5.2

MB-Kritik

Die Barbaren 1987

Action, Adventure, Fantasy – USA, Italy

5.2

Peter Paul
David Paul
Richard Lynch
Eva LaRue
Virginia Bryant
Sheeba Alahani
Michael Berryman
Franco Pistoni
Raffaella Baracchi
Pasquale Bellazecca
Luigi Bellazecca
Wilma Marzilli
Paolo Risi
Giovanni Cianfriglia
Angelo Ragusa
Nanni Bernini

Inhalt

Die Ragnicks, ein Künstler- und Artistenvolk, leben glücklich unter ihrer Königin Canary. Ein magischer Rubin garantiert ihnen immer währende Lebensfreude. Doch plötzlich greift der Tyrann Kadar die Ragnicks an, um den Rubin in seinen Besitz zu bringen. Er verschleppt Canary und die Zwillingsbrüder Gore und Kutchek in seine Stadt. Schließlich gelingt den Zwillingen nach Jahren die Flucht. Zusammen mit der mutigen Ismena machen sie sich auf die Suche nach dem magischen Rubin.

Kritik

Ohne die „Bad-News-Jews“ Menahem Golan & Yoram Globus und ihrem legendären Und-ab-dafür-Studio CANNON (u.a. Ninja, die Killer-Maschine, Feuerwalze, Death Wish 3 – Der Rächer von New York oder Over the Top) wären die 80er doch furchtbar langweilig gewesen. Nostalgisch zurückblickend zumindest gefühlt. Nicht jedes ihrer Krawall-erprobten B-Movies macht heute noch Spaß (einige auch damals schon nicht), nicht immer konnten sie aus Scheiße Gold oder eher schön blinkendes Blech machen, einiges ist tatsächlich unerträglich oder sogar geschmacklos-menschenverachtender Müll (Delta Force). Aber es gibt auch diese Dinger, die kannst du gar nicht genug hochleben lassen, obwohl sie natürlich objektiv betrachtet wenig mit einem guten Film im eigentlichen Sinn der Bezeichnung zu tun haben. Und womöglich ist Die Barbaren ihr ungekrönter, wildwüchsiger König.

Man könnte annehmen, dass der Erfolg der beiden Conan-Filme als Hauptmotivation diente, aber noch wahrscheinlicher ist wohl, dass Golan & Globus sich beim Anblick der Zaubertrank-Kessel-Geburten David & Peter Paul (Double Trouble – Warte, bis mein Bruder kommt) unsterblich in dieses doppelte Wunder der (*ähm*) „Natur“ verliebten und gar nicht anders konnten, als sie zur nächsten Attraktion ihres filmischen Rummelplatzes zu machen. Und was wäre bei den Anabolika-Twins mit der Neandertaler-Frise naheliegender, als ihren damaligen Künstlernamen The Barbarian Brothers direkt zum Thema des Films zu machen? Also, auf in das wilde Zeitalter von roher Gewalt, Hexerei und starken Männern mit eingeölten Muckis, in dem einst zwei Brüder in die Hände des bösen Fürsten Kadar (B-Movie-Fresse Richard Lynch, Jagdzeit, sieht hier mehr denn je aus wie eine Karnevals-Version von David Bowie) fielen und getrennt voneinander im Steinbruch zu muskelbepackten Fleischhügeln heran gepeitscht wurden, um sich im Idealfall später gegenseitig in Stücke zu reißen.

Hat leider nicht funktioniert, denn gegen alle Erwartungen erkennen sich A-Hüne & B-Hüne wohl wegen der geringfügigen Familienähnlichkeit noch rechtzeitig wieder, flüchten aus der Gefangenschaft von Fürst Bowie dem Falschen, seiner Bösen Hexe mit der Donut-Frisur und dem Kerkermeister (Horrorfilm-Halb-Ikone Michael Berryman, Hügel der blutigen Augen) und machen sich gemeinsam mit dem zwangsweise mitgeschleppten Weibchen Ismene (Eva LaRue, Lakeview Terrace) auf die Suche nach einem magischen Rubin, der die Tyrannei des Despoten Kadar beenden soll. Davor stehen aber unzählige Hindernisse: Wie kommt man an Waffen, wie tötet man einen Drachen und ganz besonders, warum wäre man ohne die Frau im Trio schon bei der kleinsten „Denksportaufgabe“ (der Begriff ist hier schon sehr gedehnt) hoffnungslos verloren, behandelt sie trotzdem wie Dreck und wieso läuft sie ihnen treudoof weiter im Testosteron-Windschatten hinterher, während die sich offenbar gar nicht klar sind, dass sie trotz einer Alibi-Begattungsszene im Privat-Harem doch eigentlich nur scharf auf andere, stahlharte Mannsbilder wie ihresgleichen sind?

