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Inhalt

Die Geschichte einer "amour fou", der ausweglosen Liebe eines alternden Mannes zu einem 18-jährigen Hausmädchen - das ist das indiskrete Thema von Bunuels letztem Film. Zum Erstaunen seiner Mitreisenden schüttet Mathieu, ein gutsituierter Geschäftsmann in den besten Jahren, aus dem Zug einen Eimer Wasser über den Kopf einer jungen Frau. Conchita ist eine Spanierin von aufreizender Schönheit. Mathieu ist ihr verfallen. Doch sie treibt ein grausames Spiel mit ihm.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

"Du glaubst, dass ich mich verweigere, das Gegenteil ist richtig. Ich bin es, die dich liebt, ich bin es, die dich für das ganze Leben will. Ich habe immer nur dich geliebt, Mathieu"

In seinem letzten Film verbindet Luis Buñuel (Der diskrete Charme der Bourgeoisie) noch einmal seine liebsten Themen miteinander: respektvoller Spott über die historische Bourgeoisie, die Divergenz zwischen den Geschlechtern, Trieb und Sehnsucht, Realität und Wahn. Im Kern geht es um das ungleiche Liebespaar Mathieu (Fernando Rey, Die Sünde) und Conchita (Carole Bouqet, Zu schön für dich). Er ist reich, fühlt sich äußerst kultiviert und ist deutlich älter als sie, die aus bodenständigen Verhältnissen stammt und sich nicht versucht hinter einem Schleier der Kultiviertheit zu verbergen. Beide begehren einander und nichts scheint der Vollendung ihrer Sehnsüchte im Wege zu stehen, außer Conchitas berechtigte Sorge, das Begehren könnte ein Ende finden. Sie fürchtet, wenn sie Mathieu alles bietet, wonach er sich sehnt, würde er sich nicht mehr nach ihr verzehren. 

Mathieu begreift nicht, dass die Begierde von ihrer Unvollkommenheit lebt, dass sie nicht in voller Gänze gestillt werden möchte und versucht sich andere Gründe für das Ausbleiben der Liebesnacht an den Haaren herbeizuziehen. Mal fühlt er sich zu alt und wird eifersüchtig auf andere Männer, mal wirft er Conchita vor, sie wäre nur hinter seinem Geld her. Er zweifelt an ihrer Liebe, an ihrer Treue und ihre Autonomie verunsichert ihn. Dabei bestätigt Conchita immer wieder ihre Liebe zu ihm, indem sie sich von ihm streicheln lässt, sich an ihn schmiegt, ihm romantische Worte schenkt, sich aber auch ihre Autonomie als "Fremde" wahrt. Letzteres bleibt Mathieu ein Dorn im Auge, ist er es doch gewohnt, dass er haben kann was er will, und es sich im Notfall mit Geld oder Gewalt zu Eigen machen kann. 

Dass Conchita sich weigert, mit ihm zu schlafen, ist kein Zeichen von mangelnder Leidenschaft, sondern von brennenden Emotionen, die ein ganzes Leben gehalten werden wollen, damit deren gegenseitige Anziehungskraft nicht verloren gehen kann. Durch Mathieus Unverständnis kritisiert Buñuel  meisterhaft die natürliche Denkweise der Bourgeoisie, die vorrangig auf Kategorien des Status, Nutzen und Besitzes ausgerichtet ist. Bei aller Zynik und Genugtuung, die der Film dabei verspürt, wenn er Mathieu an seinem Unwissen leiden lässt, verliert er nie das Verständnis für dessen Gefühle, die nur dazu in der Lage sind, Conchita als "obskures Objekt der Begierde" zu verstehen, als etwas, das er haben  möchte, aber nicht haben kann und das er verstehen möchte, doch nicht verstehen kann. 

Stets poetisch, niemals reißerisch oder gar kitschig, führt  Buñuel durch eine überzeugend ausgestattete Literaturverfilmung, die zu diesem großen Surrealisten passend, etwas Unreales und beinahe Verträumtes an sich hat, was durch die Rahmenhandlung im Zug, in der Mathieu von seinen Erlebnissen mit Conchita berichtet, nur noch untermalt wird. Stimmig kombiniert er die Erkenntnisse aus seinen vorigen Filmen, wobei sich vor allem Vergleiche  zu Tagebuch einer Kammerzofe, aus dem er sein feministisches Potential schöpft, zu Der diskrete Charme der Bourgeoisie, aus dem er seinen spöttisch-respektvollen Ton der Oberschicht  gegenüber zieht, und Belle de jour, seinem Film über Sinnlichkeit schlechthin, anbieten.

Zweifelsohne ist mit Dieses obskure Objekt der Begierde ein Meisterwerk geglückt, hinter dessen Verständnis von Liebe und Begierde sich eine politische Analogie zum Klassenkampf verbirgt. Die ewig zerstörerische Liebe zwischen Mathieu und Conchita dreht das in der Gesellschaft herrschende Verhältnis um: Will sonst der weniger privilegierte Teil der Gesellschaft der Oberschicht angehören, sehnt sich nach einem Hauch ihrer Anerkennung und will von ihrer Süße kosten, ohne sie jemals ganz durchblicken, ganz erreichen zu können, herrscht hier ein umgekehrtes Machtverhältnis. Die Grenzen des Konsums und der Autorität des Befehls sind erreicht und können die Liebe und Leidenschaft nicht erfassen. In diesem ihnen unbekannten Gebiet hat das Habituelle keinen Wert, sondern blendet nur.

Fazit

"Dieses obskure Objekt der Begierde" hat die Unvollkommenheit des Begehrens, ihr Aufhören bei gänzlicher Vollendung und ihre Freiheit vom gesellschaftlichen Stand begriffen. Aus einer romantischen und leidenschaftlichen Liebesbeziehung zieht der Regisseur eine Analogie auf Klassenunterschiede und zeigt auf, wie sehr das Habituelle doch blenden kann: Eine großartige, weise und verspielte Literaturverfilmung, die man zweifelsohne als zeitlos bezeichnen kann. 

Kritik: Maximilian Knade

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