Inhalt
Eine Gruppe von Schwerverbrechern und Straftätern wird ins All geschickt, um zu einem schwarzen Loch zu reisen und dort alternative Energiequellen aufzuspüren. Mit der ungewöhnlichen Reise sollen sie ihren langen und schweren Strafen entkommen, auch wenn die Mission nur ein Vorwand ist, die Besatzung in den sicheren Tod zu schicken. Schon nach kurzer Zeit eskalieren die Ereignisse an Bord...
Kritik
Die lautstarken Schreie eines Babys sind in High Life von Claire Denis (35 Rum) zu Beginn die deutlichsten Anzeichen menschlichen Lebens, welche den trostlosen Rest dieses beklemmenden Science-Fiction-Settings übertönen. Dabei setzt die französische Regisseurin an einem Punkt der Geschichte an, der tatsächlich schon das Ende des Films einläuten könnte. Als letzter Überlebender einer Weltraum-Crew, die aus Schwerverbrechern und zum Tode Verurteilten besteht, kümmert sich der von Robert Pattinson (Good Time) gespielte Monte um ein kleines Baby, das offenbar seine Tochter ist. Der Rest der Raumschiff-Besatzung, die auf der Erde irgendwann zu einer Mission in Richtung eines schwarzen Lochs entsandt wurde, um dem sicheren Ableben entgegenzusteuern, ist in den anfänglichen Szenen von High Life bereits tot. Ein letztes Mal nimmt sich Monte ihrer Körper an, um die Leichen in Raumanzüge einzuhüllen und in die pechschwarze Schwerelosigkeit des Alls zu entlassen, wo sie zu dem schließlich eingeblendeten Titelschriftzug des Films umher treiben.
Mit pechschwarzer Dunkelheit lässt sich zudem der allgemeine Erzählton von Denis' Film beschreiben, der sich fortan als nonlinear inszeniertes Kammerspiel entfaltet, in dem die klaustropobische Stagnation an Bord des Raumschiffs mit den tiefen Abgründen der menschlichen Besatzung kollidiert. Auch wenn High Life zugleich den ersten komplett englischsprachigen sowie explizit dem Science-Fiction-Genre zuordenbaren Film der Französin markiert, fügen sich die Motive der Geschichte trotzdem nahtlos in deren bisherige Werke ein. Ähnlich wie Denis' damaliger Skandalfilm Trouble Every Day, in dem sie die Isolation und Einsamkeit ihrer Figuren in eine Abfolge blutiger sowie animalischer Eskalationen überführte, ist auch High Life die Studie eines Mikrokosmos, in dem das unterdrückte Begehren und die natürlichen Triebe der Figuren nach und nach überhandnehmen. Dabei zeigt sich die Regisseurin neben den fiebrigen Bildern und Montagen vor allem an den ständigen Kontrasten interessiert, die sich aus der Schlucht zwischen dem sterilen Setting und dessen Gegensatz des rein Menschlichen ergibt.
Mit unheilvoller Gelassenheit schwebt die Kamera von Yorick Le Saux durch die stillen Korridore des Raumschiffs, blickt um Ecken und in geheimnisvolle Räume, die mitunter sexuelle Stimulation versprechen, bis die unterschiedlichen Körper in diesem Film wiederholt in den Mittelpunkt der Szenen rücken. Als Gegenreaktion auf die klinisch reinen Schauplätze studiert Denis ihre Figuren in diesem Film regelmäßig über deren Körperflüssigkeiten. All die angestauten Emotionen und das unterdrückte Verlangen, das in der zur zwischenmenschlichen Keuschheit verdammten Crew brodelt, entlädt die Regisseurin mit einem neugierigen Blick auf fließendes Blut, leicht sichtbaren Schweiß auf der Haut, Muttermilch, die aus Brüsten gedrückt wird, oder Sperma, das den experimentellen Forschungszwecken der einzigen Ärztin an Bord dient. Nicht umsonst wird die von Juliette Binoche (So ist Paris) gespielte Dr. Dibs einmal im Film als Sperma-Schamanin bezeichnet. Sie ist diejenige, die an Bord mithilfe von künstlicher Befruchtung unbedingt für Nachwuchs sorgen will, während der Rest der Besatzung in sinnloser Leere gefangen gehalten wird.
Nur einige wenige Rückblenden, die extra in Polen gedreht wurden und durch ihre starke Grobkörnigkeit sowie poetische Zerbrechlichkeit direkt aus einem Werk des großen Andrei Tarkovsky (Solaris) stammen könnten, lassen als lose Erinnerungssplitter für den Betrachter noch einen Kontakt zur Erde zu. Ansonsten gestaltet sich High Life als apokalyptisch-fragmentierte Reise zwischen Raum und Zeit zum Rand des Universums, die gleichzeitig eine introvertierte Reise in den Zerfall der Menschlichkeit bedeutet. In der elliptisch verschlossenen Erzählung lässt Denis wenig Hoffnung für den Fortbestand der Zivilisation aufkommen, sobald die hypnotischen Sequenzen in der zweiten Hälfte des Films mehr und mehr von mörderischer Gewalt durchzogen werden. Doch selbst inmitten des nahezu alles überschattenden Pessimismus, der dieses latent verstörende Science-Fiction-Poem in Richtung des unvermeidlichen Untergangs drängt, lässt die Regisseurin ein Gesicht schlussendlich hell aufleuchten, das in Anbetracht der nahenden, irrationalen Endgültigkeit mit den Sternen des Kosmos verschwimmt.
Fazit
Mit ihrem ersten Science-Fiction-Film inszeniert Claire Denis in "High Life" die klaustrophobische Studie eines kammerspielartigen Mikrokosmos, in dem sie die unterdrückten Triebe und das verbotene Verlangen ihrer Figuren auslotet und zunehmend eskalieren lässt. Die Weltraum-Mission einer Besatzung aus Schwerverbrechern und Straftätern zu einem schwarzen Loch wird zur apokalyptisch-fiebrigen Reise in tiefste Abgründe, welche die Regisseurin mit einem expliziten Hang zur Zurschaustellung unterschiedlichster Körperflüssigkeiten und brutaler Gewalteinschübe auslotet, bis ihr hypnotisch-verstörendes Science-Fiction-Poem in den Sternen des Universums zu verglühen scheint.
Autor: Patrick Reinbott