Nach Jahren kehrt Fernanda auf die Ranch ihres Onkels in Goiás, im mittleren Westen Brasiliens, zurück. Ihr Erscheinen und ihre unbequemen Fragen legen ableistische und koloniale Strukturen offen und bringen die Fassade der bürgerlichen Familie ins Wanken.
Kritik
In dem magisch-realistisch inspirierten Szenario, das Flávia Neves in ihrem biografisch gefärbten Spielfilmdebüt in leuchtenden Farben entwirft, ist die Vergangenheit ein physischer Ort. Dort verbergen sich die unaufgelösten Verwicklungen der Kolonialzeit nach dem Matroschka-Prinzip in alten Gebäuden und antiken Kästchen. Ein solches bringt die junge Fernanda (mäßig: Bárbara Colen) mit auf das Haus ihres reichen Onkels Antonio (Eucir de Souza, Insanity), wo sie von ihrer Stiefmutter großgezogen wurde. Dort weckt ihr Rückkehr schmerzliche Erinnerungen.
Dass dies nicht Fernandas sind, sondern von Charakteren, deren dramaturgische Bevormundung und Marginalisierung an ihre reale Ausbeutung und Ausgrenzung anknüpft, ist nicht das einzige Problem der verunsicherten Inszenierung. Augenzwinkernde Anspielungen auf Telenovelas rechtfertigen noch lange nicht die skandalösen Familienverwicklungen des überkonstruierten Plots. Das Rätsel ihrer Herkunft, dem die Protagonistin nach einer Begegnung mit der neurodiversen Haussklavin Missy (Nena Inoue) nachspürt, ist sofort zu erraten. Doch melodramatische Nachforschungen verdrängen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den kontroversen Themen.
Diskriminierung, Entmündigung und Misshandlung neurodiverser Menschen, verstrickt in ein komplexes Netzwerk aus Rassismus, Kolonialismus, Ableismus, Kolonialismus und Chauvinismus, degradiert die Regisseurin und Drehbuchautorin zum Lokalkolorit einer Story, die mehr Gothic Pulp ist als filmischer Aufarbeitung historisch verankerten Unrechts. Dessen Fortbestand in der Gegenwart greift die unglaubwürdige Handlung nur auf, um ihn sogleich zu relativieren. Diese scheinheilige Emanzipation kompromittiert die selbstzugewiesene Opferrolle der Heldin, die diese Lebensstation buchstäblich zurücklässt, und ignoriert ihre materiellen und sozialen Privilegien.
Fazit
Brasiliens verdrängtes Kolonialerbe, die komplizierte Familienposition adoptierter Kinder, Ausbeutung innerhalb beruflicher und verwandtschaftlicher Strukturen, Missbrauch in Abhängigkeitsverhältnissen, Kindesraub, Rassismus, Elitarismus, Sexismus, medizinische Gewalt … die Motive, Flávia Neves in ihrem zusammengestoppelten Quilt aus Familiendrama, Mystery-Thriller und Fantasy-Romanze verwebt, könnten einen Katalog dramatischer Herausforderungen füllen. Jedes überfordert die ambitionierte Regisseurin, die sich nicht von ihrer paternalistischen Perspektive loslösen kann. So wichtig die angeschnittenen Konflikte sind, so fragwürdig ist deren dekorative Instrumentalisierung innerhalb eines konformen Narrativs.
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