Inhalt
Ein missglückter Auftrag für einen alten Bekannten und gefährlichen Gangster bringt den gealterten Kleinganoven Hassan und seinen jungen Sohn Issam in eine mörderische Lage. Sie müssen in einer endlosen Nacht eine Leiche loswerden, um nicht selbst als welche zu enden.
Kritik
Schwefelige Schwarz- und Orange-Töne, die das dystopische Dilemma der armseligen Antihelden in diabolische Düsterkeit tauchen, eine abgründige Atmosphäre und ein pointiert perfider Plot machen Kamal Lazaraqs dichtes Debüt ohne Frage zu einem visuell und narrativ gleichermaßen packenden Psycho-Thriller. Doch dessen markanter Stil und klare Struktur sind auch Teil einer archaisch-aggressiven Inszenierung. Deren mörderisch-martialische Männerwelt ist maßgeschneidert für den konservativen Cannes-Kosmos, wo das scheinbar Neue nur ein Abglanz des Alten ist.
Diese generationsverbindende Analogie spiegelt sich kurioserweise in der destruktiven Vater-Sohn-Beziehung im Mittelpunkt der gehetzten Handlung. Deren elliptischer Verlauf unterstreicht die Ausweglosigkeit der kleinkriminellen Klasse der zwischen Unterschicht und Unterwelt oszillierenden Figuren. Mit Ausnahme der alten Mutter des Handlangers Hassan (Abdelatif El Mansouri), der für Gangsterboss Dib (Abdellah Lebkiri, Der Blaue Kaftan) den Schläger eines Rivalen kidnappen soll, sind sämtliche Figuren männlich, Queerness wird dämonisiert und Traditionalismus und Religion ankern den letzten Rest Moral.
Der namenlose Leichnam ihres Entführungsopfers wird für den alten Gauner und seinen erwachsenen Sohn Issam (Ayoub Elaid) zum Menetekel, dessen unheilvolle Wirkung sie in immer vertracktere Lagen bringt. Ein Touch Horror und Mystik intensivieren den finsteren Fatalismus der charismatischen Crime-Story, die gerade aufgrund der geschliffenen Ästhetik und tadellosen darstellerischen Ausführung ethisch ambivalent bleibt wie ihre Protagonisten. Sie wirken positiv, weil ihr Umfeld so viel schlimmer ist - genau wie die cineastische Detour.
Fazit
Trotz seiner prägnanten Parallelen zu klassischen Kriminalfilmen wie "Fahrstuhl zum Schafott" und "The Killing" bewahrt sich Kamal Lazaraqs grimmiges Genre-Werk von der ersten der stimmungsvollen Szenen an seine eigene Couleur. Letztes im wörtlichen Sinne in Form der eindrucksvollen Farbdramaturgie, die der zwischen infernalischem Irrwitz und bestialischer Brutalität mäandernden Odyssee einen angemessen höllischen Hintergrund verleiht. Den letzten beißen buchstäblich die Hunde in dieser patriarchalen Parabel, deren unterliegenden Zynismus die konservative Korruption verstärkt.
Autor: Lida Bach