Speziell in den 80ern gab es eine etwas sonderbare, nennen wir es mal „Modeerscheinung“, bei der man sich nie so recht sicher sein konnte, ob dem (wenn subversive) Absicht, eine etwas zu offensichtliche, aber durchaus so implizierte Eigendynamik oder wirklich nur kurioser Zufall zu Grunde lag. Nighmare II – Die Rache gilt bis heute als einer der „schwulsten“ Horrorfilme, da er eindeutig-zweideutige Impressionen und Motive verwendet, bei denen man durchaus von Absicht sprechen darf. Bei Hitcher, der Highway Killer ist es weniger klar und wirklich eher spekulative Auslegungssache, trotzdem ist diese Diskussion nie ganz verstummt. Und von Phantom-Kommando brauchen wir gar nicht erst anfangen, da ist Leugnen zwecklos. Ebenso bei Die Barbaren. Was der hier mit einer unverblümten Direktheit abzieht und sich dabei wohl (eigentlich gar nicht) klammheimlich ins Fäustchen lacht, ist eine wahre Freude.

Nachdem die beiden rasierten Nackt-Gorillas im Ledertanga anfangen zu sprechen bleibt eh kein Auge trocken, obwohl der Film schon vorher als inoffizielle Weltmeisterschaft im Grimassenschneiden punktet, die Michael Berryman trotz starker Konkurrenz mit uneinholbarem Vorsprung nach Hause in die Hügel holt, herzlichen Glückwunsch. Alles schon tolle Appetizer, aber richtig stramm wird die Sause erst, als die zum Abschlecken knackigen Muscel-Brothers auf die äußerst hübsche, recht smarte und offenbar dem Paarungsakt aufgeschlossene Ismene treffen und sie wie Gammelfleisch links liegen lassen, zwischenzeitlich sogar gegen Ramsch eintauschen wollen und selbst als sie ihnen mehrfach aus der Patsche hilft, die Pferde holt oder eigentlich durchgehend alles macht, wofür die Beiden offenkundig (manchmal) zu faul und (unbestreitbar immer) zu doof sind. Lieber lassen sie uns teilhaben an ihren Passionen („Armdrücken ist mein Leben!“), verblüffen mit rhetorischem Eisbrecher-Geschick („Hey Kumpel, nicht schlecht das Auge“), lassen mit ihren röhrenden Brunftschreien jeden Strang bersten oder Giftschlangen verschreckt das Weite suchen und machen auch mal miteinander rum, wenn es die Situation erfordert…oder die Geilheit nicht mehr durch reinen Selbstbetrug zu unterdrücken ist.

Wahnsinn, was hier abgeht. Die Barbaren ist ein einziges Fest des schlechten Geschmacks, dem man aber kaum unterstellen kann, er wüsste nicht sehr genau, was er hier eigentlich veranstaltet. Das unzumutbare „Schauspiel“ der in Baby-Öl gewälzten Paul-Gebrüder ist so debil das sich schon von kalkulierter Satire sprechen lässt, so clever sind und waren Golan & Globus natürlich. Ob das auch auf ihre grunzenden Haustiere zutrifft, darf stark bezweifelt werden. Ausgerechnet der einst durch (immer noch) skandalträchtige, höchst kontroverse Schocker wie den Mondo-Meilenstein Nackt und zerfleischt oder den ultra-zynischen Home-Invasion-Reißer Der Schlitzer bekannt gewordene Regisseur Ruggero Deodato wird zum Zirkus-Direktor für hochgradig albernen Unfug degradiert, bei dem zwei latent homosexuelle, auch dem Inzest wohl nicht abgeneigte und nah an einer geistigen Behinderung grenzenden Steroid-Junkies sich mit magischen Waffen aus dem Kinder-Fasching-Fundus rüsten, um zunächst in einen lächerlich-beschissenen Drachen einzudringen, bevor sie jeglichen Zweifel an der „Intention“ des Films mit seiner besten Dialogzeile pulverisieren: „Wir dringen von der Seite (in das Haus) ein, von der er es am wenigsten erwartet. Wir überraschen Kadar von hinten.“  Viel Erfolg. Love is in the Air.

Fazit

Das ist schon kein Trash-Film mehr, das ist eine Naturgewalt. „Die Barbaren“ überschreitet und kreuzt immer wieder die Grenzen von blankem, vogelwildem Irrsinn und beinah schon cleverer Parodie das sich kaum ausmachen lässt, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Kunst. Irgendwie. Da wackelt der Dark Room.

Autor: Jacko Kunze
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