Inhalt
John Herbert Dillinger und seine Bande halten mit spektakulären Verbrechen Anfang der Dreißigerjahre das Land in Atem. Das FBI setzt Melvin Purvis, seinen besten Agenten, auf Dillinger an. Nach einem Anfangserfolg gegen "Machine Gun"-Kelly hat Purvis immer das Nachsehen. Immer wieder kann Dillinger entkommen. Erst durch eine Verräterin kann die Bundespolizei dem Gangster eine Falle stellen
Kritik
„Und da reden die immer von Depression. Nicht bei mir!“
Auch – oder gerade - heute ist John Milius immer noch ein Künstler, um dessen Lebensauffassung und Weltsicht sich massive Kontroversen ranken. Als reaktionärer Waffenlobbyist vertritt er die Geisteshaltung, das amerikanische Grundgesetz mit Waffengewalt verteidigen zu dürfen. Milius selbst ist im Besitz einer ausufernden Sammlung verschiedenster Modelle und hat beispielsweise seine Arbeit an „Dirty Harry“ nur unter der Voraussetzung begonnen, wenn ihm als Belohnung eine sehr kostspielige Schusswaffe überliefert wird. Um den aus Missouri stammenden Milius richtig fassen zu können, reicht es wohl zu erwähnen, dass der von John Goodman verkörperte Walther Sobchak aus dem Meisterwerk „The Big Lebowski“ auf ihm basiert. So fragwürdig die Ideologie Milius' aber auch erscheinen mag, man darf nicht vergessen, dass der Mann auch mit einem deutlichen Talent dahingehend gesegnet wurde, Geschichten zu entwickeln und in Szene zu setzen: Ob seine Regiearbeit an „Conan, der Barbar“ oder der erste Drehbuchentwurf zu „Apocalypse Now“.
Nun hat auch „Jagd auf Dillinger“ seine erste deutsche Veröffentlichung erfahren, das Regiedebüt Milius', in dem er sich einem der bekanntesten Verbrecher aller Zeiten widmet: John Dillinger. Für Milius der „Wunderbarste aller Gesetzlosen“, der schon hier offenbarte, mit welch immensen Können Milius er ausgestattet ist, dichte Inszenierung mit reichlich Testosteron und Virilität zu entwerfen. Zuletzt hat sich Michael Mann mit „Public Enemies“ daran versucht, John Dillinger und seinem verbissenen Verfolger Melvin Purvis ein filmisches Podest zu unterbreiten, welches aber dazu gezwungen war, gnadenlos unter den renommierten Namen zusammenzubrechen – Auch, weil Mann sich dafür entschied, die in den in den 1930er Jahren angelegte Geschichte mit neumodischen Digitalkameras einzufangen, deren Bilder keinerlei zeitgenössische Stimmung suggerieren. „Jagd auf Dillinger“ ist da schon ein anderes Kaliber, natürlich ganz cineastisches Kind seiner Ära, was sich gerade heute in Form des nostalgischen Bonus bezahlt macht.
Milius, der auch das Skript verfasst hat, ist jedoch nie darauf versessen, historischer Akkuratesse zu frönen. So wird beispielsweise J. Edgar Hoover, dem Clint Eastwood im gleichnamigen Werk ja bereits ein exzellentes Denkmal gesetzt hat, zu einem Namen, der immer nur durch den Raum fliegt, nie aber auf der Bildfläche erscheint, weil es der Narration schlichtweg schaden würde. Auch die Bandenverhältnisse wurden der flüssigen Erzählung zu Liebe vereinfacht, damit nie die Gefahr bestehen muss, einer drückenden Überladung zum Opfer zu fallen. Stattdessen definiert sich „Jagd auf Dillinger“ vielmehr als reißerische, ja, gleichwohl aber ungemein unterhaltsame Gangster-Kiste, in der vor allem Warren Oates sein drahtiges Charisma aufleben lässt und John Dillinger, dem Staatsfeind und Superstar, – nicht nur äußerlich – mit seiner launigen Performance äußerst gerecht wird. Ihm gegenüber steht Ben Johnson als Melvin Purvis, porträtiert als linker Bluthund, dessen Lebenssinn allein darin besteht, Dillinger endlich dingfest zu machen.
Stilistisch sehr dem Western verpflichtet, stimmt John Milius einen Naturalismus an, der gerade in den Gewaltspitzen Peckinpah'sche Dimension erreicht. Dillinger und Purvis befinden sich auf einer Achse, zu Anfang noch an den entgegensetzten Enden, doch von Minute zu Minute näher aneinander rückend, bis das Unumgängliche geschehen muss und das Duell in Gewinner und Verlierer aufgeteilt wird. Jedenfalls auf den ersten Blick, die Realität hat uns etwas anderes gelehrt und Melvin Purvis seine Abhängigkeit von Dillinger damit besiegelt, dass er sich Jahre später mit der gleichen Waffe erschoss, mit der er auch Dillinger zielte (ob er den tödlichen Treffer landete, ist nicht bestätigt). „Jagd auf Dillinger“ ist ganz und gar straightes Genre-Kino, mit markig-lakonischen Sprüchen („Hände nach oben wie die Obstpflücker!“) und wunderbaren Sets, deren ländliches Profil dazu prädestiniert scheint, um für krachende Schießereien herzuhalten. Reinrassiges, polterndes Männerkino, vom Sack auf die Leinwand, sozusagen.
Fazit
Wer die Wahl zwischen Michael Manns „Public Enemies“ und John Milius' „Jagd auf Dillinger“ hat – und die gibt es nun endlich! -, der sollte dringend zum 1970er-Jahre Streifen greifen. Sicher merkt man dem Film seine auf ökonomische Bedingungen abgeglichene Produktion an, doch Milius hat hier einen so unterhaltsam-geradliniges Männerfilm inszeniert, dessen markigen Charme man sich nicht verwehren kann. Außerdem ist Warren Oates als John Dillinger wirklich die Idealbesetzung.
Autor: Pascal Reis