Inhalt
Seit 25 Jahren beschäftigt sich die US-amerikanische Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield in ihren Arbeiten mit Geld, Reichtum und Menschen, die im Überfluss leben wollen. Nach ihrem Studium der visuellen Anthropologie begann Greenfield, ihre Kameralinse auf die Spezies „American Dream“ zu richten, und porträtierte fortan jene, deren Streben von grenzenlosem Materialismus determiniert ist: „Wenn viel gut ist, dann ist mehr besser“, bemerkt eine Protagonistin. In Greenfields inhaltlich dichtem und unterhaltsam erzähltem Dokumentarfilm beleuchtet sie die Anfänge ihrer Arbeit, sucht Modelle früherer Fotografien auf und beobachtet die Schicksale von Menschen, deren Wunsch nach Wohlstand zum lebensbestimmenden Antrieb geworden ist. Wir begegnen einem vom FBI gesuchten Hedgefonds-Manager, lernen eine verschuldete Mutter aus der Arbeiterklasse und ein ehrgeiziges kleines Mädchen vor ihrer ersten Misswahl kennen. Es geht um Status und Gier, Konsum als Hobby, Turbokapitalismus und um mediale Bilder von Schönheit und Erfolg. Letztlich geht es aber auch um Lauren Greenfield selbst und die Frage, ob ihr eigener Blick auf diese Phänomene nicht längst auch zur Obsession geworden ist.
Kritik
In einem raren Moment der Selbsterkenntnis bezeichnet Lauren Greenfield sich als einen Teil der Konsumkultur im Zentrum ihres 10 Jahre umspannenden Großprojekts, zu dem eine Ausstellung und ein gewaltiges Coffee-Table-Book zählen. Die Fotografin und Regisseurin (The Queen of Versailles) will die Kaufmaschinerie nicht auseinandernehmen, sie will, dass sie auch mal für sie selbst arbeitet. Dank 25 Jahren Berufserfahrung und dem präzisen fotografischen Auge, das sie in ihrem konfrontativen Schaffen zeigt, weiß Greenfield, an welchen Rädchen sie dafür drehen muss. Im ersten Akt ihrer (selbst)enthüllenden Reportage beschwört sie mit Bildern zügelloser Dekadenz eine Weltuntergangsstimmung, die der Journalist und Autor Chris Hedges ausformuliert: Der Moment der größten Reichtumsanhäufung einer Kultur markiere deren Niedergang. Die Aussichten sind also düster, selbst, wenn man wie einer der Superreichen vorm Fenster eine Privatkopie des Mount Rushmore stehen hat.
Gold-Klos, Stretch-Limos mit eingebautem Flugzeuglandeplatz, Bling Bling und Nip and Tuck. Der Ultraimperialismus ist mal grotesk komisch und fast immer abschreckend. Alles ist machbar mit dem, wovon eine 6-jährige Schönheitskönigin auf Kommando ihrer monströsen Mami trällert. „Money, money, money“. Aber es ist nicht funny und always sunny in the rich man‘s world. Auch die Reichen und Schönen weinen in ihren Alabaster-Villen, am Pool und vor der Kamera. Geld ruiniere einen (charakterlich), heißt es wiederholt, doch von Repräsentanten eines Systems, das Kleinganoven länger einsperrt als Milliarden-Veruntreuer klingt das denkbar verlogen. Auf die komplexen sozialen Faktoren hinter dem Consumerism geht die Kolportage nicht näher ein. Rich Bitches und Banker Boys sind die in Chanel gekleideten Bringer der Apokalypse. In Gucci geht die Welt zugrunde. Aber stand nicht irgendwo was von fünf Prozent, die das Finanzmonopol hielten?
Nach einigen Schätzungen sind es sogar noch weniger. Sämtliche Kardashians & Co. können ruhig am Rad drehen, es reichte nicht, um das Narrenschiff zu versenken, wenn 95 Prozent dagegen steuerten. Tun sie aber nicht, denn Hauptmotor der Konsumkultur ist eine Statusgesellschaft, die sich in Massenverschuldung begibt, um Wohlstand vorzugaukeln. Scheinreich statt steinreich. Wie ein Rapper zu Greenfield sagt: “Fake it ‘til you make it”. Doch die damit verwobene Medienmanipulation, Ausbeutung und Klassengesellschaft, Sexualisierung von Besitz weichen einem sentimentalen zweiten Akt. Der postuliert konservative Familienwerte als den einzig wahren, erstrebenswert „American Dream“. Zurück zu den guten alten Idealen „der bescheidenen 50er“. Bescheiden? Das Zeitalter der Chromkarosserien, Fertiggerichte und Heim-TVs, die an anderer Stelle noch als ein Hauptantrieb des Konsumwahns genannt werden – bescheiden?!
In Anbetracht der internationalen sowie der US-Politik ist das Problem mit den alten Werten nicht deren Verfall. Tatsächlich verkauft sich Neo-Konservativismus besser als jeder Birkin-Bag und die Rückbesinnung auf alte Werte führt uns vielleicht weiter zurück als in die McCarthy-Ära. Nach den Wilden Zwanzigern, auf die der Vorspann anspielt, kamen die faschistischen 30er. Dekadenz, Pleite, Endzeitstimmung – und schon rennen die Leute zurück zur trügerischen Sicherheit jener Strukturen, von denen sie sich zuvor im Name von Selbstverwirklichung und Individualismus mühsam befreit haben. Greenfields Inszenierung ist eine effektiv kalkulierte Kombination aus Panikmache und Heilsversprechen, die obendrein ihre Familie als Musterbeispiel des positiven Traditionalismus hinstellt. Die Regisseurin teilt die diffuse Sehnsucht nach diesem destruktiven Leitkonstrukt mit ihren Protagonisten, die verbissen die perfekte Familie wollen – oder wenigstens die perfekte Familienfassade. Fake it ‘til you make it.
Fazit
Lauren Greenfield inszeniert die exzentrischen Charaktere als pathetische Schreckgestalten, geplagt von Hamartia, ikarischer Anmaßung und Midas-Händchen. Reality-TV meets griechische Tragödie. Der kontrastive Katalog exzessiver Verschwendungskonkurrenz, die sich gleich einem Perpetuum mobile antreibt, zielt geschickt auf den Konsumvoyeurismus des Publikums. Der süffisante Diskurs über die extremen Auswüchse des Kapitalismus ist unleugbar amüsant, doch kaum erhellend. Genau wie ihre Protagonisten fetischisiert die Regisseurin Oberflächlichkeiten und vergisst die Substanz.
Autor: Lida Bach