Inhalt
Der Film spielt im Jahr 1945 im zerbombten Berlin. Der ehemalige Militär-Chirurg Dr. Hans Mertens (Ernst Wilhelm Borchert) kehrt nach dem Krieg zurück nach Berlin und findet sein Haus in Trümmern vor. Er leidet noch unter den schrecklichen Kriegserinnerungen und wird zum Alkoholiker. Die Fotografin Susanne Wallner (Hildegard Knef), eine KZ-Überlebende, findet ihn in ihrer alten Wohnung vor und beide werden schnell zu Freunden und Mitbewohnern. Bald darauf begegnet Mertens seinem ehemaligen Hauptmann Ferdinand Brückner (Arno Paulsen). Dieser ließ am Weihnachtsabend 1942 36 Männer, 54 Frauen und 31 Kinder einer polnischen Ortschaft erschießen. Inzwischen ist Ferdinand Brückner ein beliebter Bürger und erfolgreicher Geschäftsmann, der aus alten Stahlhelmen Kochtöpfe produziert.
Kritik
Rein aus filmhistorischer Sicht ist das Werk von Regisseur Wolfgang Staudte (Die Herren mit der weißen Weste) von unschätzbarem Wert, handelt es sich doch um den ersten deutschen Film nach dem Zweiten Weltkrieg. Folgerichtig konnte er gar kein anderes Thema behandeln, als sich mit dem unmittelbaren Hier und Jetzt auseinanderzusetzen. Alles andere wäre absurd gewesen. Dies kann und vor allem soll die Wichtigkeit und mutige Konfrontation mit den längts nicht bewältigten Geschehnisse jedoch keinesfalls schmälern. Der erste der sogenannten Trümmerfilme geht genau dahin, wo es weh tut. In das zerbombte Berlin, in dessen Ruinen gerade versucht wird, wieder in eine Form von Alltag zurückzukommen, aber das Grauen und seine Folgen natürlich noch allgegenwärtig sind.
Staudte erzählt dies in erster Linie durch die Figuren des desillusionierten Chirurgen Hans Mertens (Wilhelm Borchert, Hunde, wollt ihr ewig leben), der seinen Kummer in Alkohol und zynischem Sarkasmus zu ertränken versucht, und der KZ-Überlebenden Susanne (Hildegard Knef, Unter den Brücken), die nach ihrer Rückkehr nach Berlin Hans als neuen Bewohner ihrer Wohnung antrifft. Notgedrungen bilden sie eine Art WG, bei der sich trotz der anfänglichen großen Defizite irgendwann Gefühle füreinander eistellen. Allerdings bleibt Hans mit den Gründen für seinen Zustand hinter dem Berg. Bis Susanne mehr oder weniger unfreiwillig den Kontakt mit seinem alten Kriegskamerad Brueckner (Arno Paulsen, Das Mädchen Rosemarie) herstellt. Nichtsahnend, dass dessen grausamer Schießbefehl am Weihnachtsabend 1942 für den Tod von 121 polnischen Zivilisten verantwortlich war – und dieser wiederum für die schwere, vorliegende Traumatisierung des daran beteiligten Hans.
Die Geschichte um Hans, Susanne und Brueckner bildet natürlich das Herzstück des Plots, an dessen Rande aber immer noch Platz für einigen treffend beobachtete Schilderungen stattfinden, die einen aussagekräftigen Querschnitt über die Gesamtsituation dieser Tage bilden. Wie das Schicksal des alten Uhrmachers Mondschein (Robert Forsch, Der Puppenspieler), der bis zuletzt auf die Rückkehr seines Sohnes hofft, dabei noch auf die Betrügereien eines raffgierigen Wahrsagers vertraut und am Ende einsam verstirbt. Als sein Leichnam abtransportiert wird, wirft die Kamera in dessen Schatten einen Blick auf die Werbeanzeige jenes Scharlatans an der Wand, der vermutlich mit dem Leid und der Verzweiflung noch vieler anderer Mitmenschen sich gewissenlos eine goldene Nase verdient. Genauso gewissenlos wie Kriegsverbrecher Brueckner, der nach Kriegsende nahtlos wieder in sein gutbürgerliches Leben zurückgekehrt ist. Sogar noch Profit daraus schlägt: aus den überflüssig gewordenen Stahlhelmen fertigt er Töpfe an; die Kasse klingelt. Während die Trümmerfrauen da draußen schuften, zählt er zu den Privilegierten, die sich in den Nachtlokalen der Stadt amüsieren und bei Tisch stolz vor seinen Kindern mit alten Kriegsgeschichten prahlt.
Der expressionistische Stil aus der goldenen Vergangenheit des deutschen Kinos ist geblieben, von Fantastereien ist dieser erschütternd aufrichtige Film jedoch weit entfernt. Die Mörder sind unter uns stellt unmissverständlich die Schuldfrage und fordert kompromisslos Konsequenzen ein, findet dabei am Ende aber sogar noch einen überlegten und humanistischen Weg. Das Drehbuch wurde diesbezüglich sogar bewusst entschärft, um nicht als Apell zur Selbstjustiz missverstanden zu werden. Eine kluge Wahl, denn so wäre man vermutlich wirklich in eine prekäre Situation gekommen, welche das Auge-um-Auge-Prinzip zu sehr glorifiziert hätte. In diesen Zeiten exakt das, was zwingend vermieden werden musste. So findet er die richtige Antwort auf eine unglaublich schwierige Frage: wie mit den Folgen des Unbeschreiblichen umgehen? Nichts beschönigen noch relativieren, aber sich dadurch nicht noch weiter in primitiver Barbarei verlieren. Ein offener Umgang mit all dem Schrecken und dessen grausamen Folgen, bei denen Opfer und Täter klar beim Namen genannt werden müssen.
Fazit
Ein ehrlicher, aufrichtiger und unschätzbar wichtiger Film, der sich im Rahmen seiner Mittel maximal bemüht, ein realistisches Bild dieser noch sehr verletzlichen und in Schockstarre verfallenen Zeit zu kreieren. Dabei den Finger tief in die Wunde legt, ohne in unreflektierte, reaktionäre Verhaltensmuster zu verfallen. Ein krasser Kontrast zu einer Filmlandschaft, die sich kurz zuvor entweder durch stoisches Ignorieren oder reine Propaganda (auf beiden Seiten) überwiegend versuchte aus der Affäre zu ziehen.
Autor: Jacko Kunze