6.0

MB-Kritik

Humpday 2009

Comedy, Romance, Drama – USA

6.0

Mark Duplass
Alycia Delmore
Joshua Leonard
Lynn Shelton
Trina Willard
Olivia
Stellan Mathiesen
Steven Schardt
David Bundgren
J. Martin Dinn
Paddy Evans-Winfield
Joy Brooke Fairfield
Monica Fisk
Lori Goldston
Jane Hall
Tinka Jonakova

Inhalt

Ben (Mark Duplass) hat einen guten Job, ein Haus und eine liebevolle Ehefrau (Alycia Delmore), mit der er an Nachwuchs arbeitet. Da steht eines Nachts plötzlich Andrew (Joshua Leonard), sein einstiger Freund vom College und Weltreisender, vor der Tür. Ben bewundert Andrews Ungebundenheit während Andrew unvoreingenommen die Lebensweise des Freundes zu respektieren scheint. Auf einer Künstlerparty kommen die beiden alten Freunde auf die Idee, allen auf spezielle Weise zu zeigen, wie lässig sie immer noch sind. Beim "Humpfest", einem Amateurporno-Filmfestival wollen sie mitmachen: als zwei Hetero-Männer, die miteinander Sex haben.

Kritik

Ob das Konzept hinter Lynn Sheltons unkonventionellem Buddy-Movie raffiniert oder banal ist, lässt sich letztlich nur vermuten. Nicht auszuschließen, dass das Filmplakat und der nach Sexklamauk klingende Titel eine gezielte Irreführung eines Publikums mit einer eher konventionellen Erwartungshaltung. Am Anfang bewegt sich die Filmemacherin bewusst auf ausgetretenen Handlungswegen, um sowohl unter den Protagonisten als auch unter den Zuschauer in Sicherheit zu wiegen. Alles ist beim Alten, sogar nach über zehn Jahren, die sich die College-Kumpel Andrew (Joshua Leonard) und Ben (Mark Duplass) nicht mehr gesehen haben. Ben ist mittlerweile ein aufgeräumter Spießer, der mit seiner Frau Anna (Alycia Delmore) verkrampft den für das Bilderbuchfamilienglück obligatorischen Nachwuchs zu erzeugen. Weil das nicht richtig klappen will, versucht das Pärchen es mit künstlicher Befruchtung. Hallo ihr Motive für ein angespannt-nervöses Verhältnis zur eigenen Männlichkeit.

Andrew ist das Gegenteil seines alten Buddys. Ein zerfahrener Backpacker, dem ein strukturierter Tagesablauf fremd ist. Zwischen spätnachts und frühmorgens steht er plötzlich bei Ben vor der Tür. Sehr zur Verwunderung von Anna, die bis dahin nichts vom vormals besten Freund ihres Mannes wusste. Shelton spickt ihre eigensinniges Filmexperiment zwischen Romcom und Mumblecore mit solchen ambivalenten Details, die sich auf entgegengesetzte Weise auslegen lassen. Hat Ben nichts von Andrew erzählt, weil seine Beziehung zu Anne nicht vertraut genug ist? Oder hat er nichts erwähnt, weil die Freundschaft ihm zu unwichtig schien? Leise unterschwellige Spannungen sind von Anfang an da, auch und vor allem zwischen den beiden Hauptcharakteren. Ihr Wiedersehen konfrontiert jeden von ihnen mit einem Lebensweg, den sie ausgeschlagen haben. Auf einer drogenumnebelten Party beschließen beide, an einem Amateurfilmwettbewerb für ambitionierte Pornos teilzunehmen. Dafür wollen die beiden Heteros vor der Kamera miteinander Sex haben. Die Aktion soll auch die Intensität der brachliegenden Freundschaft beweisen. Nüchtern wollen beide den Plan verwerfen, doch dann wirft die Diskussion darüber tiefere Fragen in ihnen auf. 

Antwort darauf finden sie nur, wenn sie das Filmprojekt doch realisieren. Die bisweilen recht langatmigen Gespräche unterwandern die überproportionale Bedeutung des sexuellen Selbstbildes im Alltag. Sexualität ist darin Symbol und Metapher: für die gesellschaftliche Stellung, die eigene Biografie, die soziale Rolle in Eigen- und Fremdwahrnehmung. Die Grenzen sexueller Identität, denen die großteils improvisierten Dialoge nachspüren, umfassen mehr als die Orientierung der Protagonisten. Das Kunstprojekt zwingt Andrew und Ben dazu, ihr Selbstbild in einem weiteren Kontext neu zu definieren und zeigt die Verworrenheit soziokulturellen Prestiges. Auf einmal plagen die Charaktere Selbstzweifel nicht aufgrund ihrer Normalität. Die Kernfrage lautet nunmehr: Bin ich etwa so langweilig? Dennoch ist es die Erschütterung dieser Normalität, die das Männerpaar umtreibt. Mit subtiler Ironie illustriert Shelton, wie fest Heterosexualität mit dem gängigen Konzept sozialer Akzeptanz verwachsen ist.

Fazit

Vom psychologischen Selbstfindungstrip schlägt die hypothetische Handlung den Bogen zur trockenen Komödie, die mehr Fragen anstößt als sie beantwortet. Wie es in einer der handlungszentralen Unterhaltungen heißt: „Ich weiß nicht, ob es Kunst ist oder nicht. Aber es lotet Grenzen aus. Und das ist es, was Kunst tun sollte.

Autor: Lida Bach
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