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Nach der Premiere von „Der unsichtbare Dritte“ wird er von allen Seiten umjubelt und steht im Zenit seines Schaffens: Alfred Hitchcock, der Master of Suspense. Er fühlt sich jedoch eingeengt und möchte mit seinem nächsten Film „Psycho“ neue Wege gehen. Das mächtige Hays-Office, quasi die Grenze allen kreativen Schaffens in Hollywood, droht dem „anwidernden“ Drehbuch mit Zensur. Selbst seine Frau Alma und „wichtigste Mitarbeiterin bei Schnitt, Drehbuch, Kindererziehung und Küche“ stellt sich gegen ihn und arbeitet mit dem Schriftsteller Whitfield Cook an einem eigenen Projekt. Rücksichtslos verfolgt Hitchcock die Verfilmung „Psycho“s und verpfändet für die Verfilmung sogar sein Haus, worunter seine Ehe stark zu leiden hat.
Kritik
Das Biopic „Hitchcock“ macht in Hollywood schon seit je her die Runde. Erst mit dem Engagement Anthony Hopkins‘ jedoch, nahm das Projekt Gestalt an. Auf den Regie-Posten wurde Sacha Gervasi gesetzt, der zuvor nur eine Dokumentation über eine Heavy-Metal-Band gedreht hatte. Dafür dass „Hitchcock“ Gervasis Spielfilm-Debüt ist, erscheint die Biographie jedoch erstaunlich ziel- und selbstsicher (teilweise jedoch etwas zu hektisch), den trockenen Humor adaptiert der gebürtige Londoner fast schon mühelos, die Beziehung zu seiner Frau wird durchdacht erzählt. Allerdings wird Hitchcocks Frau Alma in die Position der weiblichen, ebenbürtigen Hauptfigur gerückt, wodurch „Hitchcock“ eher ein Beziehungsdrama ist, als ein informatives Biopic.
Dem Regisseur fällt es aber zu fast jeder Zeit schwer, das Beziehungsdrama mit dem Humor und der informativen Ader einer Biographie zu kombinieren. Stattdessen schrammen diese immer ungemütlich aneinander vorbei und lassen einen faden Beigeschmack zurück. Auch rückt der eigentlich spannende Produktionsverlauf des Films „Psycho“ so sehr in den Hintergrund, dass er nur als Rahmen für die Erzählung der Ehe zwischen Hitchcock und Alma herhält. Ohnehin dreht sich der Film einzig und allein um das Ehepaar, sodass bei Nebenfiguren fast gänzlich mit einer Charakterisierung gegeizt wird. Dabei bietet das Drehbuch einige Analysen Hitchcocks Charakter an, die zwar etwas weit hergeholt erscheinen, aber sich dramaturgisch gut ins Gesamtbild einfügen.
Der Serienkiller Ed Gein in „Psycho“ soll quasi für die eigenen dunklen Obsessionen Hitchcocks stehen, die mit dem wachsenden Liebesentzug Almas immer stärker an die Oberfläche treten. So interpretiert der Film die berühmte Duschszene als Ventil von Hitchcocks eigenen Mordfantasien. Als Alma am Set von „Psycho“ das Ruder übernimmt, zeigt das nicht nur, wer in der Beziehung eigentlich die Hosen an hatte, sondern dass es ohne sie gar keinen „Psycho“ gegeben hätte. Gänzlich überzeugen können Anthony Hopkins im Fatsuite und Helen Mirren als selbstbewusste Ehefrau, die sich über ihren Anteil an der Karriere ihres Mannes völlig im Klaren ist. Vor allem Ersterer lässt nicht geringsten Zweifel an seiner Darstellung zu, die hervorragende Maske (plus Doppelkinn) ist indes so dezent eingesetzt, dass Hopkins sich noch optimal entfalten kann.
Fazit
Zwar weiß Regisseur Sacha Gervasi sowohl das Beziehungsdrama, als auch den einzigartigen Humor und Charakter Hitchcocks hervorragend zu inszenieren, versagt jedoch bei der geschickten Kombination dieser Faktoren zu einem großen Ganzen. Da die Ehe Hitchcocks so sehr in den Mittelpunkt gerückt wird, ist „Hitchcock“ auch für „Psycho“-interessierte nicht wirklich befriedigend. Da ist man mit einer Dokumentation besser bedient. Was jedoch die Maskenbildner hier leisten, ist wahrlich bemerkenswert und dienen Hopkins authentischem Schauspiel als fantastischer Katalysator.
Autor: Kadir Güngör