Inhalt
"Baby" (Jennifer Grey) verbringt unwillig die Ferien mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem Feriencamp. Doch als sie Tanzlehrer Johnny (Patrick Swayze) sieht, verfliegt ihre miese Laune. Sie traut sich todesmutig in die für Gäste verbotene Zone: die Unterkunft der Hotelangestellten. Dort kommen sich "Baby" und Johnny nicht nur beim Tanzen zu heißen Dirty Dancing Rhythmen näher.
Kritik
"Nobody puts Baby in a corner."
Eigentlich ist es nicht schwer nachzuvollziehen, warum Dirty Dancing zu einem derart rigorosen Überraschungserfolg avanciert ist: Er triggert all die Bedürfnisse, die mit der Adoleszenz einhergehen. Vielmehr ist der Film noch daran interessiert, Eltern und Kinder in einen harmonischen Einklang zu bringen und sich somit nicht nur auf das Handwerk zu verstehen, eine Zielgruppe dezidiert zu bedienen, sondern zwischen den Generationen zu vermitteln. Noch heute hat Dirty Dancing nichts von seiner kultisch Strahlkraft verloren, wie sich statisch durch die DVD-Verkäufe und Einschaltquoten im Free-TV belegen lässt. Die Frage ist ohnehin nicht die, warum Dirty Dancing ein derartiges Phänomen der 1980er Jahre wurde, sondern, ob es sich bei der Regiearbeit des 1993 an AIDS verstorbenen Emile Ardolino (Sister Act – Eine himmlische Karriere) um einen guten Film handelt.
Sicherlich, die Parameter, um eine Antwort darauf herauszustellen, sind ungemein abstrakter Natur und finden ihre Erfüllung letzten Endes dann doch im Auge des Betrachters. Man kann jedoch auch unter objektiven Umständen sagen, dass Dirty Dancing vor allem eine Funktion vortrefflich beherrscht: Die Anbiederung. Wie eingangs bereits erwähnt, ist Emile Ardolino über die gut 100-minütige Laufzeit damit beschäftigt, es einem möglichst bereiten Publikum irgendwie recht zu machen. Frances (Jennifer Grey, Ferris macht blau), die auf den Spitznamen Baby hört, ist die klassische Coming-of-Age-Galionsfigur: Sie ist unschuldig, aber idealistisch. Sie kann sich anpassen, aber gleichermaßen aufbegehren. Doch für dieses jugendliche Aufbegehren benötigt sie einen strammen Typ des anderen Geschlechts, der hier in Form des athletischen Johnny Castle (Patrick Swayze, Gefährliche Brandung) auftritt. Ein Rebell in Lederjacke und Tanzschuhen.
Beide kommen sie aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, was Dirty Dancing ermöglicht, den Klassenkampf stiefmütterlich in die Narration einzuweben, obgleich es hier natürlich nur um die sich sukzessive Romanze zwischen Baby und Johnny geht. Dass Jennifer Grey und Patrick Swayze hinter den Kulisse regelrechte Hassgefühle füreinander entwickelten, merkt man dem fertigen Film nicht an, was sich mit der wohl größten Stärke von Dirty Dancing belegen lässt: Die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt. Und das wirkt sich folgerichtig auch auf die Tanzchoreographien aus, in denen die Körper nach Stunden der Erschöpfung wahrhaft sinnlich miteinander verschmelzen. Der Geschlechtsakt wird hier in Tanzbewegungen übertragen und wird von Emile Ardolino gleichwohl als eine weitere Ebene im Gebaren des jugendlichen Protests aufgegriffen: Tanzen als Akt der Widerborstigkeit, der Auflehnung, des Widerspruchs.
Sicherlich sind das alles gutgemeinte Ansätze, die das Narrativ von Dirty Dancing ankratzt. Allerdings ist der Film nicht mehr als ein Flickenteppich aus Motiven, bleibt diese flotte Sohle unter den Parkett-Schmonzetten doch vor allem dem Oberflächenreiz verhaftet. Der Soundtrack ist eine Aneinanderreihung an Evergreens, die entweder in nostalgische Befindlichkeiten zurückführen oder Gelüste dahingehend wecken, noch einmal jung zu sein. Schwelgen und Seufzen. Noch einmal das Leben als Fest der Sinne erleben zu dürfen. Oder eben: Es in diesem Moment als genau dieses auszuleben, wenn man sich mit seiner besseren Hälfte dazu entscheidet, die Liebelei zwischen Baby und Johnny im (Heim-)Kino aufleben zu lassen. Bildsprachlich bleibt Dirty Dancing ebenfalls einer sparsamen Ästhetik verhaftet, was natürlich auch ein Stück weit auf das überschaubare Budget zurückzuführen ist, gleichwohl aber auch Ardolinos limitiertes Verständnis gegenüber eines visuellen Schöpferdrangs veräußert.
Und die charakterliche Disposition ist, wie gesagt, vor allem kalkuliert. Sie lädt zur Identifikation an, verbleibt aber letzten Endes in genauso prüden Mustern haften, wie das Jahrzehnt, in dem der Film seine Geschichte ansiedelt. Interessanter ist da dann doch eher die Hintergrundgeschichte: Kein großes Studio wollte Dirty Dancing produzieren, das Drehbuch wanderte durch zahllose Hände. Am Ende war es eine Firma, die auf Homevideos spezialisiert war und mit diesem erwarteten Low-Budget-Brutalflop den ganz großen Reibach machen konnte. Dirty Dancing war der Film, der zur richtigen Zeit gekommen ist und einen zeitgeschichtlichen Nerv traf, um sich als generationenübergreifendes Phänomen bis heute verdient zu machen. Es wäre gelogen, diesem Film jeden ikonischen Wert abzusprechen, letztlich aber ist die Geschichte doch zu ausgefranst, zu trivial, zu rosarot, zu offenkundig darauf ausgelegt, lieb gehabt zu werden.
Fazit
Kein großer Film, seine Erfolgsgeschichte aber ist beeindruckend und gibt "Dirty Dancing" Recht: Anbiederung macht sich bezahlt. Denn letztlich ist die Tanz-Romanze mit Coming-of-Age-Gefälligkeiten vor allem ein kalkulierter Sommerurlaub, in dem Mädchen von Selbstverwirklichung träumen dürfen und mit dem heißen Rebell aus der Unterschicht eine flotte Sohle aufs Parkett legen. Harmonieheischend, kitschig, trivial. Und dennoch: Es wäre gelogen, würde man "Dirty Dancing" ein gewisses ikonischen Funken absprechen. Dafür harmonieren die attraktiven Hauptdarsteller zu gut, dafür geht der Soundtrack zu schnell ins Ohr, dafür ist man doch zu anfällig für diese Underdog-Geschichten.
Autor: Pascal Reis