Inhalt
Hans liebt Männer. Das ist auch im Nachkriegsdeutschland ein Verbrechen, der berüchtigte §175 ist weiter in Kraft. Im Gefängnis trifft Hans, der Wiederholungstäter, auf Viktor, einen verurteilten Mörder. Aus anfänglicher Abneigung entwickelt sich im Laufe der Jahre eine intensive Verbindung voller Respekt und Empathie.
Kritik
Radikale räumliche Eingrenzung ist zugleich Stärke und Schwäche Sebastian Meises zweiten Spielfilms, dessen psychologisches und politisches Potenzial gleichsam unterentwickelt bleibt. Dabei verlangt die intime Studie einer schwierigen Männerbeziehung hinter Gittern geradezu nach einer Konkretisierung der allzu vagen sozialkritischen Aspekte der Jahrzehnte überspannenden Handlung. Darin verweisen die drei Jahrgänge der sich in einander chronologisch überschneidenden Ellipsen angelegten Akte auf historische Umbrüche, deren gesellschaftliche Implikationen und Hintergründe sich nie manifestieren. Szenische Ökonomie wird zum Spiegel thematischer Beschränkung.
Selbige verengt den dramaturgischen Fokus vollends auf das zentrale Figurenpaar Hans (Franz Rogowski, Schwarze Milch) und Viktor (Georg Friedrich, Narziss und Goldmund). Wenn beide innerhalb der anachronistischen Erzählung erstmals interagieren, sind sie alte Bekannte aus dem Gefängnis, in dem der Doppelmörder Viktor lebenslang und der queere Hans seit 1945 regelmäßig einsitzt. Die verheerenden Auswirkungen des Paragraphen 175, in der Weimarer Republik eingeführt, von den Nazis verschärft, in der DDR abgemildert und der BRD beibehalten, transportiert das raue Charakterdrama nur ansatzweise.
Hans' Partner Oskar (Thomas Prenn, Hochwald) resigniert 1957 vor einem Leben in ständiger Angst, die das präzise Kammerspiel nie greifbar macht. Lehrer Leo (Anton von Lucke, Babylon Berlin), mit dem Hans 1968 eine Knast-Affäre hat, fürchtete im Jahr vor Entschärfung des Paragraphen um seine Lebensgrundlage. Für den Hauptcharakter und den drogensüchtigen Viktor ist es da zu spät. Beide sind zu institutionalisiert für die titelgebende Freiheit, gegen die sie ein höchstens kosmetisch vom Faschismus bereinigtes Justizsystem konditioniert hat.
Fazit
Am eindringlichsten wirkt Sebastian Meises beklemmender Triptychon als unsentimentale Chronik eines sadistischen Haftapparats, der unter dem Vorwand moralischer Läuterung Menschen systematisch verroht. Diese seelische Verwahrlosung ist indes so tief verankert in der Inszenierung, dass die Menschlichkeit der ausschließlich männlichen Protagonisten darüber fast verschwindet. Die Reduktion ihres Sexuallebens auf Triebbefriedigung und Transaktion ist besonders ambivalent, da sie dem pathologischen Stereotyp des Paragraphen 175 entspricht. Herausragende Schauspiel- und Kameraarbeit schaffen dennoch einen atmosphärischen Einblick in erschütternde Zeitgeschichte.
Autor: Lida Bach