Inhalt
Erschütterndes Drama über eine Maori-Familie im Elendsviertel einer neuseeländischen Großstadt. Lee Tamahori erzählt die Geschichte von Beth, die trotz ihrer Stärke nicht verhindern kann, dass ihre Familie durch die Arbeitslosigkeit und den Alkoholismus ihres gewalttätigen Ehemannes nach und nach zerbricht.
Kritik
Hand aufs Herz: Wer kann spontan bis auf Peter Jackson (Der Herr der Ringe: Die Gefährten) wirklich viel über Filmexporte aus Neuseeland berichten? Ab und zu landet mal bei uns ein kleiner Exot (letztes Jahr der Grusel-Jux Housebound), sonst kann der durchschnittliche Mitteleuropäer wohl nur wenige Filme aus dem Land der Kiwis aus dem Stehgreif aufzählen. Immer noch einer der erfolgreichsten und über die Landesgrenzen populärsten ist Die letzte Kriegerin. Für Regisseur Lee Tamahori (Auf Messers Schneide – Rivalen am Abgrund) wurde sein erster Kinofilm zur Direktdurchreiche nach Hollywood, erst dieses Jahr kehrte er mit Mahana – Ein Maori-Saga (beruflich) in seine Heimat und auch thematisch grob zu seinen Wurzeln zurück. Denn auch sein hier vorliegendes Leinwanddebüt ist eine Art Maori-Saga…oder eher eine bittere Bestandsaufnahme über den „zivilisierten“ Teil der ersten Siedler des Landes.
Trügerisch beginnt der Film mit dem traumhaften Bild unberührter Natur, bevor es sich als fast hämisch positionierte Plakatwand herausstellt. Wie ein Relikt prangernd über der wahren Wildnis aus Beton und Graffiti, auf dessen nahgelegener Schnellstraße alles ab der kleinsten Mittelschicht aufwärts nur im Eiltempo vorbeirast, wahrscheinlich selbst bei voller Fahrt nur ungern das Fenster offen stehen lassen würde. Hier hausen sie, die nicht mal notdürftig sozialisierten Nachkommen der Maori. Ghettoisiert und sich selbst überlassen. Es sind keine Reservate im klassischen Sinne, praktisch ist der Zustand eigentlich viel schlimmer. Einer geregelten Arbeit gehen hier nur die Wenigsten nach und wenn sind es Jobs, für die das tägliche Aufstehen rational kaum lohnt. Nur ein gewisser moralischer Anspruch kann dazu motivieren. Das logischste Ziel für die Jugend: Ausharren, bis man alt genug ist für Arbeitslosengeld (tatsächlich schon früh im Film ohne Ironie so formuliert). Diese Zustände sorgen unwillkürlich für eine Abwärtsspirale, selbsterfüllende Prophezeiung: Du bist nichts, du wirst nie etwas werden, also finde dich damit ab und ersaufe dein Elend, bevor es dich kaputt machen kann.
Zwangsläufig wird in solchen unfreiwilligen Subkulturen Stärke dadurch definiert, möglichst hart auszuteilen oder noch mehr einzustecken, ohne zu wimmern. Das Austeilen übernimmt hier in der Regel das starke Geschlecht, während die Frau mühselig versucht das Rudel durchzubringen. Sie hat die Schnauze zu halten und die Beine breit zu machen, sonst hängt ganz schnell der Haussegen und die eigene Visage schief („Einer Frau bleibt nur nichts anderes übrig! Du wirst es eines Tages verstehen.“). Tapfer da erprobt in der Kunst auch die andere Wange hinzuhalten ist Beth (Rena Owen; Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith), die von ihrem aufbrausenden und stetig brodelnden Ehemann Jake (Temuera Morrison; Hard Target 2) bei zu deftigen Widerworten ohne falsche Rücksichtnahme aufs Brutalste verdroschen wird, während die verängstigte und von ihm auch nur maximal geduldete Kinderschar am nächsten Morgen den Scherbenhaufen des letzten Saufgelages artig aufräumt. Alltag. Denn von nichts kommt bekanntlich nichts, nur ist dieses Nichts nicht komplett selbstverschuldet. Ein Teufelskreis befeuert durch Frustration, Armut und Perspektivlosigkeit, der wiederum der stumpfen Gewalt, Tristesse und Selbstaufgabe- bis Zerstörung idealen Nährboden liefert.
Mit drastischer, ungeschminkter Dringlichkeit schildert Lee Tamahori die scheinbar nicht zu stoppende Abwärtsspirale von (es lässt sich kaum anders betiteln und soll nicht despektierlich klingen) „Unterschichtenproblematik“, die unmissverständlich und logisch auch ein wütender Hinweis auf die sozialen und interkulturellen Missstände seiner Heimat sind. Die Überreste von Stammestraditionen sind im Ghetto nur noch Sauflieder, brutales Gockelgehabe und Gangaktivitäten, während die Werte und Geschichte dahinter keiner mehr kennt. Wer sind hier die wahren „Wilden“? Speziell von der weiblichen Belegschaft um Rena Owen aufopferungsvoll und erschütternd authentisch gespielt ist es praktisch unmöglich, dass einen Die letzte Kriegerin (Once Were Warriors ist der eindeutig bessere Titel!) nicht an entscheidenden Punkten enorm mitnimmt, knüppelhart in Gesicht, Magen und Bewusstsein schlägt, obwohl Lee Tamahori sicher nicht der subtilste und eleganteste Feinmechaniker ist. Manchmal an der Grenze zum Elendstourismus und gerne mit dem dramaturgischen Holzhammer prügelt er ähnlich fest drauf los wie sein (von den Maori als undifferenziert-kritisch wahrgenommenes) Bild des wütenden, frauenverachtenden Mannes mit Schaum vorm Mund und nicht vorhandener Empathie im Schritt. Ganz entkräften lässt sich diese arge Schwarz-Weiß-Zeichnung sicher nicht, unabhängig davon hinterlässt der Film mit einem unangenehmen Gefühl, dass sicher die Realität mehr widerspiegelt als sie zu überzeichnen. Obwohl ihm ein klein Wenig mehr Geschick in Darbietung und Narration unbestreitbar besser zu Gesicht gestanden hätte, ohne zu verwässern.
Fazit
Wuchtig, radikal und dadurch bedingt auch etwas zu ungestüm rammt "Die letzte Kriegerin" soziale Missstände in die Wahrnehmung des Publikums, anstatt sie chirurgisch offenzulegen. Sein Ziel erreicht er damit aber allemal. Die Erschütterung ist jederzeit spürbar und erreicht mitunter den roten Bereich. Heftig, sehr effizient, wenn auch nicht meisterlich in der Form.
Autor: Jacko Kunze