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Inhalt

Auf der Suche nach seiner Jugend kommt der Komponist Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde) nach Venedig. Von Aschenbach ist deprimiert, die Faszination dieser Stadt bleibt ihm verschlossen. Und die Erinnerungen an seine Jugend bringen keine Befreiung, sondern lassen seine Verzweiflung noch größer werden. Plötzlich kommt es zu einer Begegnung, die sein Leben verändert. Eine Begegnung, die den sehnlichen Wunsch in ihm hervorruft, wieder jung zu sein. Er trifft Tadzio (Björn Andrésen), einen blonden Jüngling. Doch als sein Leben anfängt, beginnt in Venedig das Sterben.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Ein am Firmament erwachender Sonnenaufgang hat sichtlich Mühe damit, sich gegen die dichte Wolkendecke zu erwehren, um den Dampfer, getauft auf den Namen Esmeralda, der Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde, Die Brücke von Arnheim) nach Venedig bringen wird, ins rechte Licht zu setzen. Irgendwann offenbart sie sich dann auch am Horizont, die oftmals mythologisierte Lagunenstadt, umflort vom engen Nebel und losgelöst von jenem Liebreiz, den Dichter und Denker der Perle der Adria zuhauf zugesprochen haben. Bereits diese Eröffnung, kongenial untermalt vom Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie, verweist auf die Leitmotive, mit denen sich Luchino Visconti (Rocco und seine Brüder) im Mittelstück seiner Deutschen Trilogie (neben Die Verdammten und Ludwig II) auseinandersetzen wird: Die Schönheit und dessen oftmalige Unerreichbarkeit.

Die von Thomas Mann im Jahre 1913 publizierte Novelle Tod in Venedig zählt zu den bedeutsamsten Werken der Literaturgeschichte und versteht sich gleichwohl als Aushängeschild der sogenannten Fin de Siècle, einer künstlerische Bewegung, deren diskursiver Gegenstand der kulturelle Verfall war. Und 'Verfall' ist das Stichwort, wenn man die Intention von Thomas Mann als auch Luchino Visconti durchdringen möchte. Gustav von Aschenbach, ein in Jahre gekommener, müde erscheinender Dirigent, unterliegt der festen Überzeugung, dass die Kunst den reinsten Quell der Bildung darstellt – und Schönheit eine Frage der geistigen Ästhetik darstellt. Aschenbach vertritt die Haltung, dass das Schöne, das Sinnliche, das Begehrenswerte keiner natürlichen Herkunft unterliegt, sondern in den Köpfen jener Menschen geformt werden muss, die sich in der Verfassung dazu sehen. 

Allein dieser Standpunkt verdeutlicht überaus akkurat, mit welcher Art Mensch wir es bei Aschenbach zu tun bekommen: Einem Menschen, der Zeit seines Lebens vergessen hat, jenes zu genießen. Mit dem Tode seiner kleiner Tochter im Rücken und einigen Misserfolgen als Künstler, soll Aschenbach in Venedig zu neuer Kraft finden, gilt die Stadt der Kanäle, Gondeln und Brücken doch als Fundgrube verlorengeglaubter Inspiration. Augenfällig an Tod in Venedig jedoch ist, mit welcher Eindrücklichkeit Luchino Visconti dem titelgebenden Hauptaustragungsort jeden Anflug an Anmut raubt, eben aus dem Grund, weil wir als Zuschauer zusehends in die Perspektive des Hauptdarstellers gerückt werden. Venedig stellt sich für ihn als reizloses Unterfangen heraus; eben als Touristenmetropole, die ihrem eigenen Untergang geweiht ist (gerade unter dem schwergewichtigen, auch metaphorischen Blickwinkel, dass Venedig im 20. Jahrhundert über 20 Zentimeter gesunken ist).

Mit der Begegnung des blondgelockten Jünglings Tadzio (Björn Andrésen, Eine schwedische Liebesgeschichte) wandelt sich Aschenbachs Sicht auf die Dinge. Venedig bleibt weiterhin ohne Anziehungskraft, aber Tadzio erscheint ihm als das, was er nie wahrhaben wollte: Eine Manifestation natürlicher Erhabenheit. Man könnte, angesichts dieser Figurenkonstellation, nun natürlich Rückschlüsse auf Luchino Viscontis persönliche Vorliebe für deutlich jüngere Knaben anstellen, würde damit aber dem Grundgedanken der Vorlage sowie der Adaption Unrecht tun. Anstatt ein Erwachen pädophiler Neigungen zu hofieren, dient Tadzio der Selbstreflexion Aschenbachs, der sich im Angesicht des juvenilen Ebenmaß mit seiner Weltanschauung tiefgreifend auseinandersetzt. Ohnehin kommt es nie zu Körperlichkeiten, ist die Beziehung zwischen Aschenbach und Tadzio rein metaphyischer Natur und erlaubt es sich höchstens einmal, den ein oder anderen Blick untereinander auszutauschen.

Luchino Visconti erzählt Tod in Venedig als die Geschichte eines Mannes, der sich fortwährend in die Kunst geflüchtet hat und dabei vollkommen vergaß, Teil der Realität zu werden. Ihm gelang es nie, Denken und Fühlen in einen Einklang zu bringen, was ihn zum Gefangenen der Standglases verdammt, welches Visconti noch als deutlichstes Symbol der Vergänglichkeit innerhalb seiner meisterhaften Inszenierung nutzt: Zu Anfang nämlich scheint es so, als würde der Sand niemals verrinnen, doch fällt das letzte Korn, verflog die Zeit derart schnell, dass einem in Wahrheit nie die Zeit geblieben ist, sein Dasein zu überdenken – eben, weil man sie sich nie genommen hat. In der für Luchino Visconti charakteristischen Kontemplation entfaltet sich Tod in Venedig in vor Kunstfertigkeit pulsierenden Bild- und Tonkompositionen als Meditation über die Wirklichkeit und den Menschen, der es sich unmöglich gemacht hat, an dieser teilzunehmen.

Fazit

Wie sollte es anders sein: Luchino Visconti hat mit seiner Thomas-Mann-Adaption ein Meisterwerk des intellektuellen Kinos geschaffen. Als tiefgreifende, herausragend inszenierte und fortwährend kontemplativ erzählte Meditation über das Leben und der Unmöglichkeit, an diesem teilzuhaben, fesselt und faszinierend "Tod in Venedig" erneut auf ganzer Linie.

Kritik: Pascal Reis

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