Inhalt
Kritik
Mit „Dragon Ball Super“ ließ man bei Toei Animation in Tokio eine alte Zeichentrickserie wiederbeleben, die vor etwa 15 Jahren eine ganze Generation in seinen Bann zog. „Dragon Ball Super“ wusste zwar die Fanboy-Herzen wieder zu entfachen und ließ die Nostalgie-Tränen fließen, doch wurde nur zu offensichtlich, dass „Dragon Ball“ ein Relikt seiner Zeit ist. Verglichen mit modernen Shonen-Anime, wie „Hunter X Hunter“ und „Fairy Tail“, bleibt „Dragon Ball Super“ auf der Strecke. Niemand wird bestreiten, dass „Dragon Ball“ und „Dragon Ball Z“ wegweisend, wenn nicht gar revolutionär für das Shonen-Genre gewesen sind und „Hunter X Hunter“ und „Fairy Tale“ wären ohne die Abenteuer von Son Goku und seiner Freunde nicht die erfolgreichen Serien, die sie heute sind. Aber sowohl erzählerisch, action-technisch, als auch inszenatorisch und v.a. was das Pacing angeht, können die alten Serien da nicht mehr so ganz mithalten und sind Produkte, die einer Industrie entsprangen, die noch eine ganz andere war. Mit dem „Dragon Ball Z“-Remake „Dragon Ball Kai“ wurde die alte Serie um die Z-Fighter nicht nur einem optischen Makeover unterzogen, sondern wurde auch inhaltlich modernen Anime-Standards angepasst. Mit „Dragon Ball Super“ versuchte man gar nicht erst die junge Masse an Anime-Fans für sich zu gewinnen, die „Dragon Ball“ nur vom Hörensagen her kennen. Stattdessen fokussierte sich Showrunner und Mangaschöpfer Akira Toriyama exklusiv auf die alte Garde der „Dragon Ball“-Fans und stopfte „Dragon Ball Super“ bis ins letzte Eck voll mit Referenzen und Momenten, die bei jedem Fan die Nostalgie-Glocken zum Läuten bringen. Und dafür wurden all die übrigen, veralteten Unzulänglichkeiten von den Fans nicht nur all zu gerne ignoriert, sondern gar mit offenen Armen begrüßt.
Mit „Digimon Adventure tri.“ spielt Toei Animation dabei erneut die Nostalgie-Karte und bringt die allererste Truppe an Digi-Rittern um Tai und Agumon zurück auf den Bildschirm. „Digimon“ hatte, ganz im Gegensatz zu „Dragon Ball“, nie wirklich aufgehört und bekam einen neuen Ableger nach dem anderen spendiert, der oft mit neuen Charakteren daherkam. Doch der Erfolg der ersten drei Staffeln konnte nie so richtig wieder eingefangen werden.
Und „Digimon Adventure tri.“ macht genau da alles richtig, wo es zählt. Um mit der Handlung gut mitzukommen, muss man „Digimon Adventure“ und „Digimon Adventure 02“ nicht unbedingt gesehen haben. Um angemessen auf die Charaktere und Schlüsselmomente zu reagieren, wie es von den Machern beabsichtigt war, ist dies jedoch offensichtlich nötig und hieraus bezieht „Digimon Adventure tri.“ auch eindeutig den Großteil seines Reizes. Denn wie schon mit „Dragon Ball Super“ liefert auch „Digimon Adventure tri.“ nicht ganz die Qualität ab, die man heutzutage von anderen Genrevertretern gewohnt ist. Die neue Serie um die Digi-Ritter ist hierbei keinesfalls „antiquiert“, wie es bei „Dragon Ball Super“ der Fall ist, schließlich war „Digimon“ in seinem Ton (dafür dass es eine Kinderserie war) schon immer recht erwachsen und überraschend düster, in der das Drama immer dem Comedy-Aspekt den Rang ablief. Und solange man keine Action zu sehen bekommt, ist auch „Digimon Adventure tri.“ in seiner Inszenierung und seinem Stil, wie auch schon im ersten „Digimon Adventure“ aus dem Jahr aus dem Jahr 2000, extrem nüchtern und bodenständig. Die wenigen Comedy-Momente halten sich recht kurz und dienen eher dazu die mittlerweile viel älteren Charakteren erneut zu definieren.
