Inhalt
Hedi, Uli und ihr Sohn Finn haben sich ihr Leben gut eingerichtet - sie nehmen den Alltag, wie er kommt und träumen von dem, was sein könnte. Doch plötzlich steckt Hedi fest. Erst mal nur im Aufzug, aber dann auch im Kopf. Und mit einem Mal ist nichts mehr, wie es war. Obwohl sie versuchen, aneinander festzuhalten, gerät Hedis und Ulis Welt aus den Fugen. Um ihrer Liebe eine letzte Chance zu geben, beschließen sie, nach Norwegen zu reisen und noch einmal glücklich zu sein - zumindest für 24 Stunden.
Kritik
Es gibt nicht viele richtig gute Filme, die sich mit den ernsten Themen um Krankheit, Störung und psychologischen Problemen auseinandersetzen. Das erste Beispiel, das einem da in den Sinn kommt dürfte recht deutlich „Einer flog über das Kuckucksnest“ mit dem legendären Jack Nicholson sein, der nie müde wird, zu betonen, wie sehr ihm gefallen hat, dass er eine prozentuale Gewinnbeteiligung besaß. Das ist natürlich ein kleiner frecher Witz und funktioniert auch immer wieder (es ist halt einfach Jack Nicholson), aber man darf den tiefen Eindruck nicht ignorieren, den der Film dank seines ehrlichen Umgangs mit bitteren Wahrheiten hinterlässt. Und auch wenn das Meisterwerk von Milos Forman natürlich nicht als Vergleich zu der kleinen deutschen Produktion „Hedi Schneider steckt fest“ herhalten kann, überzeugt der Film von Sonja Heiss auf seine ganz eigene Art und Weise.
Dabei steckt Hedi am Anfang noch gar nicht fest. Im Gegenteil, sie flitzt auf ihrem Fahrrad fröhlich durch die Stadt. Würde man raten, wäre man wohl nie auf die Idee gekommen, dass sie auf dem Weg zur Arbeit ist. Ist sie aber und dort steckt sie dann auch schließlich fest; erst im Aufzug, dann im Beruf und schließlich im Familienleben. Sie scheint von den einfachsten Dingen überfordert zu sein, scheint von der übrigen Welt um sich herum nichts mehr zu verstehen. Und all das zu ihrer eigenen Überraschung. Ihre Unsicherheit, ihr unschuldiges Missverständnis kulminiert schließlich in einer ausgewachsenen Panikattacke in den eigenen vier Wänden. Wer schon einmal Zeuge oder gar Opfer eines solchen Anfalls war, der wird in den Momenten, in denen Heiss das intensive Spiel von Laura Tonke dokumentiert, ganz still sein und gebannt auf den Bildschirm starren.
Eine solch mutige und verständnisvolle Inszenierung von Panikattacken, ja psychischen Problemen generell, ist wahnsinnig selten. Das liegt daran, dass eine verständnisvolle Reaktion auf derartige Fälle im echten Leben wahnsinnig selten ist. Viele Menschen trauen sich mit ihrer Erkrankung gar nicht an die Öffentlichkeit, zu groß sind Scham, Sorge und Angst vor dem Verlust des Berufs und der Freunde. Das ist bittere Realität und unbedingt zu ändern, schließlich leben wir im 21. Jahrhundert. Der Umgang mit psychisch Kranken ist zwar schon (auch dank dem „Kuckucksnest“) einen weiten Weg gegangen, am Ziel angekommen ist man noch nicht. „Hedi Schneider steckt fest“ macht das deutlich, ohne je einen bösen Blick oder gar den Zeigefinger rauszuholen.
Denn das besondere an dem Film ist der unheimlich überraschende Humor, der hin und wieder wirklich königlich zündet. Nicht immer funktionieren die Witz-Häppchen, teils auch weil sie zu einfach gedacht sind, aber wenn der Film es sich mit sich selbst erst einmal gemütlich gemacht hat, kann er gar nicht mehr anders, als Qualitäten zu beweisen, die vielerorts in der Filmlandschaft vermisst werden. Herzlicher Charme, tolle Darbietungen der Schauspieler (Hans Löw ist wirklich stark) und gefühlvolle Momente im gekonnten Wechsel mit spritzigem Humor. Heiss nutzt die ersten zwanzig Minuten wahrlich geschickt, um eine lockere Grundathmosphäre aufzubauen, bevor sie mit der Thematik ans Eingemachte geht und den Zuschauer mit ihren Figuren durch ein wahres Minenfeld führt.
Lustige Dialoge wie „Das ist Maulwurfkacke.“ - „Ja, was andres gibt’s aber nicht.“ treffen da auf kleine Sätze à la „Es tut mir so leid, dass ich das hab.“ Gerade darin findet sich eine so tonnenschwere Wahrheit. Heiss findet in dem Spaß Momente, in denen sie die Krankheit, die Leidende selbst und die Angehörigen behandelt, Momente, in denen Hedi denkt, sich entschuldigen zu müssen, ungenügend zu sein. Momente der Selbstschuld-Zuweisung und des Zweifels, die wirklich ans Herz und in den Kopf gehen. Jeder, der ähnliche Probleme hatte, wird hier einige Wahrheiten und Gedanken/ Sätze zu hören bekommen, die schmerzlich bekannt vorkommen. Und sie helfen dabei, dem Zuschauer deutlich zu machen, dass ein Leben voller Stigmata, Zwänge und Ausgrenzung ganz einfach nicht existent sein sollte.
Fazit
„Hedi Schneider steckt fest“ ist eine Komödie über ein sehr ernstes Thema und macht dabei (fast) alles richtig. Der Humor mag anfangs verwirrend sein, wenn man eben einen bierernsten Umgang mit der Krankheit erwartet. Dass es auch anders geht, beweist die Regisseurin Sonja Heiss hier mehrfach, indem sie den Ernst der Angelegenheit stets respektiert, das Drumherum aber immer wieder locker-flockig behandelt. Der Film fängt stark an, macht schwach weiter, schafft es jedoch - und das ist vielleicht das schönste - sich wieder aufzurichten und zu einem überaus runden Finale zu kommen. Ein rundum unterhaltsamer Film mit Herz und Kopf für ein ernstes Thema.
Autor: Levin Günther