Inhalt
Jeanne liebt Jumbo. Aber Jumbo ist kein Mensch – Jumbo ist ein Fahrgeschäft. Sehnsüchtig schmiegt sich die junge Frau in seine metallenen Arme, lässt sich von ihm in ungekannte Höhen heben. Eine aufrichtige Liebe, die heftige Reaktionen provoziert.
Kritik
Spätestens seit Her und aller spätestens seit The Shape of Water dürften Beziehungen zu nicht-menschlichen Personen und Objekten längst im Mainstream angekommen sein. Zoé Wittstock treibt die Liebe außerhalb der menschlichen Norm dennoch auf eine neue Spitze, wenn sich Noémie Merlant (Porträt einer jungen Frau in Flammen) als schüchterne Putzfrau Jeanne in den titelgebenden Jumbo, einen Freizeitpark-Taumler, verliebt. Jeanne erwacht durch das massive Mechanik-Monster, welches bald selbst ein Eigenleben entwickelt. So verrückt dieser Plot auch klingt, er ist der Realität kaum abwegig. Als „objektsexuell“ werden in der Regel Menschen bezeichnet, die sich romantisch wie sexuell zu Objekten hingezogen fühlen. Der Fall von Erika Eiffel in etwa, eine Frau, die den Eifelturm heiratete, inspirierte den Film, der sich für diese Liebe abseits aller Gewohnheiten, leider nur oberflächlich interessiert.
Egal ob sich Jeanne auf den Sitzen Jumbos durch die Luft tragen lässt, sie mit ihm Kommunikation durch Lichtsignale führt oder schließlich in einer abstrakten Szene, welche in ihrem visuellen Design stark an Under the Skin angelehnt zu sein scheint, Sex mit ihm hat, all diese vermeintlich romantischen Momente zwischen Mensch und Maschine können nicht kaschieren das Wittstocks Begegnung mit so einer Liebe verklärter kaum sein könnte: Jumbo sieht die Liebe zu Objekten nur in einer Märchenwelt, in der Freizeitparkattraktionen zum Leben erwachen, als realisierbar. Jeannes Liebe kann nur bestätigt werden, wenn Jumbo lebt und sie zurück liebt. Es ist der Versuch dieses nicht-menschliche, völlig abseitige Begehren in einen komfortablen und normhaften Rahmen zu pressen, wodurch die im Kern stehende Sexualität der Protagonistin zur reinen Fantasy erklärt wird. Zwar hätte Jumbo ebenso gut ein reiner Fantasy Film über die Liebe zwischen Mensch und Maschine sein können, er wäre nicht der erste, aber leider nimmt sich der Film in seinem moralischen Anspruch zu wichtig und hämmert diesen unaufhörlich in das Publikum ein.
Somit mündet Jumbo, ein Film, der von seiner Grundprämisse her eigentlich jegliche Norm hätte aufwühlen können, in ein unaufgeregtes, aber dennoch penetrantes, Drama, das die Liebe zu einem Freizeitparkfahrt normalisieren will. Das erste Streitgespräch zwischen Jeanne und Jumbo ist nur eines der vielen peinlichen Höhepunkte des Filmes. Was schade ist, denn statt eines wirklich offenen und sensiblen Blickes auf eine non-normative Sexualität reproduziert Wittstocks Film nur dieselben, durchgekauten Thesen rund um „Jede Liebe ist gleich“ und „Was ist schon dabei?“. Damit hilft der Film niemanden, besonders nicht sich selbst. Nicht helfen tut auch Wittstocks Drehbuch, welches so sehr auf Eskalation getrimmt ist, dass es jeden Charakter entweder als Verbündeten oder Feind interpretiert, was auch den letzten Zwischenton schließlich in Keim ersticken lässt.
Fazit
„Jumbo“ will Flaggen für die abseitige Liebe schwenken, zwängt diese aber in ein langweiliges und konservatives Korsett voller tonaler Anomalien und peinlichen Momenten.
Autor: Jakob Jurisch