7.6

MB-Kritik

Fish Tank 2009

Drama – UK, Netherlands

7.6

Katie Jarvis
Michael Fassbender
Rebecca Griffiths
Carrie-Ann Savill
Toyin Ogidi
Grant Wild
Sarah Bayes
Charlotte Collins
Kirsty Smith
Chelsea Chase
Brooke Hobby
Harry Treadaway
Syrus
Kierston Wareing
Alan Francis
Ben Francis

Inhalt

Lebe, liebe und lass dir nichts gefallen: Mia (Katie Jarvis) sucht Streit, seit sie von der Schule geflogen ist. Mit ihrer Mutter, der frechen Schwester, den Mädels vom Block. Ein schiefer Blick und ihr platzt der Kragen, dass es kracht. Nur wenn sie für sich allein tanzt, ist sie für Augenblicke glücklich. Da steht an einem heißen Sommertag plötzlich ein halbnackter Mann in der Küche: Connor (Michael Fassbender), der neue Freund der Mutter. Mia ist fasziniert. Connor nimmt ihre Nöte ernst, er bringt eine Ahnung von Familienglück ins Haus. Doch wer ist dieser Mann, der kommt und geht? Und was will Mia? Einen Vater, einen Kumpel oder mehr?

Kritik

Beide sind Gefangene, die junge Mia (Katie Jarvis) und das alte, verwahrloste Pferd, das sie auf einer Koppel sieht und vergeblich zu befreien versucht. Wie das kranke Tier scheint es für die 16-jährige Protagonistin keinen Ausweg aus der tristen Siedlung in einem Vorort von Essex zu geben. Das deprimierende Setting von Andrea Arnold kraftvollem Jugenddrama ist genug, um die innere Wut der ruppigen Heldin nachfühlbar zu machen. Alles um sie herum ist verkommen und Mia hat nicht die Absicht, besser zu sein. Unwillkürlich ist sie es aber doch. Das erkennt man trotz ihrer gehässigen Fassade an dem instinktiven Mitgefühl, dass sie einem anderen gequälten Wesen entgegenbringt. Schnell wird das zornige junge Mädchen wütend, noch schneller lässt sie ihre Wut heraus. Freude findet sie nur in ihren Tanzversuchen, bei denen sie ihre Vorbilder Musikvideos nachahmt. Für Mias Mutter Joanne (Kierston Warening) sind sie und ihre kleine Schwester Tyler (Rebecca Griffith) nur lästig. Erst recht, als Joanne wiedereinmal einen neuen Typen in die heruntergekommene Wohnung schleppt. 

Doch Connor (Michael Fassbender) ist anders. Zumindest möchte Mia das verzweifelt glauben und Connor weiß das auszunutzen. Mit ein wenig Aufmerksamkeit gewinnt er Tylers Zutrauen. Mia bleibt anfangs skeptisch, doch als ihre Bewerbung zu einem Tanzwettbewerb angenommen wird, wagt sie einen bescheidenen Traum von einem besser Leben. Man glaubt zu wissen, wie es weiter geht: Connor wird Mia gegen ihr ablehnende Mutter verteidigen. Mias romantische Anziehung zu ihm wird sich in Dankbarkeit gegenüber einem väterlichen Freund wandeln, sie wird den Tanzwettbewerb gewinnen und zuletzt befreit sie das Pferd, das glücklich in die Freiheit galoppiert. Nichts davon geschieht in Arnolds schnörkellosem Sozialdrama. Das schroffe Charakterbild ist ein Film ohne eigentlichen Plot. Die losen Handlungsstränge und bruchstückhaften Sequenzen verdichten sich zu einer Studie über Grenzgebiete der Psyche, der Städte und Biografien. Schroff und abweisend wie die junge Hauptfigur tritt Arnolds Inszenierung auf. 

Das ungeschliffene Wesen der Antiheldin ermöglicht ihr direkten Zugang zu ihren Emotionen. Sie weiß genau, was sie fühlt und warum. Unmittelbar wie ihre Wutausbrüche ist ihre Zärtlichkeit. Darin liegt das Paradox von Mia. Connor hat ein wenig mehr an Bildung und Umgangsformen als die Mädchen und ihre junge Mutter. Das genügt, um beide auszunutzen und mit oberflächlicher Freundlichkeit zu manipulieren. Ob sie nicht gerne als Vogel wiedergeboren werden wollten, fragt Connor Mia und ihre Schwester, frei sein und fliegen? Dann würden sie erschossen, wissen die Mädchen. Diese bittere Lektion muss die Hauptfigur, grandios verkörpert von der bis dahin im Schauspiel unerfahrenen Katie Jarvis, noch lernen. Ihre Flucht in eine trügerische Freiheit wie sie die letzten Szenen zeigen hat kaum etwas Befreiendes an sich. Mit einem Herzluftballon über den Hochhausdächern schwebt der letzte Rest Kindheit davon. Zurück bleiben nur die Worte eines Rap-Songs von Nas: Life´s a bitch and then You die.

Fazit

Ungeschönt bedeutet bei Andrea Arnold auch unverfälscht. Die britische Regisseurin verweigert einem auf Kitsch konditionierten Publikum ein konventionelles Happy End, genauso, wie das Leben der Protagonisten ein bisschen Glück verweigert. Schäbig, ungerecht, echt und brillant.

Autor: Lida Bach
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