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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Dieses moderne Märchen erzählt die Geschichte von Edward (Johnny Depp), ein künstlicher Mensch, der von seinem Erfinder aber nicht mehr vollendet werden konnte – dort wo eigentlich seine Hände hin sollten befinden sich Scheren. Eines Tages wird er von der Avon-Vertreterin Peg Boggs Dianne Wiest) entdeckt, die ihn kurzerhand mit nach Hause nimmt. Anfangs hat Edward zwar Schwierigkeiten, sich in seine neue Umgebung einzupassen, doch schon bald werden seine Talente als Gärtner und Friseur zu dem Renner. Als er sich jedoch in Pegs Tochter Kim (Winona Ryder) verliebt, schwindet die anfängliche Begeisterung seiner neuen “Freunde”...
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

-„Was ist mit dir los?“

-„Ich bin nicht fertig.“

Unvollendet, aber deshalb nicht weniger existent und lebenswert. Das ist Edward mit den Scherenhänden (Johnny Depp, Mord im Orient Express). Unkonventionell, aber deshalb so aufregend, heillos romantisch, verliebt in die Vergangenheit und bereit sie mit der Moderne zu verschmelzen, das ist/war Tim Burton (Die Insel der besonderen Kinder), zumindest bevor er mit seiner katastrophalen Version von Planet der Affen sein Lächeln verkaufte und es nur stückchenweise, aber nie so unverbraucht und magisch wie einst rekonstruieren konnte.

Dort oben, auf dem buchstäblichen House on Haunted Hill, residierte ganz stilecht „Der Erfinder“ (Burton’s Kindheitsidol Vincent Price in seiner letzten, sehr würdevollen und passenden Kinorolle), nahezu unbemerkt von der Vorort-Bilderbuchidylle, die sich aus dem Schatten des aus der Zeit gefallenen Anwesens entwickelt hat. Niemand scheint Notiz zu nehmen von dem unheimlichen Gemäuer, es höchstens als vor sich hin verwesendes Relikt im Rückspiegel kurz zu registrieren. Die tüchtige Avon-Vertreterin Peg (Dianne Wiest, Bullets Over Broadway) klopft auf der Suche nach potenzieller Kundschaft mal an die Tür und entdeckt auf dem Dachboden zwar keinen zahlungswilligen Abnehmer von Cremes und Puder, sondern auf Edward, ein verängstigtes, wenigstens Menschen-ähnliches Wesen mit gewaltigen Scheren anstatt Händen. Peg nimmt „das Fundstück“ mit in ihr heimeliges Wohnviertel im Stil der späten 50er-Jahre, wo alles nach braven Biedermeier-Normen läuft und Fremdem und erst recht Sonderbarem grundsätzlich zunächst nicht nur mit Skepsis begegnet wird, eher mit Abneigung oder gar Furcht. Doch der schüchterne, weltfremde und leichenblasse Edward gewinnt langsam die Zuneigung seiner Pflegefamilie und später sogar fast der gesamten Nachbarschaft, denn mit seinen kuriosen Extremitäten kann er umgehen wie kein Zweiter. Er selbst entdeckt eines der schönsten Gefühle der Welt: Das der Verliebtheit, bei der ersten Begegnung mit Peg’s Tochter Kim (Winona Ryder, Homefront).

