Inhalt
Verschiedene Familien – ein besonderer Ort. Die Geschichte von HERE erstreckt sich in einer Zeitreise über Generationen und fängt die menschliche Erfahrung in ihrer reinsten Form ein. Tom Hanks und Robin Wright spielen die Hauptrollen in einer Geschichte über Liebe, Verlust, Freude und das Leben und alles, findet genau hier statt.
Kritik
Die zentrale Beobachtung Richard McGuires gleichnamigen Cartoons war, dass manche Dinge sich nur quälend langsam verändern, wieder andere Dinge ändern sich bloß dem äußeren Anschein nach und die meisten Dinge ändern sich nie. Immerhin das vermittelt Robert Zemeckis (Pinocchio) langatmige Leinwand-Adaption, die sonst nur wenig gemeinsam hat mit ihrer stilistisch schlichten, konzeptionell komplexen Vorlage. Der ihr zugeschrieben kreative Einfluss ruht auf der für das Ersterscheinungsjahr 1989 relativ innovativen Überlagerung zeitlicher und narrativer Ebenen in einzelnen Panels.
Die zeigen alle die gleiche Perspektive auf den selben Raum beziehungsweise vor dessen Konstruktion den Fleck Wald oder prähistorischer Landschaft. Doch die Hoffnung auf weitere Dino-Auftritte zerschlägt sich schnell in der historiographischen Handlung. Die spielt in einem Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Einfamilienheim. Dessen angedeuteter Standort ist Perth, New Jersey, in gediegenem Mittelschicht-Milieu, über dessen Gesellschaftsgrenzen die wortwörtlich immobile Inszenierung nie blickt. Das halbe Dutzend überlappender Geschichten eint weniger der Ort als ihre wirklichkeitsfremde Werbewelt.
Die zelebriert heteronormative Harmonie, gestrige Gender-Rollen und bourgeoise Bequemlichkeit als ein naturgegebenes Ideal generationsübergreifenden Glücks. Männer wie Richard (Tom Hanks, Elvis) und davor sein Vater (Paul Bettany, WandaVision) sind Geldverdiener, Frauen wie Richards Gattin Margaret (Robin Wright, Damsel) machen Haushalt und Kinder, denen sie verkünden, wie „happy“ sie sind. Ohne Sarkasmus oder relevanter Relativierung wirkt das wie Hollywoods Hochglanz-Version republikanischer Reklame. Queere oder gehandicapte Menschen existieren in diesem Bilderbuch-Bürgertum nicht, BIPOC Charaktere und Unterschicht nur an dessen Rand.
Die zwei Segmente mit nicht-weißen Figuren erhalten nur einen Bruchteil der Screentime der weißen. Deren wichtigster ist Richard, der sein ganzes Leben „hier“ verbringt, großteils mit Margaret. Ihr filmfüllender Familienalltag ist eine Soap im Sitcom-Setting, voll trivialer Tragödien und sentimentalen Spießertums. Das sozialkritische Potenzial des schauspielerisch tadellosen Kostümstücks erstickte bereits die Vorlage, deren formalistische Originalität genauso entfernt wurde wie die futuristischen Elemente. Nicht nur die Zukunft, auch die Gegenwart existiert nicht in der ewiggestrigen Elite-Idylle.
Fazit
Wohl wahr, manche Dinge ändern sich nie. Am wenigstens der Publikumsbedarf nach verlogener Vergangenheitsverklärung. Eine Doppeldosis davon kreiert Robert Zemeckis dramaturgischem Déjà-vu. Das reanimiert mit der bewährten Regie-Autoren-Schauspiel-Kombination von “Forrest Gump” auch die Ära, als Mainstream-Kino weiß, gutbürgerlich, straight und monogam war. Die sublimierte Sehnsucht nach diesem segregierten Sozialkosmos voll restriktiver Rollenklischees ist noch unangenehmer als das CGI-Lifting der zuverlässigen Darstellenden. Paradoxerweise macht gerade die inszenatorische Innovation ersetzende Ideologie das Schneekugel-Szenario konservierten Konservativismus so zeitgeistig.
Autor: Lida Bach