Inhalt
Adam ist Tatort-Fotograf und psychisch am Ende. Die Arbeit an zu vielen Fällen mit verstümmelten Mordopfern zwingt ihn zu einer Auszeit. Als ihm Detektiv Man einen Besuch abstattet, schrillen die Alarmglocken. Ein Ritualmörder zieht eine blutige Spur durch die Stadt. Die Opfer tragen alle dieselben Verletzungen: Bisswunden am Hals und sämtliche Blutgefäße nach außen gestülpt. Treibt ein Vampir sein Unwesen? Die Spur führt zu einem Stamm im Dschungel von Borneo und zu einem Verdächtigen mit einer Klauenhand…
Kritik
Gesehen beim zehnten HARD:LINE International Film Festival
Beim diesjährigen HARD:LINE Festival steht der malaysische Filmemacher Dain Said im Directors Spotlight, weswegen neben seinem aktuellen Film Blood Flower auch Bunohan aus dem Jahr 2011 und eben jener Interchange von 2016 dort im Programm zu finden sind. Obwohl schon vor inzwischen sieben Jahren veröffentlicht, handelt es sich auch hierbei um eine Deutschlandpremiere auf der großen Leinwand, was umso mehr dafür spricht, dass das Schaffen von Dain Said hierzulande bisher zu wenig Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Was bei Betrachtung dieser eigenwilligen Gere-Mixtur einmal mehr deutlich wird.
Der Anfang erinnert an Serienkiller-Filme, wie wir sie nicht nur aus westlichen Gefilden, sondern insbesondere auch aus den erfolgreich herübergeschwappten Exemplaren aus Fernost kennen. Memories of Murder (2003) oder The Chaser (2008) sein da in erster Linie erwähnt, die es auf exzellente Weise verstanden, den Stil des asiatischen Kinos mit den Sehgewohnheiten des Westens derart geschickt zu kombinieren, dass man am Ende zu einer perfekten Symbiose kam, die jedoch den Ursprung glasklar zum Star machten. So wurde man selbst ohne große Berührungspunkte mit asiatischem Kino per se sofort involviert wie fasziniert und es eröffnete sich somit eine im Einzelfall womöglich ganz neue Filmwelt, die einem bisher noch verborgen blieb. Ein derartiger Dosenöffner dürfte Interchange schlussendlich vielleicht nicht in Gänze sein, obwohl er dafür genügend Attribute mitbringt und zumindest für das malaysische Kino definitiv ein Showcase ist, den nicht jeder ad hoc auf dem Zettel haben dürfte.
Es beginnt mit einem beinah grotesken Mordfall. Ein Mann wird aufgefunden, vollkommen blutleer und an seinen aus dem Körper geschnittenen Venen aufgehängt. Am Hals befinden sich Einstichlöcher, fast als wenn ein Vampir gewütet hätte. Daran will der ermittelnde Kommissar Man (Shaheizy Sam, Im Herzen des Dschungels) natürlich nicht glauben, aber es erinnert in an den fünf Monate zurücklegenden Mordfall an einem Mädchen. Aus diesem Grunde zieht er seinen Freunde Adam (Iedil Putra, 4 Madu) dazu, der damals schon als Tatortfotograf dabei war und aufgrund der grausamen Ereignisse den Dienst quittiert hat. Denn bei der Leiche wird ein Glaß-Platten-Negativ gefunden, wie man es nur von uralten Kameras kennt. Widerwillig forscht Adam nach, später sogar auf eigene Faust, denn in die rätselhaften Ermittlungen ist irgendwann auch sein heimliches Love-Interest Iva (Prisia Nasution, Sang Penari) von gengenüber involviert. Und spätestens dann wird klar, dass hier zwar kein Vampir, aber irgendetwas sehr Sonderbares vor sich geht, was sich schwer bei einem seriös geführten Prozess irgendwie rechtfertigen ließe.
Basierend auf der Grundprämisse – einem Serienkillerfilm, bei dem die Opfer an ihren eigenen Venen aufgehängt werden – könnte man von einem ziemlich drastischen Wüterich ausgehen, aber genau das ist Interchange rein gar nicht. Dieser „Aufhänger“ (sorry) dient lediglich als geschickter Aufbau für einen vermeidlich handelsüblichen Genre-Flick, der allerdings schon früh die Idee in den Raum wirft, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Was genau, das lässt Dain Said lange im Unklaren und durch diesen Mystery-Suspense-Aspekt funktioniert der Film auch ohne explizite Sequenzen (im ganzen Film gibt es nur eine gezeigte Tötung und selbst die wirkt relativ harmlos) lange Zeit extrem gut. Was an der bestechenden Handwerkskunst des Regisseurs liegt, der hier erneut unter Beweis stellt, dass er die Grundsätze des Filmemachens einfach beherrscht. Der versteht, wie er eine Szene installiert, wie man Bilder zur Entfaltung bringt, wie man Stimmung kreiert. Das alles ist bei Interchange auf hohem Niveau und bis es zur Enthüllung des Spuks kommt, will das auch prächtig funktionieren.
„We are all trapped. Nothing is what it seems.“
Dann wird es etwas schwächer, da mit dem enthüllten Mysterium auch die Grundspannung deutlich abfällt und das mit reichlich Esoterik und Spiritualität etwas überfrachtetem Finale – was auch dezente Kitschanleihen besitzt – nicht mehr der teilweise hervorragenden Basis standhalten kann. Dennoch ist das gesamte Konzept sehr faszinierend und die Präsentation über jeden Zweifel erhaben. Hier schlummert ein echter Geheimtipp, der am Ende diese aufgebauten Hoffnungen nicht ganz erfüllen kann. Interessant und kreativ ist das aber mindestens, mal ganz abgesehen von der grundsätzlich beachtlichen Umsetzung.
Fazit
Moderner, urbaner Serienkillerfilm trifft auf spirituelle Folklore, was in seiner Mixtur einen spannenden Reiz entfaltet, lediglich im Schlussspurt sichtbar hinter seinen mannigfaltigen Möglichkeiten zurückbleibt. Unabhängig von diesem dezenten Schwachpunkt ein sehr interessanter Film, von einem deutlich begabten und innovativen Regisseur fachkundig in Szene gesetzt.
Autor: Jacko Kunze