Inhalt
In einem Wald in der Nähe einer Straße wird ein ermordetes Mädchen gefunden. Die Polizei ist nervös, denn zwei ähnliche Morde, die vor einigen Jahren verübt worden waren, konnten bisher nicht aufgeklärt werden. Der Hausierer Jacquier wird sofort der Tat verdächtigt, obwohl er selbst die Polizei auf die Leiche des Mädchens aufmerksam gemacht hatte. Doch Kommissar Matthäi ist von Jacquiers Unschuld überzeugt. Er hat den Eltern der ermordeten Gritli Moser "bei seiner Seeligkeit" versprochen, dass er den Mörder finden wird.
Kritik
Es geschah am hellichten Tag gilt zurecht als ein großer Klassiker des deutschsprachigen Films und war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Der Stoff war ungewohnt düster für das einheimische (es handelt sich um eine Schweiz-Deutsche Co-Produktion) Nachkriegskino, das sein Publikum meistens mit heiteren, unbeschwerten und seichten Inhalten versorgte. Zwischen bunten Heimatfilmen und artigen Biedermeier-Komödien wirkte die Suche nach einem Kindermörder beinah schon verstörend und war definitiv ein gewagtes Vorhaben. Doch genau so etwas schwebte dem Produzenten vor, als er den bereits renommierten Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (Der Besuch der alten Dame) mit einer Drehbuchfassung beauftragte. Der Rest ist Geschichte - auch wenn ab dem Zeitpunkt eigentlich eine mit vielen Kompromissen und Abweichungen, die besonders Dürrenmatt nicht zusagten.
Zunächst mussten der als Regisseur vorgesehene Wolfgang Staudte (Die Mörder sind unter uns) und der favorisierte Hauptdarsteller Martin Held (Die Herren mit der weißen Weste) ihre Beteiligung aufgrund anderer Arrangements absagen. Als Ersatz wurden Ladislao Vajda (Das Feurschiff) und Heinz Rühmann (Die Feuerzangenbowle) verpflichtet, für den die Rolle des ermittelnden Oberleutnants eine selten gebotene Chance darstellte, war er doch insbesondere vor dem Krieg eher als gut gelaunter Sympathieträger bekannt. Dieser Part bot ihm eine gewisse Ambivalenz, schließlich muss seine Figur um ihr Ziel zu erreichen eine Entscheidung treffen, die als mindestens fragwürdig dahingestellt werden sollte. Diesen Aspekt wollte Dürrenmatt ursprünglich auch deutlicher in den Fokus stellen, doch sein Drehbuch wurde sowohl von Co-Autor Hans Jacoby sowie im Nachhinein von Ladislao Vajda noch überarbeitet. Dürrenmatt war mit dem Resultat unzufrieden, was dazu führte, dass er erst nach der Filmpremiere eine Romanfassung unter dem Titel Das Versprechen – Requiem auf den Kriminalroman verfasste, die seiner eigentlichen Idee entsprach.
Diese Tatsache fällt oft unter den Tisch: Es geschah am hellichten Tag ist somit keine Romanverfilmung und der 2001 unter der Regie von Sean Penn (Mystic River) entstandene US-Film Das Versprechen somit auch kein Remake oder Neuverfilmung, sondern tatsächlich die eigentliche Adaption des Dürrenmatt-Buchs. Und nicht nur aus diesem Grund sogar der bessere Film, denn wie Dürrenmatt selbst, beschäftigte er sich viel mehr mit der Obsession des Ermittlers den Fall zu lösen, was ihn letztendlich daran zerbrechen lässt. In dieser Fassung spielt dies nur eine untergeordnete Rolle und folgte klar den Regeln einer üblichen Krimigeschichte, die auch die Lösung des Verbrechens und vor allem die Identität des Täters klar vor den psychischen Konflikt des Jägers stellt, der hier kaum bis praktisch gar nicht zur Geltung kommt. Das ist ein Schwachpunkt, allerdings nur wenn man die später erschienen Fassungen – literarisch wie cineastisch – als Vergleich heranzieht. Für das, was er sein soll, ist Es geschah am hellichten Tag immer noch äußert gelungen und speziell für seine Zeit herausstechend.
In dem ein oder anderen Punkt mag er durchaus auch veraltet wirken. Wenn Oberleutnant Matthäi den Eltern der ermordeten 8jährigen die Nachricht ihres Todes überbringt und sie nach wenigen Minuten damit einfach so allein lässt, kann dies kaum nüchterner und zweckdienlicher geschehen. Da merkt man schon, dass der Film sich lieber mit den seiner Meinung nach „wesentlicheren“ Aspekten beschäftigen will. Die eigentliche Mörderjagd fällt hingegen auch nach nun mehr 65 Jahren immer noch spannend und faszinierend aus, was insbesondere an der Präsentation des Täters festzumachen ist. Gert Fröbe wurde durch diesen Film zum international gebuchten Star, besonders natürlich in James Bond 007 – Goldfinger. Wenig überraschend, denn der gebürtige Sachse liefert mit nur relativ wenig Screentime eine denkwürdige und einprägsame Performance ab. Wenn er daheim von seiner herrischen Ehefrau erniedrigt wird, mit dem gesprochen wird wie mit einem Hund. In dem sich sichtbar die Wut aufstaut und wenn er sich dann als „magischer Riese“ mit Kasperlepuppe vor einem kleinen Mädchen aufbaut, ist das ein beinah gespenstischer Gänsehautmoment, den man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Das das Finale dann wieder etwas „gewöhnlich“ und relativ hurtig abgehandelt daherkommt, ist eben auch so eine Erscheinung seiner Zeit und der Sehgewohnheiten, denen man wahrscheinlich nicht noch mehr vor den Kopf stoßen wollte. Schließlich war das dahin Gezeigte schon mutig genug. Das muss man alles in Relation sehen und macht Es geschah am hellichten Tag zurecht zu einem unabdingbaren Klassiker wie immer noch sehr sehenswerten Film. Nur nicht zu einem, zu dem keine (noch) bessere Alternative existiert.
Fazit
In Zeiten von „Sissi“ und noch bevor man die ersten Edgar Wallace-Filme beinah als Horrorfilme einstufte, schlug man bei „Es geschah am hellichten Tag“ einen sehr gewagten Kurs ein, der sich voll und ganz auszahlt. Seiner Zeit somit deutlich voraus, zählt dieser Film immer noch zu den wichtigsten Werken des deutschsprachigen Nachkriegskinos und selbst heute noch versucht man sich hierzulande viel zu selten an vergleichbaren Stoffen. In seiner ursprünglich geplanten Fassung damals vermutlich wirklich nicht zu realisieren (rein von der Publikumswirksamkeit), daher empfiehlt es sich unbedingt, auch das US-„Pendant“ (auch wenn es praktisch keins ist) zu sichten. Wenn man sich (aus irgendwelchen seltsamen Gründen) nur für eine „Version“ entscheiden müsste, dann ehrlich gesagt sogar für die von Sean Penn. Aber Gott sei dank muss das (hoffentlich!) niemand.
Autor: Jacko Kunze