Eine entlegene Insel als exotischer Schauplatz, unter der Kontrolle von zig verstoßenen, blutrünstigen Häftlingen und darunter ein Mann, der den Mord an seiner Familie rächen will und sich nun den Weg unter ihnen freikämpfen muss. So einfach gestrickt der südkoreanische Martial-Arts-Film Er kennt keine Gnade (OT: Revenger), der nun ebenfalls zum Netflix-Katalog gehört, auch ist, für das Genre ist dieses Set-Up eigentlich bereits völlig ausreichend, wenn das Drumherum stimmt. In diesem Fall geht die Rechnung jedoch nur teilweise auf, denn während die Action weitestgehend gelungen ausfällt, versagt der Film in vielerlei anderer Hinsicht.
Aus seiner Story macht Er kennt keine Gnade nicht viel: Weder erhalten wir einen näheren Einblick in die Hintergrundgeschichte, die zur gegenwärtigen Situation geführt hat, noch bekommen wir erklärt, wie sich die Insel voller Gefangenen organisiert. Auch die Charaktere bleiben ohne jegliche Tiefe und lassen sich lediglich in gut oder böse aufteilen. Dadurch büßt der Film deutlich an Atmosphäre ein, die er ansonsten mit seinem faszinierenden Schauplatz zweifellos hätte generieren können.
Schlimmer noch: Bis zum Ende hin bleibt unklar, ob der Film ernst genommen, oder als lockere Komödie gesehen werden will. Denn auf der einen Seite ist das Rachethema durchaus düster und wird dementsprechend hart umgesetzt, auf der anderen Seite verstören komödiantische Einschübe, die in äußerst peinlichen Klamauk ausarten. Das passiert vor allem dann, wenn die Rebellentruppe des Films zum Zug kommt und sich wie absolute Vollidioten aufführt. Weder ist das lustig, noch passt es stilistisch in diesen Film hinein, sodass Er kennt keine Gnade auch hiermit an Stimmung einbüßt.
Seine besten Momente hat der Film also genau dann, wenn nicht geredet, sondern gekämpft wird. Dabei ist Hauptdarsteller Bruce Khan (Das Medaillon), der übrigens auch das Drehbuch geschrieben hat, die große Überraschung: Als über 50-jähriger hat er einiges auf dem Kasten und schlägt sich außerordentlich gut in seinen temporeichen Fights. Erstaunlich, dass er bislang so gut wie nie vor der Kamera zu sehen war und sonst nur gelegentlich als Stuntman tätig war. Man darf hoffen, dass sich das in Zukunft noch ändert, der Mann gehört definitiv vor die Kamera.
So schön es auch ist, ihm beim Austeilen zuzuschauen, so schade ist es, dass seine Gegner dabei nicht mithalten können. Khan bleibt weitestgehend unterfordert, mit leistungsstärkeren Darstellern wäre vermutlich noch mehr drin gewesen. Das wird vor allem im Endkampf deutlich, von dem man sich weitaus mehr versprochen hat, als letztendlich eingehalten wird. Sein Widersacher nimmt dabei fast schon die Rolle eines Sandsacks ein, auf den ordentlich eingeschlagen wird, was das Ganze etwas einseitig macht. Indem man sich nicht ausschließlich auf Close-Combat-Fights verlässt, sondern auch Bogenschützen zum Einsatz kommen, umgeht man das Problem immerhin zeitweise und bringt auch ein wenig Abwechslung ins Geschehen.