Inhalt
Dr. Stephen Strange wirkt einen verbotenen Zauber, der die Tür zum Multiversum öffnet, einschließlich alternativer Versionen von sich selbst, dessen Bedrohung für die Menschheit zu groß für die vereinten Kräfte von Strange, Wong und Wanda Maximoff ist.
Kritik
Feierte das Multiversum des MCU im Fanservice-Konvolut Spider-Man: No Way Home seinen Einstand, rückt dessen Existenz mitsamt seiner Konsequenzen nun in den Vordergrund. Doctor Stranges zweiter Solofilm ist da nur dem Titel nach ein Soloauftritt des exzentrischen Superhelden-Magiers. Obendrein gibt es die Fortsetzung zur WandaVision-Miniserie rundum Wanda Maximoff aka Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) und deren ultimativen Verlust in Westview und den Neueinstieg von Xochitl Gomez' America Chavez sowie deren lieblose Origin-Story. Auch sonst spielt der mittlerweile 28. Eintrag ins Marvel Cinematic Universe viele der üblichen Karten aus. Das Multiversum dient da nur zum Ausschmücken. Denn dort sind die Entwicklungen der Handlung gleichermaßen sprunghaft, die Actionsequenzen generisch und die CGI-Monster überflüssig und schrecklich anzusehen.
Von dem tatsächlichen Wahnsinn des Multiversums zeigt die Fortsetzung von Doctor Strange immerhin ein paar düstere, durchaus albtraumhafte Momente und Kampfeinsätze, die beachtlich knapp der Altersfreigabe entsprechen (so viel Blutspritzer an einer "Heldin" hat es im MCU wohl noch nie gegeben). Noch öfter verliert sich der Film jedoch im Einerlei der Superhelden-Action, die anders als in der ersten Hälfte von Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings nicht einmal mit kreativen Choreografien oder Einfällen aufwarten kann. Erklärbar oder in sich schlüssig sind die Kräfte längst nicht mehr, mit Zauberei und dem Jonglieren des Multiversums scheint nun alles möglich, - und dennoch beschränken sich die meisten Konfrontationen auf Lichtblitze, Herumfliegen, donnerndes Grollen und Figuren, die in dunkel aufgewirbelten (hier vorzugsweise purpurroten) Staubwolken verschwinden. An Kraft fehlt es den meisten der Aufeinandertreffen. Ernsthaft in Gefahr wähnt sich natürlich nur selten eine Figur. Und wenn, dann ist ihr Opfer verkraftbar, Möglichkeiten, sie in einer Art und Weise zurückzubringen, gibt es spätestens in dieser Phase hinreichend. Das ist zum einen beängstigend, beginnt zum anderen aber auch schnell zu langweiligen, weil sich ebenso die Möglichkeiten unvorhergesehener Deus ex machina - Momente ins Unermessliche steigern.
Benedict Cumberbatchs Stephen Strange ist gewohnt sarkastisch angehaucht, seit seiner Verfehlung in Spiderman: No way home jedoch weit vom arroganten Genius des ersten Teils entfernt. Ihm an die Seite gedichtet, ist eine altbackene, hoffnungslose Romanze, die ungeachtet dessen mehr Screentime bekommt als die Aufregerszene rundum Chavez' Eltern, die in China und Saudi-Arabien bereits zur Zensur(debatte) führte. Gomez' Charakter ist indes einer der austauschbarsten Neuzugänge aller MCU-Phasen. Taub stolpert ihre Figur dem magischen Doktor nach und erhält ganz nebenbei einen Origin-Crashkurs, der keinen Klischeemoment (ihren Verlust, den Selbstzweifel etc.) außen vorlässt. Nachhaltig bleibt von ihrer Figur kaum etwas in Erinnerung, wenngleich sich ihre Rolle in kommenden Filmen wohl als richtungsgebend erweisen wird.
Der dritte Schwerpunkt des Films, nein, nicht Sidecharacter Woong (Benedict Wong), welcher als einzige Charakter bei jedem seiner Auftritte den Scherbenhaufen irgendwie zusammenzuhalten versucht, ist Wanda. Ihr durchaus prominenter Handlungsstrang, im Vorfeld bereits auf neun Serienfolgen ausgestreckt, erhält nun seine Fortsetzung, die jene Miniserie noch stärker als Beiwerk erscheinen lässt. In ihrem Auftreten und ihrer Entwicklung finden sich keinerlei Zwischentöne, sondern nur Extreme: Mutter oder Hexe, Obstgärtnerin oder Schlächterin. Trotz der Vorarbeit in Serienform lässt ihre Geschichte kalt, auch weil diese repetitiv und hoffnungslos überdramatisiert in Szene gesetzt ist. Jegliche Dynamik zwischen ihr und Doctor Strange wird nach dem allerersten Wortwechsel jäh von rotschwarzen Zaubereien fortgefegt. Es folgt eine sprunghafte und mühsame Verfolgungsjagd, deren Ausgang weit erahnbar ist.
Statt mit den unendlich kreativen Möglichkeiten eines Multiversums die Aufmerksamkeit von Logiklücken und Expostionsdropping abzuwenden, fallen diese noch deutlicher als ohnehin ins Gewicht. Beeindruckend sind die Bilder von querstehenden Gebäuden, ineinander verschlungenen Skylines oder bunten Farbklecksen im All längst nicht mehr, in ihrer Form herausstechend schon gar nicht. Grund zu jubeln gibt es für Hardcore-Fans dennoch. Spätestens dann, wenn wie versprochen auch dieser Teil die Fahne in Sachen Fanservice oben hält und seine Gaststars wie in einer Podiumsdiskussion aufreiht.
Fazit
Bevor das Multiversum seine kreativen Möglichkeiten zur Genüge ausspielen kann, verliert es in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ bereits an Reiz. Egal, welche Charaktere wiederholt auftreten oder mit ihren Doppelgänger*innen konfrontiert werden, letztendlich sind sowohl die ermüdende Action, die entworfenen Welten und die schrecklich beliebigen Monster aller Universen in ihrem CGI und ihrer Inszenierung gleich. Wenn überhaupt, kümmert sich diese Fortsetzung um Wanda Maximoffs Geschichte, deren Verfolgungs- und Zusammenspiel mit Cumberbatchs Dr. Strange vor allem an packender Dynamik missen lässt. Darüber können auch namhafte Gaststars, ein etwas zurückhaltender Humor und die wenigen gelungenen Grusel- oder Actionmomente nicht hinweghelfen.
Autor: Paul Seidel