Inhalt
Pierre und Manon sind seit langem ein Paar. Sie leben in einfachen Verhältnissen und halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Pierre trifft Elizabeth, sie wird seine Geliebte. Aber Pierre will Manon nicht für Elisabeth verlassen, er möchte beide Frauen halten. Elizabeth beginnt Pierre und Manon zu beobachten. Eines Tages entdeckt Elisabeth, dass auch Manon einen Liebhaber hat...
Kritik
Seit 1964 ist Philippe Garrel (Unruhestifter) nun schon im Filmgeschäft tätig; und doch ist es ihm, anders als seinen namhaften Kollegen wie Jean-Luc Godard (Außer Atem) oder Francois Truffaut (Sie küssten und sie schlugen ihn) nie vergönnt gewesen, sich ein derartiges Renommee anzueignen, welches über die Existenz innerhalb wenig kommerzieller Nischen hinausging. Dabei aber hat Garrel Zeit seines Schaffens nie einen Gedanken daran verschwendet, seine künstlerische Philosophie dahingehend aufzugeben, wie Kino zu funktionieren hat, und tat gut daran, sich einem Publikum anzubieten, welches auch mit dem angemessenen Interesse seiner Person entgegentritt und reflektiert, was der inzwischen steil auf die 70 zugehende Filmemacher dort mit seiner charakteristischen Kompromisslosigkeit in den urigen Programmkinos auf die Netzhaut der Zuschauerschaft brennen lässt.
Sein neustes Werk, Im Schatten der Frauen, welcher 2015 die Sonderreihe Quinzaine des Réalisateurs in Cannes eröffnete, veranschaulicht sie um ein weiteres Mal, die unverkennbaren Stärken eines Künstlers, dessen filmischer Blick sich nicht nur formalästhetisch am experimentellen Gebaren des Novelle Vague speist. Ein in kontrastreiches Schwarz-Weiß gehülltes Paris (der Film wurde der Luxus zu eigen, in 35 mm Cinemascope gedreht zu werden!) begrüßt den Zuschauer wie ein verheißungsvolles Geheimnis am anderen Ende der Welt. Die Straßen scheinen zumeist menschenleer, wenn überhaupt, entdecken wir unsere Protagonisten Pierre (Stanislas Merhar) und Manon (Clotilde Courau), wie sie durch die Millionenmetropole streifen, Recherchearbeit für ihr kommendes Dokumentarprojekt über die Renaissance leisten und sich einreden, eine gesunde Beziehung zu führen: Manon kocht für Pierre und tätschelt ihm das Händchen, wenn ihn die Gefühle mal wieder übermannen.
Philippe Garrel aber bestätigt diese angedeutete Rollenverteilung, also, dass die Frau sich zwangsläufig für ihren Mann „aufopfern“ sollte, zu keiner Zeit. Stattdessen hinterfragt Im Schatten der Frauen die zumeist ausgekosteten Mechanismen des maskulinen Kinos. Das Beziehungsstück geht angenehmerweise sogar so weit, aufzuzeigen, dass sich die Frauen unlängst als starkes Geschlecht in unserer Gesellschaft fundiert haben, weil sie an Schicksalsschlägen reifen und, im Gegensatz zum männlichen, jenseits der Selbstverklärung in der Lage sind, ihre moralische Integrität tatsächlich auf Plausibilität zu prüfen. Anders als Pierre, der seine Untreue damit rechtfertigt und bagatellisiert, dass er schließlich ein Mann ist. So gelingt es Garrel, variable Perspektivwechsel einzunehmen und sich durch ein lebendiges Konstrukt aus libidinösen Anwandlungen und amourösen Spannungslinien zu wühlen, ohne seinem Film jemals den Stempel aufzudrücken, etwas zwanghaft Einzigartiges zu sein. Die Wahrheit liegt eben doch allzu oft im Irrealen und Alltäglichen.
Fazit
"Im Schatten der Frauen" ist angenehmes und vor allem fortschrittliches Arthaus-Kino aus Frankreich. Urgestein Philippe Garrel vermeidet es entschieden, seine am Stilwissen der Nouvelle Vague angelegte Geschichte mit einer Bedeutsamkeit aufzuladen, der sie nicht gerecht wird, stattdessen findet der Film amouriöse Wahrheiten im Irrealen und Alltäglichen und hinterfragt dabei gekonnt Geschlechterrollen.
Autor: Pascal Reis