Der diskrete Charme der Bourgeoisie ist eine politische Satire auf ganz hohem Niveau, allein schon deshalb, weil er eine entlarvende Wirkung hat und die Oberschicht in ihrem Elitarismus der Lächerlichkeit preisgibt, ohne jemals das Gefühl für Subtilität zu verlieren. Episodenhaft wird die Geschichte von drei befreundeten Paaren erzählt, die sich gegenseitig zum Dinner einladen, wozu es jedoch durch verschiedenste Zwischenfälle niemals kommt. Durchdrungen werden die Ereignisse von surrealen (Alptraum-)Sequenzen, die sich gerade zum Ende hin häufen. Diese steigern sich in ihrer Intensität, wirken vorerst noch wie kleine Absonderlichkeiten und haben im Laufe des Filmes eine immer bedrängendere Wirkung.
Direkt am Anfang hat Luis Bunuel (Der Würgeengel) eigentlich alles gezeigt, was es zu zeigen gibt. Er charakterisiert die Bourgeoisie als sich piekfein und intellektuell überlegen fühlende Elite ihrer eigenen Seifenblase, in der nichts von der Außenwelt hinein- und nichts aus der Blase hinaustreten kann. Sie nehmen keine Notiz von den Problemen anderer Menschen, haben selbst auch keine tiefliegende Probleme, sondern welche die an der absoluten Banalität grenzen. Trotz hochtrabender Rhetorik bleibt es bei Dialogen über Sex, Essen und Alkohol, ohne jemals in die Tiefe vorzudringen. Interessant ist, dass diese erste Charakterisierung im Laufe des Filmes lediglich bestätigt wird, ohne dass neue Charakterzeichnungen hinzutreten. Auch lässt sich keine wirkliche Handlung festmachen, es geht stets nur am das nie stattfindende Dinner.
In der Regel sehen wir die geschätzten Herren und Damen von Lokalität zu Lokalität trabend, den Tisch deckend oder betrübt eine Lokalität wieder verlassend. Mit dieser Redundanz der Abläufe, die dem Zuschauer ein Stück weit langatmig vorkommen (müssen), wird die Trivialität des Daseins der Protagonisten verdeutlicht. Auch wenn sie wohlhabend sind, hat man als Zuschauer kein Neidgefühl, man möchte gar nicht zu diesem elitären Kreis dazugehören, denn dieser präsentiert sich uns in unaufgeregter Eintönigkeit. Die Freundschaften fühlen sich dabei weniger an wie ernsthaft geführte Beziehungen, sondern wie eine Zusammenkunft in einer Zwecksgemeinschaft, frei nach dem Motto: Es gehört halt kein anderer zu unserer Klasse, also haben wir uns gefunden.
Und dennoch ist da dieser im Titel bereits angedeutete Charme, mit dem die Protagonisten auftreten, der wie eine Schicht Zuckerguss über der Stumpfsinnigkeit liegt. Buñuel hat ein gutes Gefühl dafür, stets subtil genug vorzugehen, um nicht mit der Schicht aus Zuckerguss zu brechen, und dennoch recht überzeugend freizulegen, was sich darunter befindet. Ebenso ist gelungen, ein gutes Spannungsfeld zwischen Spott und Bemitleidung zu schaffen. Der Film behandelt die irrelevanten Probleme der Protagonisten weitesgehend unkommentiert, lässt zum Beispiel keinen Charakter von Außen hinzukommen, der die Gruppe kritisiert, wodurch er sie als Teil der Realität der Protagonisten begreift. Dadurch schafft er eine intelligente Differenzierung: Für uns wirken die Vorgänge banal und lächerlich, für die Protagonisten wirken sie tragisch und aufreibend.
Die surrealen Szenen häufen sich vermehrt und kulminieren letztlich zur absoluten Eskalation. Diese Szenen lassen sich als einziger Ausbruch aus der elitären Seifenblase werten, in denen die Protagonisten, die wahrscheinlich ewig so weiter machen würden, mit den irdischen Gesetzen konfrontiert werden. Nicht umsonst heißt es, der Tod sei der größte Gleichmacher. Nicht nur mit dem Tod, sondern mit allem, das mit ihrer scheinbar perfekten Fassade bricht, werden sie konfrontiert. Die Traumsequenzen stehen hier also viel mehr für ein Erwachen, für ein Bewusstsein der wahrhaftigen Beschaffenheit des Daseins, frei von habitueller Überlegenheit.