In der Realität passierende oder passierte politische Skandale können ihre dramatische Kraft wahrscheinlich am besten im dokumentarischen Stile entfalten. Der direkte Kontakt zu Beteiligten, die logische Darlegung von Fakten, ein paar Spekulationen; all dem mag man in einer Dokumentation folgen. In einem Kinofilm kann investigative Arbeit schnell langweilig werden, weil der Zuschauer selbst nicht „mitspielen“ darf, sondern nur dem ganzen Theater beiwohnt. Eine der neusten und wohl auch bekanntesten Beispiele für solche Dokumentationen ist „Citizen Four“, ein Film, der sich mit dem NSA-Skandal und Edward Snowden auseinandersetzt. Der ist vor ein paar Jahren mit einem Ruck bekannt geworden, seitdem gehasst und verehrt, aber immer für seinen Mut respektiert. „Kill The Messenger“ geht mit seinem Titel einerseits darauf ein, was vor hunderten von Jahren mit Überbringern schlechter Nachrichten gemacht wurde, und andererseits auf den defensiven Spruch „Ich bin nur der Überbringer der Nachricht“, den wohl jeder schon mal gehört oder gesagt hat.
Der Überbringer der Nachricht ist in diesem Fall Gary Webb, dargestellt von Jeremy Renner ("The Avengers", "The Hurt Locker"). Und der liefert mit diesem Film seine beste Arbeit seit einer ganzen Weile ab. Er stellt einen Mann dar, der, Edward Snowden nicht unähnlich, sein Leben der offenen Wahrheit verschrieben hat. Es geht ihm nicht um Gerechtigkeit, es geht ihm nicht darum, dass die Verantwortlichen CIA-Agenten belangt werden (davon distanziert er sich in zahlreichen Fernseh-Interviews). Es geht ihm nur darum, dass eine Wahrheit ans Licht kommt, die Folgen für das Leben unzähliger Menschen haben wird. Dass Wahrheit in einer politischen Gesellschaft nicht der einzige und größte Wert ist, muss er auf die harte Tour lernen. Es kommt nämlich nicht nur auf die Natur der Wahrheit an, es kommt auch darauf an, wann sie öffentlich gemacht wird. Der Wert einer Wahrheit verändert sich in der Politik je nach Uhrzeit, Datum, Tag oder Woche. „Kill The Messenger“ versteht sich nicht als investigativer Film, und das ist okay, dennoch hätte er mehr liefern können, als die bloßen Eckpunkte der realen Begebenheit. Manchmal schummelt der Film sich so kurz durch, manchmal legt er aber auch seine starken Karten auf den Tisch und spielt sie gekonnt aus.
Polit-Thriller, bzw. derartige Biographien, haben oft das Problem, dass zwar ihr Ziel, aber nicht der Weg dorthin, wirklich filmreif spannend sind, weshalb die Wahrheit oft ein wenig dramatisiert und ausgeschmückt wird, um dem weiten Publikum zuzusagen. Sobald dies jedoch geschieht, muss der Film zwangsweise mit Kritik an eben jener Methodik rechnen. Davor kann sich auch der Film von Michael Cuesta nicht retten, der von Sekunde 1 von einer seltsamen überdramatisierenden Hülle umgeben zu sein scheint. Das wird vor allem in seiner Inszenierung und der klanglichen Arbeit deutlich, die Szenen aufbauschen wollen, die das gar nicht nötig hätten, weil sie so schon dramatisch genug sind. Zu viel ist manchmal eben einfach zu viel und zu wenig, wer hätte es gedacht, zu wenig. Denn während Regie und Musik über die Stränge schlagen, hapert es an dem Drehbuch hier und da deutlich. Auch das fängt mit der ersten Szene an, wenn die Einführung des Protagonisten aus einem einfachen „Hi, ich bin Gary Webb, ich bin Journalist.“ besteht. Dies ist symptomatisch zu betrachten, sodass jeglicher Sinn für Spannung, Kreativität oder Atmosphäre oft flöten geht, wenn sie denn überhaupt entsteht.
Und das ist schade, so handelt es sich bei der Ausgangsgeschichte doch um ziemlich brisantes Material. Und hier offenbart sich aber leider direkt der größte Haken des Films. Zunächst müssen Produzenten und Köpfe hinter den Kulissen dafür gelobt werden, einen generell kritischen Film zu drehen. Derartige Filme in den Vereinigten Staaten sind oft ein großes Problem. Politisch eindeutige Filme sind selten erfolgreich. Andrew Dominiks „Killing Them Softly“ war sehr kritisch, was die Arbeit des Staatsapparates anging. Dass sein Film ein Flop wurde, begründeten Experten mit der politisch klaren Einstellung. Mit der politischen Deutlichkeit und dem Salz in der Wunde wird also oft sparsam umgegangen; lieber nicht zu doll anecken, sonst regt sich noch jemand auf. Und das ist im Filmgeschäft selten etwas Gutes. So ist es auch bitter bezeichnend, dass die traurigen und skandalösen Wahrheiten der Begebenheit kleinlaut als Schrifttafeln vor dem Abspann kurz eingeblendet werden. Da fehlt die Konsequenz, die Kaltschnäuzigkeit, die ein ernster Film, der sich mit einer solchen Thematik beschäftigt, einfach haben sollte. So schummert der Film ein wenig zwischen „typisch Hollywood“ und einer „Ich werd’s euch zeigen“-Stimmung umher, ohne sich je wirklich entscheiden zu können, wo er hingehören will.