Inhalt
Für Léa, Adrien und ihren kleinen Bruder Théo stehen die Ferien vor der Tür. Dieses Jahr fahren sie das erste Mal zu ihrem Großvater Paul, den sie wegen eines Familienstreits nie zuvor kennengelernt haben. Das Reiseziel - die Provence: Wohl kaum der Urlaub, von dem die Drei träumen. Auch die Freude von Großmutter Irène über diesen Familienurlaub ist da kein Trost. Hinzu kommt, dass ihnen der Vater ausgerechnet am Tag vor der Abreise sagt, dass er die Familie verlassen wird. Also nicht gerade die besten Aussichten auf gute Laune und eine spaßige Ferienzeit. Kaum in der Provence angekommen prallen auch schon die Differenzen der beiden Generationen aufeinander. Zwischen den Jugendlichen und ihrem Großvater, der, wie die Kids meinen, ein sturer Esel ist, kommt es immer wieder zu Streitigkeiten. Dabei spielt auch Pauls turbulente Vergangenheit immer wieder eine Rolle. Es beginnt ein chaotischer Sommer in der malerischen Provence, in dem beide Generationen versuchen das Miteinander zu meistern, die Vergangenheit zu verarbeiten und sich vor allem daran zu erinnern, dass sie trotz aller Widersprüche eine Familie sind.
Kritik
Der französische Filmmarkt ist nicht nur einer produktivsten in Europa, sondern auch einer der qualitativ hochwertigsten. Was von dort aus im annuellen Takt auf die Welt losgelassen wird, kann sich schon sehen lassen. Künstler wie etwa ein Jacques Audiard („Der Geschmack von Rost und Knochen“), Francois Ozon („In Ihrem Haus“) oder auch Jalil Lespert („Yves Saint Laurent“) etwa stehen mit ihren Namen für eine Klasse ein, der Deutschland selbst unter der kommerzialisierten Oberfläche der Schweiger-&-Schweighöfer-Auswüchse leider nicht in dieser vorgelebten Kontinuität des westlichen Nahchbaren die Stirn bieten kann. Da kommt es dann und wann auch schon einer kleinen Genugtuung gleich, wenn man Zeuge davon wird, dass auch Frankreich in der Lage ist, die Verlogenheitsskala ihres Outputs in durchaus quälende Dimensionen ausschlagen zu lassen. Nach„Ziemlich beste Freunde“ und „Monsieur Claude und seine Töchter“, ist es nun „Ein Sommer in der Provence“ von Roselyne Boschs, der gewaltig an den Nerven seiner Zuschauerschaft zu zerren weiß.
Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Nichts spricht dagegen, ein locker-leichtes Feel-Good-Movie zu inszenieren, welches sich ganz den lauen Sommernächten anpasst und entspannt in den Abend entlässt. Ridley Scott hat das exemplarisch mit „Ein gutes Jahr“ eigentlich ganz gut gemacht, wenngleich man zum Ende hin immer wieder kleinere Abstriche unternehmen muss. Was Roselyn Bosch, Regisseurin und Drehbuchautorin in Personalunion, hier allerdings zusammengeknautscht hat, geht auf keine Kuhhaut, fällt in seiner folgenschweren Heuchelei respektive Weltfremdheit erst nach der gut 25-minütigen Exposition fühlbar in Gewicht. Von ihren Eltern dazu genötigt, müssen Léa (Chloé Jouannet), Adrien (Hugo Dessioux) und der taubstumme Théo (Lukas Pelissier) ihre Sommerferien in der Provence bei ihren Großeltern verbringen. Und mit der warmherzigen Oma Irène (Anna Galiena) gibt es auch keine weiteren Probleme, dafür zeigt sich Opa Paul (Jean Reno) genauso, wie es die Geschichten um seine Person schon kundtaten: Griesgrämig und alles ablehnend, was nicht in seinem heimischen Garten kultivierbar ist.
Dass das provinzielle Leben mit seiner vom Salzgehalt des andockenden Mittelmeers geschwängerten Luft nicht mehr künstlerischen Geist freisetzt, als dieses in schnieken Postkartenmotive aneinanderzureihen, fällt bereits in den ersten Minuten auf, wenn die Kamera die romantisierten Landschaftsaufnahmen höchst steril abgrast. Das aber ist noch verschmerzbar, den harten Bock schießt „Ein Sommer in der Provence“ erst dann, wenn er seine wahre Gesinnung zum Vorschein bringt und so richtig massiv in die konservativ-sexistische Bresche springt: Adrien darf sich ganz nach multinationalem Ideal einmal quer durch die Touristenklasse pimpern, während die umweltbewusste Léa (was übrigens die einzige Eigenschaft von ihr ist) sich erst mal das Piercing aus der Nase schrauben und die Haare glätten muss, bevor sie auch in den Dünen bei zückersüßem Blümchensex defloriert werden darf. Unbegreiflich ist es da, wie dumpfbackig und affirmativ sich „Ein Leben in der Provence“ zum Patriarchat hin entwickelt und glaubt, keine Handlung seiner männlichen Zeitgenosse infrage zu stellen. Grauenhaft.
Fazit
Wer ein unbedarftes Feel-Good-Movie erwartet, der läuft mit „Ein Sommer in der Province“ breitgrinsend ins Messer. Zwischen der warmen Farbpalette und den austauschbaren Bilder aus dem Touristenkatalog, ist „Ein Sommer in der Provonce“ vor allem von einem erschreckend sexistischen Tonfall geprägt, der den Mann vorbehaltlos feiert und die Frau zu gerne brav im stillen Kämmerlein sitzen sehen würde. Das am Ende tatsächlich Coldplay mit ihrem tot gelaufenen Hit „Paradise“ eingespielt wird, hat schon beinahe etwas Zynisches.
Autor: Pascal Reis