gelingt es stellenweise, visuell eindrucksvolle Momente zu schaffen, die jedoch nicht aus einer starken erzählerischen Grundlage hervorgehen. Die Jagdszenen in urbaner wie natürlicher Umgebung wirken solide, doch der Weg dorthin ist von erzählerischen Ungereimtheiten und inszenatorischen Schwächen gepflastert. Szenen fühlen sich entweder unausgereift oder deplatziert an, und die Dynamik der Handlung setzt viel zu spät ein. Das Drehbuch trampelt vielmehr auf zu vielen Elementen gleichzeitig herum, ohne eine klare Linie zu finden.
Ein wesentlicher Schwachpunkt ist die Überfrachtung der Geschichte mit Nebenfiguren. Christopher Abbott als übernatürlich begabter Auftragskiller bleibt verschenkt, und seine Motivation wird nicht ausreichend vertieft. Eine vermeintlich zentrale Rolle wie die von Calypso, verkörpert von Oscar-Preisträgerin Ariana DeBose, ist lediglich sporadisch präsent. Selbst Russell Crowe gelingt es nicht, seiner Rolle als Vater mit russischem Akzent nennenswerte Tiefe zu verleihen. Die einzige schauspielerische Konstante ist Aaron Taylor-Johnson, dessen physische Präsenz und Engagement zumindest etwas Substanz bieten. Dennoch fühlt sich seine Leistung in einem Franchise, das ohnehin am Ende zu stehen scheint, wie ein vergebliches Bemühen an.
Die Actionszenen reflektieren diese Ambivalenz eindrücklich. Sie sind handwerklich meistens zumindest solide (einige sogar recht gelungen), doch ihrer Inszenierung fehlt es an Substanz. Die höhere Altersfreigabe bleibt ein kaum genutztes Versprechen, da der Gewalt die notwendige Wucht fehlt, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Vereinzelte Höhepunkte verlieren sich in einem Wechselspiel aus erzählerischer Stagnation und langatmigen Passagen, die weder Spannung erzeugen noch inhaltliche Tiefe bieten. Statt auf Dynamik oder kreative Ansätze zu setzen, verlängert der Film seine ohnehin flache Handlung, ohne dabei nennenswerte Akzente zu setzen. Am bemerkenswertesten scheint die Tatsache, dass Sony diesen Film parallel zu Disney-Zuschauermagneten und Hype-Musicals in die Kinos bringt. Ob dies als Ausdruck bewundernswerter Zuversicht oder vielmehr als eine Geste der Resignation zu werten ist, bleibt offen. Letzteres erscheint jedoch als die wahrscheinlichere Interpretation.