Blickt man auf den italienischen Genre-Film – hier vor allem Horror sowie Western – scheinen die einstigen Glanzzeiten schon längst der Vergangenheit anzughören. Und dennoch: Filme wie Sie nannten ihn Jeeg Robot, Gomorrha oder Veloce come il vento haben es geschafft, international nicht nur für viel Aufmerksamkeit zu sorgen, sondern haben kurzerhand auch die Produktion innerhalb von Italien gestärkt. Somit konnte Produzent, Regisseur und Autor Matteo Rovere (der auch Veloce come il vento inszeniert hat) eines seiner Herzensprojekte umsetzen: Die brutale Geschichte der Gründung Roms. Und hier setzt Rovere nicht nur auf eine gewisse historische Bildgewalt, sondern möchte viel lieber sein Abenteuer so brachial, authentisch, blutig und vor allem gesellschaftspolitisch erzählen wie es nur geht. Herausgekommen ist ein visuell atemberaubender wie einmaliger Trip in die Finsternis des Jahres 753 v. Chr., der besonders mit seiner Detailverliebtheit, seinen Charakteren und seiner beeindruckenden Proto-Latein Sprache überzeugt.
Romulus & Remus: The First King (OT: Il primo re) erzählt indes in erster Linie die Geschichte zweier Brüder und Überlebenskämpfer: Als ehemalige Sklaven, Waisenkinder und Schafshirten, versuchen sie an den gefährlichen Ufern des Flusses Tiber zu überleben, bevor kurzerhand eine Sintflutartige Überschwemmung alles hinfort reißt. Die Hoffnung scheint dabei ebenso trügerisch zu sein, wie das Leben selbst und so spielt Regisseur Matteo Rovere von Beginn an mit den Erwartungen der Zuschauer und offenbart einen gewissen religiösen Unterbau, welcher die Charaktere nach vorne treibt. Besonders das Feuer wird hier zum Sinnbild für Leben und Hoffnung, aber auch für Blut und Kampf. Und spätestens, wenn Il primo re bei einer seinen recht frühen Sequenzen – atemberaubend und vermutlich historisch sehr nah an der Realität inszeniert – den Kampf gegen Götter sowie Mensch darstellt, wird der Zuschauer vollends in der spirituellen Reise aufgehen.
So entpuppt sich Il primo re als höchst brutal, aber damit auch gleichsam effektiv in Sachen Figurenzeichnung. Nicht nur der Kampf gegen den Tod wird hier zum stetigen Begleiter der späteren Reisegruppe, auch die Natur wird zum Schleier. Besonders Remus (Alessandro Borghi) ist hierbei in der ersten Hälfte des Films im Fokus und wird zum wortkargen Antihelden, der stets seine Mission im Blick hat. Nicht nur hier, sondern auch überall im Film, lässt dabei Regisseur und Autor Matteo Rovere Stimmungen und Motive der ehemaligen Western und Horror-Filme seines Landes einfließen. Mal actionreich, mal mystisch, mal gar horrorhaft, wird die Reise zu den Hügeln des späteren Roms zu einem Abgesang auf einstige Barbarei. Mit viel Gespür für politischer Zusammenhänge, zeigt Il primo re hier seine Stärken auf: Zusammenhalt, Liebe, Hoffnung und das Gebot, Hilfesuchende nicht abzuweisen. Diese Grundidee des damaligen Roms wird faktisch lebendig, wenn zum Finale hin sich Matteo Rovere der verschiedenen Gründungssagen der Wolfskinder annimmt. Doch auch abseits der fabelhaften Inszenierung und der rauen Kulissen, kann die menschliche Tortur überzeugen.
Dies liegt vor allem an den Darstellern und den beiden Brüdern Romulus (Alessio Lapice) und Remus. Neben dem scheinbar auch körperlich sehr anstrengenden Dreh, schaffen es alle Figuren sich recht authentisch in das Setting einzubringen. Verletzungen, Leiden, Stärken und Schwächen fügen sich perfekt mit den Charakteren zusammen. Und auch wenn nicht alle Reisebegleiter der Brüder – die allesamt selbst Wortkarg sind, dafür aber mit der wunderschönen Ur-Sprache überzeugen – gleichsam ein Profil bekommen, ist jeder Tod ein Schlag in die Magengrube. Doch vor allem Romulus und Remus bekommen genügend Zeit, ihre Liebe, Anspannung und auch Rivalität auszuspielen. Wer die Sage kennt, wird natürlich das Ende wenig überraschend finden, doch der Weitblick, die Detailliebe und die opulenten Bilder sprechen eine ganz eigene interessante Sprache, sodass selbst im Finale die Emotionen wirken.