6.1

MB-Kritik

Speak No Evil 2022

Horror, Drama, Thriller

6.1

Morten Burian
Sidsel Siem Koch
Fedja van Huêt
Karina Smulders
Liva Forsberg
Marius Damslev
Hichem Yacoubi
Jesper Dupont
Lea Baastrup Rønne
Adrian Blanchard
Sarina Maria Rausa
Ilaria Di Raimo
Alessio Barni
Ilaria Casai
Martina Barreca
Andrea Benucci

Inhalt

Inmitten eines unbeschwerten Sommerurlaubs in der Toskana lernen sie sich kennen – das dänische Ehepaar Björn und Louise und die holländischen Freigeister Patrick und Karin. Schnell kommt man sich trotz merklicher Unterschiede näher, und einige Monate nach Ferienende liegt im Briefkasten in Kopenhagen eine Einladung zu einem gemütlichen Wochenende auf dem Lande. Aus reiner Höflichkeit nehmen Björn und Louise das Angebot an und sitzen schon bald darauf mit Töchterchen Agnes im Auto Richtung Holland. Doch kaum ist die Familie im Ferienhaus ihrer Zufallsbekanntschaft angekommen, zeigen sich erste Risse in der heilen Fassade. Schon bald wird daraus ein höllischer Albtraum. 

Kritik

Manch einer kennt es vielleicht: Im Urlaub lernt man nette neue Menschen kennen, verbringt gemeinsam eine schöne Zeit und verspricht sich anschließend in Kontakt zu bleiben. Das mögen für die einen leere Floskeln aus reiner Höflichkeit sein, für die anderen aber ergibt sich daraus tatsächlich eine langfristige Bekannt- oder gar Freundschaft. So auch die Ausgangssituation im Horror-Thriller Speak No Evil (OT: Gæsterne) von Regisseur Christian Tafdrup, in dem eine dänische Familie eine niederländische auf einem Trip in der Toskana kennenlernt und anschließend ganz überraschend auf ein entspanntes Wochenende auf dem Lande eingeladen wird. Gerechnet haben die Dänen damit nicht, doch weil das Miteinander so harmonisch und spaßig verlief und eine Absage unhöflich wäre, nehmen sie das Angebot an.  

Zunächst läuft es zwischen beiden Familien gut, doch immer häufiger kommt es zu Unannehmlichkeiten, die für eine immer angespanntere Atmosphäre sorgen. Das sind anfänglich noch lauter Kleinigkeiten, die aus heiterem Himmel eintreten, was auch der Grund dafür ist, dass das dänische Paar Schwierigkeiten damit hat, diese klar zu adressieren. Aus Höflichkeit den Gastgebern gegenüber und schierer Perplexität schluckt man seinen Ärger lieber runter, statt ein Fass aufzumachen. Auch wenn der Elefant im Raum immer erdrückender wird. Doch die Dänen wählen dennoch den bequemen Weg in der Hoffnung, dass sich die Dinge irgendwie von selbst lösen. 

Speak No Evil leistet hervorragende Arbeit darin, dieses Unwohlsein spürbar auf den Zuschauer zu übertragen. Immer schräger und krasser werden die Vorfälle, immer ungemütlicher die Lage. Dabei ist der Film zum einen Gesellschaftssatire mit bissiger Spitze gegen die moderne Konsensgesellschaft, zum anderen aber auch ein richtig böser Horrorfilm, der ordentlich zu verstören weiß. Denn in der zweiten Hälfte eskaliert die Lage erwartungsgemäß und der Film schlägt ziemlich düstere Wege ein. Auf Jump Scares oder dergleichen verzichtet Speak No Evil dabei völlig, viel mehr ist es guter psychologischer Horror, der sich in die Köpfe seiner Zuschauer frisst. Der stark aufspielende Cast um Morten Burian, Sidsel Siem Koch, Fedja van Huêt und Karina Smulders überträgt das Schreckensszenario sehr eindrucksvoll. 

Jedoch hat Speak No Evil auch ein Problem mit seiner Glaubwürdigkeit, die in der zweiten Hälfte immer mehr nachlässt. Denn die Untätigkeit seiner Opfer, die zunächst irgendwo noch nachvollziehbar erscheint, wird zunehmend absurder. Das Aufzeigen der Befangenheit in Konventionen und die daraus resultierende Hilflosigkeit mag sicherlich die Intention der Macher gewesen sein, sie zerrt aber auch gewaltig an der Vorstellungskraft des Zuschauers und stößt irgendwann womöglich sogar sauer auf. Auch die Motivation hinter all den Gräueltaten wird nie richtig deutlich. Inwieweit das für einen persönlich das finale Urteil beeinflusst, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. 

Fazit

Bitterböser Horror-Thriller, der es einem eiskalt über den Rücken laufen lässt. Von allen Beteiligten gut gespielt und mit seiner unangenehmen Atmosphäre äußerst packend. Schade nur, dass er zum Ende hin vermehrt an Glaubwürdigkeit einbüßt. 

Autor: Sebastian Stumbek
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