6.4

MB-Kritik

Drug War 2012

Action, Drama, Crime, Thriller – China, Hong Kong

6.4

Sun Honglei
Louis Koo
Yi Hung
Yunxiang Gao
Wallace Chung
Guangjie Li
Guo Tao
Jing Li
Lo Hoi-pang
Eddie Cheung
Lam Ka-Tung
Michelle Ye
Lam Suet
Berg Ng Ting-Yip
Philip Keung Hiu-Man
Gan Ting Ting

Inhalt

Das chinesische Festland wird regelmäßig von großen Drogenlieferungen überschwemmt, sodass die Polizei sich nur mit Gewalt gegen die Kartelle stellen kann. An vorderster Front kämpft hierbei der knallharte Cop Zhang (Sun Honglei), welcher sich auch gerne als Doppelagent hinter die feindlichen Linien schleicht. Und als der angesehene Dealer Timmy Choi (Louis Koo) nach einer Explosion in seinem Drogenlabor verletzt in ein Restaurant fährt, wittert Zhang seine Chance. Fortan arbeitet Timmy, auch um einer Giftspritze zu entkommen, mit Zhang zusammen, um ein ganzes Kartell rund um die Hafenstadt Tianjin zu sprengen. Was folgt ist ein gefährliches Katz- und Mausspiel zwischen Cop und Gangster, welches in den dunkelsten Ecken Chinas stattfindet…

Kritik

Mit über 50 Filmen sowie seiner eigenen Produktionsschmiede Milkyway ist Regisseur Johnnie To aktuell eine der wichtigsten Personen der Hongkonger Filmbranche. Mit Werken wie dem eindringlichen urbanen Gangster-Epos "Breaking News", dem gnadenlosen Mafia-Thriller "Election" oder dem brutalen "Exiled", hat To zudem bewiesen, dass er sein Handwerk mehr als versteht. Der Sprung auf das chinesische Festland allerdings, wo die chinesische Zensurbehörde SARFT wartet, wird ihm dennoch nicht leicht gefallen sein. Zwar war bereits die Romantik-Komödie "Romancing in Thin Air" (OT: "Gao hai ba zhi lian II") eine Koproduktion, doch sein neuer Film "Drug War" (OT:  "Du zhan") hat zudem noch eine brisante Botschaft, was die Handlungsfreiheit merklich einschränkt: Denn der Artikel 347 des chinesischen Gesetzbuches beinhaltet die Todesstrafe bei schwerwiegenden Drogendelikten, sodass die Aussage des Filmes von vornherein klar sein muss. Und so wechselt To die Kulisse des eindringlichen wie beengten Hongkongs zum leeren, düsteren sowie industriellen Festland von China, ohne jedoch auf seine typischen Bilder zu verzichten. Im Gegenteil, denn trotz seiner nüchternen Inszenierung, steht hinter "Drug War" mehr als nur der bloße wie typische Kampf zwischen Gangster und Polizist. Wer genau hinschaut, entdeckt leise eine Kritik, die gerade Richtung Finale immer deutlicher wird. Besonders daher, ist Johnnie Tos neuestes Werk nicht zu unterschätzen.

Im Kern hat "Drug War" jedoch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn während die Positionierung der Polizei sowie der Gangster bereits nach den ersten Minuten klar ist, gibt es anschließend keine genauere Figurenkonstellation. Keine Hintergründe, keine privaten Details, einzig der Blick auf das äußerst spannende (wenn auch manchmal sehr träge) Katz- und Mausspiel der Figuren. Selbst bei Tos üblichen Dialogszenen, die zumeist bei einem üppigen Essen stattfinden, gibt es keine starken Emotionen (was eine prägende Szene mit Timmy beweist, der nebenher seinen Partnern erzählt, dass seine Frau gestorben sei). Diese nüchterne Distanz der Figuren hat zur Folge, dass viele Momente von "Drug War" eher einem klassischen deutschen oder französischen Krimi anmuten, als einem Actionfilm der Marke Johnnie To. Während jedoch die Geschichte unter solchen Prämissen leidet, gewinnt sie durch die ungewöhnliche Optik wieder schnell an Stärke. Denn die Szenerie des Films erinnert zuweilen eher an ein markantes Endzeit-Drama, als an einen suburbanen Thriller. Leere Straßen, nächtliche Raufereien im Lichte der Scheinwerfer oder gar verlassende Industrieanlagen (die förmliche Übertragung von "Breaking News") prägen die Szenerie. Längst hat hier die Gewalt Einzug gehalten, sodass sich weder Gangster noch die Polizei tarnen muss.

"Drug War" fasziniert zudem von seinem äußerst starken Katz- und Mausspiel zwischen beiden Fraktionen. Und vor allem der karge wie gesichtslose Polizist Zhang fungiert hier als Dreh- und Angelpunkt. Von einer Minute auf die andere gelingt es ihm in die verschiedensten Rollen zu schlüpfen und dabei äußerst stark zu wirken. Hier besonders bei der Verkörperung des charmanten Haha, der seinen makaberen Namen mehr als verdient hat. Geht es aber um die Drogenthematik selbst, bleibt der Film oftmals oberflächlich oder klischeehaft. Mit dem Hintergrund der SARFT, ist dies aber nicht unbedingt tragisch, sondern eher gewollt. Viel interessanter ist da der Blick auf die Metaebene des Filmes. Denn wenn sich Zhangs Behörde in Kameras einklingt, eine Überwachung sondergleichen auffährt sowie gar Rechtsfrei agiert, dann ist dies subtile Kritik, die in ihrer Gesamtheit überzeugt. Und auch das äußert blutige wie bleihaltige Finale, ganz klar eines der Highlights des Films, erweist sich hier als starkes Argument. Spätestens in der letzten Szene dürfte dann klar werden, dass Regisseur Johnny To hier trotz chinesischen Festlands ein brisantes Thema inszenierte, welches einen anonymen, gefährlichen wie seelenlosen automatisierten Polizeiapparat aufzeigt. Nur schade, dass dies erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird.

Fazit

"Drug War" ist auf den ersten Blick deutlich anders als die bisherigen Werke von Regisseur Johnnie To. Blickt man jedoch tiefer und geht zwei Schritte zurück, offenbart sich im Kern nicht nur eine klassische Gangster-Cop-Story, sondern auch eine tiefgreifende Kritik an einem System, welches solche eigentlich vermeiden möchte. Gerade daher, ist der neue eher nüchterne wie actionleere (bis auf das Finale) aber äußerst spannende Film des Hongkong-Stars mehr als einen Blick wert.

Autor: Thomas Repenning
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