„Digimon Adventure tri.“ spielt im Jahr 2005, die einst 11-jährigen Digi-Ritter sind mittlerweile in der Oberstufe und zerbrechen sich über Abschlussprüfungen und Karriereoptionen den Kopf. Tai spielt Fußball, Matt hat eine Band, Mimi ist in den USA und der kleine TK ist zu einem Hipster verkommen. Man ist froh darüber die Truppe nach all den Jahren wiederzusehen und zu sehen was aus ihnen geworden ist, auch wenn es ein klein wenig enttäuschend ist erkennen zu müssen, dass keine der Figuren wirklich nennenswerte Charakterentwicklungen durchgemacht haben. Es wird versucht ein moralisches Dilemma mit Tai zu etablieren, der von Schuldgefühlen geplagt wird, weil in den vielen Kämpfen, die er mit seinem Partner Agumon gegen diverse Feinde bestreitet, Teile Tokios zerstört werden und es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch ein Menschenleben in Mitleidenschaft gezogen wird. Tai steht diesbezüglich im Konflikt mit sich selbst, da wenn er eingreift um die zerstörerischen Digimon zu stoppen, er mitverantworlich sein wird, am Schaden, der unweigerlich entsteht. Er ist fast schon dazu geneigt nichts zu tun, da er somit jeglicher Mitschuld ausweichen kann, selbst wenn dies die moralisch verwerflichere Option darstellt. Doch als Agumon dann doch plötzlich auftaucht wird Tai in eine Zeit zurückversetzt, in der alles einfacher, das Bekämpfen riesiger Monster noch "cool" und "aufregend" war. Tai ist jedoch reifer und erwachsener und sieht die Schattenseiten dieser Abenteuer, die seine Kindheit geprägt haben. Während all seine Digi-Ritter-Kollegen viel weiter im Leben sind (Izzy ist ein Genie, Mimi ist in den USA, Matt ist einer Band, etc), gibt sich Tai in der Abwesenheit von Agumon dem Fußball hin. Und obwohl er dieses Hobby mit voller Leidenschaft verfolgt, ist es letztendlich nur das: Ein Hobby, wenn er sich stattdessen Gedanken um seine Zukunft machen sollte. All seine Freunde scheinen mit ihrem Leben als Digi-Ritter abgeschlossen zu haben und leben ihr Leben weiter, Tai jedoch ist in der Vergangenheit gefangen und konnte sich nie von seinem Digi-Ritter-Dasein verabschieden, weswegen er all seine Bedenken in dem Moment beiseite wirft, in dem Agumon vor ihm erscheint. Leider kommt all dies in "Digimon Adventure tri." nicht ganz so klar, bzw. nachvollziehbar, rüber. Die Tiefe in der charakterzentrierten Handlung ist also da, geschickt erforscht wird sie leider nicht so richtig, sodass viel hineingelesen werden muss.
Letzten Endes ist das alles jedoch recht egal, gerade für jemandem wie mich, der mit „Digimon“ aufwuchs. Und gerade diese Serie, die nur produziert wurde um vom damalig-boomenden Pocket-Monster-Hype zu profitieren, entpuppte sich "Digimon" als die tiefere und emotional gewichtigere Serie im Vergleich zum eher leichtfüßigen „Pokemon“. „Digimon“ hatte eine fortlaufende Story, die sich nicht scheute traurig, deprimierend und tragisch zu werden und diesen Ton kann man in „Digimon Adventure tri.“ schon eindeutig rauslesen. Wenn Agumon zum ersten Mal nach Jahren mit seinem Partner vereint wurde, kurz darauf die berühmte Digitation-Sequenz über den Bildschirm flimmerte und die Musik im typischen „Digimon“-Theme anschwoll, konnte ich dann auch einfach nicht meine Nostalgie unterdrücken. Dass ich besagte Szene immer wieder geguckt habe, zeugt vielleicht nicht unbedingt von meiner Objektivität, aber sehr wohl von der Fähigkeit dieser Reinkarnation alte Emotionen zu wecken.
Fazit
Ich habe „Digimon“ immer geliebt, weil es seiner jüngeren Zuschauerschaft immer zutraute mit Themen wie Tod, Verlust, Arroganz und Loyalität umzugehen, sich nicht nur auf eine „Freundschaft über alles“-Message beschränkte und diese sogar oft in Frage stellte. Ich bin offensichtlich deshalb voreingenommen und kann nicht wirklich objektiv bleiben. Und nie war mir diese unmögliche Neutralität klarer, als wenn Agumon sich digitierte und das berühmte „Digimon“-Theme zu hören war. "Digimon Adventure tri.“ hatte schon mein Herz erobert und ließ mich über die kaum vorhandene Charakterentwicklung und die eher schlecht als recht rübergerbachte (aber doch sehr interessante) Story hinwegsehen. Wer meine Liebe und Nostalgie teilt, darf sich „Digimon Adventure tri.“ nicht entgehen lassen. Alle anderen können draußen warten.
Autor: Kadir Güngör