Inhalt
Der Fernsehfilm aus dem Jahr 2003 rekonstruiert die frühen Jahre im Leben des späteren deutschen Reichskanzlers Adolf Hitler. Er, ein österreichischer Gefreiter, übernimmt die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) und baut sie zur NSDAP aus. Ein Kampf gegen die Demokratie in Deutschland beginnt, ein Kampf, an dem, so Hitler, die Juden schuld wären. 1933 übernimmt Hitler die Macht in Deutschland.
Kritik
„Denken Sie, es sind Juden in Walhalla?“
An keiner zeitgeschichtlichen Persönlichkeit rieben sich Historiker mehr auf, als an Adolf Hitler. Nicht einmal an Alexander dem Großen. Zappt man heute durch das alltägliche Fernsehprogramm, wird dem Zuschauer an dieser Stelle auch schnell wieder deutlich gemacht, dass Hitler nicht nur nach wie vor ein Teil der Deutschen Identität darstellt, über den man sich nicht hinwegsetzen kann, sondern auch, dass der Mann, der die Welt einst ins Verderben stürzte, ein Medienstar ist: Noch immer kein Wort zu viel wurde allem Anschein nach über ihn verloren. Dokumentation um Dokumentation, Parodie um Parodie, Spielfilm um Spielfilm. Hitler ist und bleibt ein massenwirksames Faszinosum, mit dem man sich nur zu gerne beschäftigt – und selbst dann, wenn man sich nur über ihn lustig machen möchte. Lebendig bleibt er durch derlei Verfahren so oder so.
Wie kompliziert es allerdings ist, filmisch ein vertretbares Bild von Adolf Hitler zu schaffen, hat Oliver Hirschbiegel mit seinem Blockbuster Der Untergang erfahren, in dem er den größten Fehler begangen hat, den man in diesem Gefilde machen konnte: Er hielt respektvollen Abstand. Hitler – Aufstieg des Bösen, eine 20 Millionen Dollar schwere CBS-Produktion suchte ein Jahr zuvor einen anderen Ansatz. Nicht die letzten Jahre des Führers sollten beleuchtet werden, sondern seine Machtergreifung, aus der Wiege bis in den Reichstag. Das Ergebnis jedoch ernüchtert ebenfalls in vollem Ausmaß: Regisseur Christian Duguay (Ein Sack voll Murmeln), ein arrivierter TV-Filmemacher, geht es nicht um geschichtliche Wahrheiten, stattdessen verfolgt er mit diesem Zweiteiler das Ziel, irgendwann als ultimatives Referenzwerk herangezogen zu werden – Im Schulunterricht jedenfalls sollte Hitler – Aufstieg des Bösen seinen festen Platz zugesprochen bekommen. Mindestens!
Nach einer seltsam sprunghaften Exposition, in der im Zuge schneller Schnitte und unsortierter Bildfolgen die Kinder- und Jugendjahre von Adolf Hitler abgespeist werden, klappert Hitler – Aufstieg des Bösen im Anschluss über eine Laufzeit von über 180 Minuten die entscheidenden Ereignisse und Stationen in Hitlers Leben ab. In seiner Form als prestigeträchtige Entwicklungsgeschichte ist es Christian Duguay in seiner (altbackenen) Inszenierung natürlich daran gelegen, möglichst viele Fakten in den Handlungsverlauf einzubauen. Von der Ablehnung an der Kunstakademie, über Hitlers Zeit als Obdachloser, bis zu seinen Erlebnissen als böhmischer Gefreiter im ersten Weltkrieg und Brandredner für die Deutsche Arbeiterpartei, die Hitler als Nährboden für die spätere NSDAP dient, bleibt Duguay der Chronologie von Hitlers Vita treu. Mit historischer Akkuratesse hat Hitler – Aufstieg des Bösen dennoch nichts zu tun, das kalkulierte Event steht im Vordergrund.
Ein unheilvolles Orchester darf sich in Hitler – Aufstieg des Bösen unentwegt auf der Tonspur breitmachen, um dem Zuschauer auch zu jeder Zeit deutlich zu machen: Oh, ja, hier ist ein Monster am Werke (der reißerische Titel allein schon verweist auf die fehlende Ambivalenz des Formats). Keine Frage, man darf sich im Umgang mit der Person Adolf Hitler nicht auf schönfärbende Kompromisse einlassen, die in einer „eigentlich war er ja nur ein trauriger Kerl“-Konklusion munden. Hitler – Aufstieg des Bösen aber verzichtet vollständig auf jedwede Zwischentöne und frönt eine inhaltliche Unstimmigkeit, die den Film niemals zum lehrreichen, sondern vor allem zu einem spekulativen, bisweilen fiktiven Unterfangen erklären. Das sklavische Abklappern von Fakten und deren Verdrehung verkommt zum trockenen, geistlosen Melodrama ohne Nachhall. Schade um Robert Carlyle (T2: Trainspotting), der zeigt sich bemüht, aber ist unter diesen Bedingungen zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.
Fazit
Inzwischen ist es ja schon eine Art Tradition, dass Produktionen, die sich der Figur des Adolf Hitler anzunehmen versuchen, gnadenlos scheitern. "Hitler – Aufstieg des Bösen" stellt in dieser Gepflogenheit keine Ausnahme dar und offenbart sich als TV-Zweiteiler, der nicht lehrreich ist, sondern historische Klitterung betreibt, die der Seherfahrung zusehends an Bedeutung raubt. Robert Carlyle gibt sich sichtlich Mühe, ist aber auf verlorenem Posten, denn "Hitler – Aufstieg des Bösen" ergründet sein Sujet nicht, er instrumentalisiert und verdreht es.
Autor: Pascal Reis