Inhalt
Der Burgunder Waffenmeister Hagen von Tronje hält mit Pflichtbewusstsein und eiserner Härte das von Krisen geschüttelte Königreich zusammen. Dabei unterdrückt er die heimliche Liebe zur Königstochter Kriemhild und verdrängt seine eigene dunkle Vergangenheit. Als der berühmte Drachentöter Siegfried von Xanten in Worms auftaucht und mit seiner Unberechenbarkeit die alten Strukturen gefährdet, wird Hagen zunehmend zur tragischen Figur. Der junge und durch den plötzlichen Tod seines Vaters noch unerfahrene König Gunter sieht in Siegfried eine Chance, das Reich zu retten. Er bittet ihn um Hilfe, ausgerechnet die gefährliche Walküre Brunhild zur Frau zu nehmen. Als sich Kriemhild in Hagens Widersacher Siegfried verliebt, muss er sich zwischen Liebe und Königstreue entscheiden. Hagen von Tronje wird dabei herausfinden, wer er wirklich ist.
Kritik
Kaum ein Stoff ist so tief im kulturellen Gedächtnis Deutschlands verankert wie die Nibelungensage. Begriffe wie Wagner, Walküre oder Bayreuth beschwören sofort Bilder von heroischen Mythen und grandiosen Erzählungen herauf. Diese Assoziationen nähren Erwartungen an epische Werke, die das Publikum in ihren Bann ziehen sollen. Hagen – Im Tal der Nibelungen, basierend auf dem gleichnamigen Roman des Fantasy-Veteranen Wolfgang Hohlbein, tritt mit einem solchen Versprechen an. Doch kann der Film, eine Koproduktion von Constantin Film und RTL, diesen hohen Erwartungen gerecht werden?
Hohlbeins Roman stellt die faszinierende Frage: Was, wenn Hagen von Tronje nicht der Schurke der Geschichte, sondern ein vielschichtiger Antiheld wäre? Ein Mann, der von Pflichtbewusstsein und Selbstaufopferung geleitet wird und Siegfried nicht aus niederträchtigen Motiven, sondern aus einem tiefen Verantwortungsgefühl heraus tötet. Diese vielversprechende Prämisse wurde vom Regie-Duo Cyrill Boss und Philipp Stennert (Das Haus der Krokodile) für die Leinwand adaptiert, mit einer erweiterten Mini-Serie auf RTL+ in Aussicht.
Die Erwartungen an ein solches Projekt sind immens: Alles sollte groß, episch und beeindruckend sein. Doch in der Umsetzung erfüllt der Film dieses Versprechen nur bedingt. Die erhofften spektakulären Schlachten? Selten und oft schneller vorbei, als man es sich wünscht. Herausragende visuelle Momente? Ja, vor allem in den beeindruckenden Landschaften Islands, die die Protagonisten durchqueren. Diese majestätischen Kulissen bilden einen starken Kontrast zu den ansonsten tristen, steinigen Burgszenen, in denen sich die Handlung größtenteils abspielt. Leider wird die visuelle Pracht oft von einer insgesamt monotonen Gestaltung erdrückt.
Auch die Figuren scheinen sich der Tristesse ihrer Umgebung anzupassen. Während Hagen, verkörpert von Gijs Naber (I Am Zlatan), seiner Rolle würdige Reife verleiht, bleiben andere Charaktere, wie König Gunther (Dominic Marcus Singer, Der Pass) und besonders Siegfried (Jannis Niewöhner, Napoleon), erschreckend blass. Siegfried wirkt eher wie eine Ansammlung von Klischees als ein entwickelter Charakter, eine Art schwertschwingender Rockstar ohne substanzielle Tiefe. Ein Ritter aus Xanten, der genauso gut aus Seattle während der Grunge-Zeit kommen könnte. Ein starker Ansatz, der aber zu platt umgesetzt wurde.
Auch die klassischen Themen Macht, Krieg und Liebe werden zwar nicht uninteressant angegangen, doch die Umsetzung wirkt unbefriedigend. Der Film schwankt unentschlossen zwischen dramatischer Theatralik und einem modernen, emotionalen Stil. Das Ergebnis ist ein Kompromiss, der weder energetisch noch durchdringend wirkt, auch wenn er ambitionierte Ansätze zeigt.
Diese Ansätze bleiben jedoch, zumindest in der Filmversion, marginal. Figuren, die in der literarischen Vorlage sicherlich komplexer erscheinen, verkommen zu Randerscheinungen. Brunhilde (Rosalinde Mynster, Die Königin und der Leibarz), die Anführerin der Walküren, mag visuell beeindrucken und treibt die Handlung voran, doch eine emotionale Verbindung zu ihr bleibt unerreichbar. Ihr Unnahbares, ein zentrales Element ihrer Figur, wird derart überbetont, dass sie austauschbar wirkt – ob Brunhilde oder ein Felsen in der Schlacht steht, macht kaum einen Unterschied.
Besser gelungen ist die Darstellung des Zwergs Alberich (Johanna Kolberg, Fatjona). In den Momenten, in denen der Film mit Wahrnehmungen spielt und gruselige, atmosphärische Sekundenbruchteile erzeugt, zeigt er sein Potenzial. Tatsächlich sind es eher die feinen Details, die hier wirklich beeindrucken, während die vermeintlich monumentalen Höhepunkte zwar einen eindrucksvollen Werbetrailer ergeben, aber letztlich keinen durchgängig überzeugenden Historien- oder Fantasy-Film.
Interessanter als die Neuinterpretation der Nibelungen selbst dürfte wohl die Reaktion des Publikums auf den Film (und später die Serie) sein. Der Versuch, aus altem vom Schulsystem vermutlich elendig durchgekauten Stoff etwas zu schaffen, das den schlechten Ruf des hiesigen Kinos, geprägt von Klamauk- und Betroffenheitsromantik, überwindet, ist zwar ehrenwert, aber leider nicht so gelungen wie erhofft. Die eingeschlagene Richtung wirkt zwar vielversprechend, doch droht sie immer wieder im Morast übergroßer Ambitionen zu versumpfen. Andererseits: Vielleicht sollte das deutsche Kino endlich wieder groß denken, um wirklich wieder groß zu werden? Hagen - Im Tal der Nibelungen bietet darauf keine klare Antwort, aber zumindest stellt er die Frage in den Raum.
Fazit
Der Film punktet durch seine ambitionierten Ansätze und visuelle Details, doch es mangelt ihm insbesondere an emotionaler Tiefe und durchdringenden Schauwerten. Die Romanverfilmung hält zwar nicht, was sie verspricht, weist jedoch in eine vielversprechende Richtung. Weiter machen, nicht aufgeben.
Autor: Sebastian Groß