13% positive Kritiken auf der Übersichtsplattform Rotten Tomatoes, vernichtende Ergebnisse an den Kinokassen, Entrüstung um die Besetzung von weißen Darstellern für dunkelhäutige Charaktere - Alex Proyas hat sich mit "Gods of Egypt" reichlich in den ägyptischen Wüstensand gesetzt. Als Reaktion auf die höhnische Verrisse des Feuilletons und die White-Washing-Vorwürfe (für die er sich vor kurzer Zeit noch öffentlich entschuldigte) veröffentlichte er Ende letzten Monats einen Text auf seiner Facebook-Seite, in dem er der zeitgenössischen Filmkritik gegenüber schweres Geschütz auffuhr. "Lock a critic in a room with a movie no one has even seen and they will not know what to make of it", schreibt er und beklagt sich nicht nur über das konzeptionelle Missverstehen seines neuesten Films, sondern auch darüber, wie sehr sich der moderne Filmkritiker dem Status Quo unterwirft.
Nun liest sich aus dem kompletten Text mehr die "whiny child"-Attitüde eines frustrierten Filmemachers heraus, aber ein gewisser Wahrheitsgehalt lässt sich sich seinen Worten nicht absprechen. Die Filmkritik (mit einem spezifischen Blick auf immer weiter wachsende Video-Formate, gerade im englischsprachigen Raum) ist nicht vollständig, aber doch im unangenehmen Maße überwiegend von einem Trend geprägt, der individuelle Meinungen nicht mehr weiter zulässt. Da wird abgefeiert, was es abzufeiern gilt und und bespuckt, was es zu bespucken gilt - fällt die persönliche Meinung einmal etwas exklusiver aus (und das tut sie in diesen Bereich höchstens minimal), müssen wütende Kommentatoren bereits im Voraus mit einer Entschuldigung besänftigt werden - denn Hauptsache sie vergessen das Abonnieren, Liken und Teilen nicht.
Bei der diesjährigen Verleihung der Razzies waren "Fifty Shades of Grey" und "Fantastic Four" die großen Abräumer des Abends. Nicht weil sie die schlechtesten der nominierten Filme waren, wage ich zu behaupten - sondern weil auch solche Preisverleihungen nichts Weiteres tun, als jenem Status Quo zu bedienen. Oder ist es nicht bezeichnend, dass keine anderen zwei Filme des letztes Kinojahres von Kritik und Publikum so giftig mit Häme überschüttet wurden? Was uns zu "Gods of Egypt" führt: Ein dem Publikum als Porno verkaufter Thriller um sexuelle Unterwerfung und ein Superhelden-Film, der David Cronenbergs "Scanners" zitiert, brechen mit den Sehgewohnheiten des Publikums und bestärken es zum gemeinschaftlichen Nachtreten, selbst wenn das Opfer schon längst am Boden liegt. Zu einem ähnlich exzentrischen Entwurf des (Blockbuster-)Kinos lädt nun auch Alex Proyas - für alle Razzie-Fans dieser Welt natürlich ein gefundenes Fressen.
Denn in der Welt von "Gods of Egypt" herrscht nur Glanz und Glorie. Die Götter verwandeln sich in übergroße Transformers-Kreaturen mit schillerndem Metallpanzer. Es gibt eine Actionszene mit riesigen, feuerspeienden Kobras. Bei Gerard Butlers intrigantem Wüstengott Set bricht immer wieder der schottische Akzent durch. Der White-Washing-Vorwurf verläuft im Gegensatz zu "Exodus" beinahe unmittelbar im Sand, so sehr mangelt es diesem Erzähl- und Inszeniergestus am Realitätsanspruch von Ridley Scotts Bibelverfilmung. Proyas interessiert sich nicht für Sehgewohnheiten, sondern klotzt und kleckert, was das Zeug hält, injiziert gestalterisch mutige und aufregende Ideen in den Film und bannt so einen rein formalästhetisch noch-nie-so dagewesenen Blockbuster auf die Leinwand - die Vergleiche zum ideenlosen "Kampf der Titanen"-Remake wirken lediglich bemüht.
Ähnlich wie ich dem in der Gesamtheit misslungenen "Fantastic Four" gerne anrechne, dass in seiner Ursprungsversion eine ungemein spannende Vision steckt, möchte ich auch "Gods of Egypt" Credit für seinen Mut geben. Ich hätte diesen Film gerne gemocht und ich hätte Proyas gerne bewiesen, dass nicht jeder dem Status Quo unterliegt und es sie durchaus noch gibt: die frischen, individuellen Standpunkte; genau so wie es noch die frischen, individuellen Blockbuster-Regisseure gibt, die sich von ihrer Vision, so exzentrisch sie auch sein mag, nicht abbringen lassen. Das Problem aber ist, dass "Gods of Egypt" katastrophal ist. Wer in Zeiten wie diesen einen Trashfilm auf Millionbudget inszeniert, der hat nur eine einzige Aufgabe: ihn unterhaltsam zu machen. Ja, wer einen Film macht, in dem ein preisgekrönter Charaktermime wie Geoffrey Rush in CG-Feuer gehüllt goldene Blitze auf das Rauchmonster aus "Lost" schießt, hat im Grunde die Verantwortung, ihn mindestens spaßig zu gestalten.
"Gods of Egypt" aber ist vor allem eins: langweilig. Ein anderer Film hätte verstanden, dass lange, hölzerne Dialogszenen für niemanden von Vorteil sind, wenn die Charaktere nie so eingeführt werden, dass wir uns auch nur ansatzweise für sie interessieren. Und auch noch nicht mal mit der Choreographie von Actionszenen kann der Film punkten: dank inkompetent eingesetzter Zeitlupe, teils unglaublich miesen Spezialeffekten und einem nie eintretenden Gespür für Rhythmus, weder in Erzählung noch Inszenierung, verfällt man als Zuschauer bereits nach der Eröffnungsszene in einen lethargischen Dauerzustand. Mit "Gods of Egypt" lässt sich ein schönes Concept-Art-Buch füllen, in bewegter Form funktioniert er aber in keiner Weise - vor allem nicht in so dunklen, matschigen und unsauberen 3D-Bildern.