Die vorbildliche Integration des Fremden ist natürlich nur eine scheinheilige Einbahnstraße, die Natur der „echten“ Menschen aus der Wohlstandsschicht nur solange offenherzig, bis die grundsätzliche Abneigung gegenüber allem „Minderwertigen“ nicht mehr durch die Ausbeutung deren Nutzens aufgefangen werden kann. Als Hecken-, Hunde-, Rohkost- und sogar Frisuren-Magier ist Edward gerne gesehen, als gratis Arbeitskraft auf Luxus-Niveau dankbar ausgebeutet und falsch-lächelnd akzeptiert. Wenn er plötzlich beginnt nur das absolute Minimum an „Gegenwehr“ zu leisten oder ein Sündenbock gesucht wird, kommt die hässliche Fratze eines sich bedroht fühlenden Mausoleums des suburbanen Spießbürgertums zum Vorschein. Übertragbar auf jede angeblich funktionelle Komfortzone, die zwar durch neue, andersartige Impulse von außen befruchtet und belebt wird, aber nur bereit ist sie auszusaugen, nicht sie wirklich aufzunehmen, geschweige denn auch nur den Versuch zu unternehmen. Anders ist immer bedrohlich und somit automatisch die Wurzel allen Übels, wenn sich die Mehrheit diesbezüglich einig wird…was in der Regel schnell geht.

Edward mit den Scherenhänden ist nach der sagenhaften Biopic-Liebeserklärung Ed Wood mit Sicherheit der zweitbeste Film von Tim Burton, mit der er sich als zeitgenössischer Bruder Grimm in Hollywood etablierte und gleichzeitig seinem Langzeit-Buddy Johnny Depp seinen ganz großen Durchbruch ermöglichte, den dieser etwa 15 Jahre lang gut behütete und geduldig aufbaute, um ihn dann mit Pauken und Trompeten selbst in Schutt und Asche zu zerlegen. Aber wenigstens nicht still und leise, mit allem peinlichen, öffentlichkeitswirksamen Pipapo und es stimmt(e) wohl insgesamt die Bezahlung. Hier ist noch zu sehen, warum dieser inzwischen leider versoffene Spinner mal einer der besten Schauspieler seiner Generation war. Seine fragile, zärtliche Darbietung dieser wunderbar tragischen Figur aus der zeitlosen Frankenstein-Dramaturgie vom angeblichen Monster, das auf der Suche nach echter Zuneigung und Liebe nur mit Ablehnung, Furcht und aggressivem Hass konfrontiert wird – in letzter Konsequenz natürlich auch mit Fackeln und zumindest imaginären Mistgabeln zurück in seine Geburtsstätte gejagt wird – ist berührend und so voller stiller Hingabe, beinah wie aus einem Stummfilm. Generell ist Burton’s Film (speziell in Kombination mit diesem perfekten Drumherum, vom Bühnenbild, den handgemachten Effekten und diesem zauberhaften, passenden Es-war-einmal-Score von Danny Elfman) eine herzliche Hommage an alte Gruselklassiker; in seiner Verbindung von märchenhafter Essenz und auf moderne, sich wohl so schnell nicht ändernde Gesellschaftsstrukturen- und Mechanismen übertragbare Parabel eine Art zeitloser Appell an die Menschheit und den ihr durch romantisch-traurige Balladen wie diese immer wieder vorgehaltenen Spiegel. Was leider keine Langzeitwirkung erzeugt. Wie man ja zurzeit wieder deutlich sieht. Aber wenn es immer wieder solcher klugen Märchenstunde bedarf um zum Nachdenken anzuregen, besser das als völlig verpuffende, an Herz und Seele vorbeiformulierten Aufrufen in Medien, die das angesprochene Publikum wohl eh nicht konsumiert.

-„Halt mich fest.“

-„Ich kann nicht.“

Fazit

„Edward mit den Scherenhänden“ ist so klassisch und verspielt, dass man ihn beinah naiv nennen könnte, aber natürlich ist er alles andere als das. Er ist idealistisch, ehrwürdig, vollgepackt mit wunderbaren Anspielungen und zeitgleich eine moderne Interpretation verschiedener Themenkomplexe, die alle von nahezu universeller Relevanz sind. Eine Herzensangelegenheit und der Beginn dieser enorm fruchtbaren Love-Story zwischen Tim Burton und Johnny Depp, die uns noch einige wunderbare Momente bescheren sollte. Ist noch einer davon drin, zumindest so ähnlich? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie ist auch nicht unsterblich…

Kritik: Jacko Kunze

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