Inhalt
Eine Mordserie erschüttert einen kleinen Ort in Neuengland. Die Opfer sind junge Frauen, die alle an einer Behinderung litten. Das stumme Hausmädchen Helen scheint daher in großer Gefahr zu schweben. Allen Warnungen zum Trotz bleibt sie im Herrenhaus ihrer Arbeitgeberin, einer bettlägerigen Witwe. In einer Gewitternacht tummeln sich dort allerhand Personen, von denen jede der oder die Mörder*in sein könnte.
Kritik
Mit Filmen wie Unter Verdacht, Rächer der Unterwelt oder Gewagtes Alibi machte sich der gebürtige Dresdner Robert Siodmak einen Namen im Hollywood der 1940er Jahre als Spezialist für den Film Noir. Auch Die Wendeltreppe (nach dem Roman Some Must Watch von Ethal Lina White) besitzt besonders aus handwerklicher Sicht ein paar Merkmal der Schwarzen Serie, ist jedoch eindeutig als Psychothriller mit einem Hauch Gothic-Horror zu kategorisieren.
Im Mittelpunkt steht eine Mordserie an jungen Frauen, die bisher drei Opfer gefordert hat. Die Besonderheit dabei: jede der Frauen hatte eine Behinderung. Eine war durch eine Narbe im Gesicht entstellt, eine hatte ein Hinkebein, eine andere war „schwachsinnig“. Dr. Parry (Kent Smith, Katzenmenschen), der neue Arzt der Kleinstadt, befürchtet daher, dass die durch ein kindliches Trauma stumme Helen (Dorothy McGuire, Die größte Geschichte aller Zeiten) nun in großer Gefahr schwebt. Diese arbeitet als Dienstmädchen im Anwesen der Witwe Warren (hierfür Oscar-nominiert: Ethel Barrymore, Der Fall Paradin), die sich ebenfalls um ihre Sicherheit sorgt. Immer wieder beschwört sie Helen, die Stadt zu verlassen, gibt sich jedoch sehr nebulös, warum sie eine konkrete Bedrohung für sie sieht. Damit scheint sie allerdings nicht falsch zu legen, denn neben ihren beiden Söhnen und einem halben Dutzend anderen Angestellten scheint sich auch der Killer in dem unübersichtlichen Herrenhaus zu befinden und nur auf die Chance zu lauern, während einer Gewitternacht sein Werk fortzusetzen.
Dass sich die Protagonistin tatsächlich im Visier des mutmaßlichen Mörders befindet ist nicht nur naheliegend, sondern wird dem Publikum schnell unmissverständlich klar gemacht. Wir sehen früh, wie sich der Unbekannte in ihrer unmittelbaren Nähe befindet, dann ist er allerdings eine ganze Weile verschwunden. Diese Zeit wird genutzt, um die zahlreichen Nebenfiguren und ihre Beziehungen wie Konflikte mit- und untereinander darzustellen, womit natürlich die Verdachtsmomente befeuert werden. Wer will hier wem aus welchen Gründen eventuell ans Leder und das der gesuchte Killer höchstwahrscheinlich in den „eigenen Reihen“ zu finden ist, dürfte selbst für Genre-Neulinge keine Überraschung darstellen. Klassisch wird hier jedem eine Form von Laster, mangelnder Glaubwürdigkeit oder gar Zwielichtigkeit angedichtet, so dass es gar kein akutes Bedrohungsszenario im Mittelpart geben muss. Erst im Schlussakt tritt der Mörder wieder in Aktion, was sein Auftauchen dadurch umso effektiver gestaltet. Die Auflösung des Whodunnit-Konzepts ist dabei gar nicht die große Stärke von Die Wendeltreppe, da die Pointe weder besonders überraschend noch raffiniert ist und einfach nur eine der naheliegenden Varianten anbietet.
Der Weg ist hier eindeutig das Ziel. Robert Siodmak erweist sich einmal mehr als gewitzter Handwerker, der viel Wert auf eine stimmungsvolle und vor allem optisch ausgeklügelte Inszenierung legt. Die Wendeltreppe ist einfach grandios fotografiert und bietet immer wieder ein fantastisches Spiel aus Licht und Schatten, das die Villa umso mehr als ausweglose Todesfalle darstellt, in deren zahlreichen Verwinkelungen stetig etwas zu lauern droht. Allein durch seine Bilder und Einstellung wird so viel Spannung kreiert, das die physische Präsenz des Killers lange Zeit überhaupt nicht benötigt wird. Und wenn, reicht ein Zoom auf ein Auge oder eine kurze POV-Sequenz, um die Bedrohung greifbar zu machen. Damit wirkt der Film wie ein stilistischer Vorläufer des Giallo, wofür ja auch das – gar nicht mal despektierlich gemeinte – Model von Style over Substance spricht. Die Auflösung der Geschichte ist nichts Besonderes, über die clevere Art der Präsentation und seine großartige Atmosphäre beeindruckt der Film dafür nachhaltig und gilt hauptsächlich deshalb als Klassiker innerhalb seines Genres.
Fazit
Ein dichter, inszenatorisch erstklassiger Whodunnit-Thriller mit tollem Setting und einigen Ansätzen, die sich über die Jahrzehnte als feste Bestandteile des Psychothrillers etabliert haben. Auch große Meisterwerke wie Clouzot’s „Die Teuflischen“ griffen später darauf zurück. Insgesamt selbst sicherlich kein Geniestreich, aber immer noch sehr kurzweilig und auf handwerklicher Ebene mustergültig.
Autor: Jacko Kunze