Inhalt
Matthias ist der Jüngere der beiden Landberg-Söhne. So sehr sein Bruder David in die Fußstapfen des Vaters, einem erfolgreichen Investmentbanker, tritt, so entschieden führt Matthias ein Leben fern von Karriere und Ehrgeiz. Zusammen mit seiner Freundin Camille und ihrem sechsjährigen Sohn Etienne, der aus einer früheren Beziehung stammt, wohnt er im Ferienhaus der Familie Landberg an der französischen Atlantikküste. Beide leben sie in den Tag hinein.
Kritik
Wahrscheinlich wird nur eine Handvoll Menschen „Im Sommer wohnt er unten“ im Kino sehen. Die Gründe hierfür liegen recht klar auf der Hand. Zum einen kann der Film keinen der aktuellen Topstars des deutschen Kinos vorweisen, zum anderen handelt es sich weder um eine flotte Komödie, noch um eine Tragödie, die mit Simplizität dem Publikum keine allzu harten Brocken in den Weg legt. Der Film von Regisseur Tom Sommerlatte ist ein kleiner aber unglaublich fokussierter Film, der hinter seinem sommerlichen Ambiente Abgründe verbirgt, die Sommerlatte und seine Darsteller gemeinsam und intensiv inspizieren.
Das Schöne dabei ist, dass „Im Sommer wohnt er unten“ seine gesamte Kraft aus seiner Dezenz filtert. Es sind die Blicke, die unausgesprochenen Anklagen, Anschuldigungen sowie Wünsche und Ängste, die hier für kraftvolles Erzählkino aus Deutschland sorgen - keine erhobenen Fäuste und brennenden Schreie. Als Zuschauer wird man viel mehr Teil eines Mikroskops. Man beobachtet, zieht Schlüsse, bildet sich Meinungen und versucht zu verstehen, was zwischen diesen Menschen auf der Leinwand da eigentlich wirklich passiert. Das ist fern von Adrenalinausstößen, wegen seiner wunderbaren ungekünstelten Art aber so faszinierend wie auch fesselnd.
Dank der Darsteller, die hier allesamt überzeugen, der klaren Bildsprache und den Unwillen sich heuchlerischer Schwarz-Weiß-Malerei zu unterwerfen, entwickelt sich nach und nach eine stille, dramatische Mechanik. Eine Mechanik die ganz leise, fast schon zärtlich voranschreitet, dabei aber niemals zur Redundanz verkommt. „Im Sommer wohnt er unten“ besitzt zu jeder Zeit diesen bedrohlichen, kratzigen Unterton. Wie ein Schwelbrand, der sich noch unter der Oberfläche versteckt, dessen Wärme und Knistern aber deutlich wahrzunehmen ist.
Um dieses Feuer in Gang zu bringen benutzt Regisseur und Autor Sommerlatte ziemliche stereotype Figuren, aber ihre Entwicklung bleibt stets interessant, denn nach und nach werden immer mehr Puzzleteile hinzugefügt. Am Ende hat sich das anfängliche Klischee zwar nicht vollends von der Figur gelöst, es wurde aber mit authentischem Leben gefüllt und aufgewertet. Die Bühne, bzw. das Setting des Films ist diese Wandlung ebenfalls gegönnt. Aus der anfänglichen Idylle im Frankreich, die wirkt wie aus einem Touristenkatalog entnommen, wird nach und nach ein stilles Schlachtfeld. Die Ruhe, Entspanntheit und Sorglosigkeit, die das Landhaus mit Swimmingpool zu Beginn ausstrahlt wird somit zu einem Ort ohne echte Rückzugspunkte. Das formt weitere Spannung, die dem Film äußerst gut tut.
Welche Schlacht wird aber eigentlich in „Im Sommer wohnt der oben“ ausgetragen? Es ist der Kampf der Lebensentwürfe. Jede Figur für sich hat ihre Entscheidung getroffen, wo sie im Leben steht, bzw. wo genau sie hin will. Für die Umsetzung dafür benötigt sie aber wiederrum Unterstützung. Das Problem: Nicht alle dieser Ziele sind kompatibel mit den der anderen, einige stoßen sich sogar regelrecht ab. Die Klarheit und die spröde Ausweglosigkeit dieses Fakts ist mit der Hauptgrund dafür, dass der Film immer eine bedrohliche Grundstimmung hat. Eine alte Phrase besagt, dass die Wahrheit schmerzt. „Im Sommer wohnt er unten“ wird dies klar und prägnant unterstrichen und dennoch gibt es kleine Hoffnungsschimmer, die aber nur durch Kapitulation an leuchtender Kraft gewinnen können. Kurz: Wenn es weh tut, heilt es auch.
Fazit
Das sorglose Ambiente täuscht. „Im Sommer wohnt er oben“ ist ein kleines, beobachtendes Werk, dessen Kraft und Vehemenz unter der Oberfläche brodelt. Das Aufeinandertreffen von verschieden Lebensentwürfen wird in nonchalanten Schritten immer mehr auf die Spitze getrieben. Dafür werden alte Stereotypen genutzt, die aber zumindest weiterentwickelt werden. Ein kleiner, unscheinbarer Film, der hinter seiner Fassade die Fäuste ballt. Insgesamt ein sehr sehenswertes, intelligentes Drama aus Deutschland.
Autor: Sebastian Groß