Inhalt
Der sizilianische Volksheld Salvatore Giuliano kämpft einen blutigen Befreiungsfeldzug gegen Polizei, Mafia, Kirche und Adel. Er befreit Verbrecher aus dem Gefängnis und beraubt Gutsbesitzer, um das Geld den Bauern zu schenken. Sein Ziel ist die Unabhängigkeit Siziliens. Schon bald wird er vom Volk als italienischer "Robin Hood" gefeiert. Die Polizei ist machtlos und die Staatsmacht findet gegen Giuliano keine Handhabe. Aber dennoch ist er nicht außer Gefahr - seine Feinde lauern überall und warten nur auf einen kleinen Fehler, um ihn vom Thron zu stoßen...
Kritik
1969 erschuf Mario Puzo mit seinem Roman Der Pate einen Welterfolg, den er drei Jahre später gemeinsam mit Francis Ford Coppola (Apocalypse Now) zu einem der größten Filme in der Kinogeschichte umsetzte. Keines seiner Folgewerke konnte an diesen fulminanten Triumph anknüpfen, das wäre auch vermessen. Was die Qualität seines 1984 veröffentlichten Der Sizilianer nicht unter Wert verkaufen darf. Puzo gelang erneut eine fesselnde Geschichte um das Zusammenwirken von organisiertem Verbrechen und Politik; um Freundschaft, Familie, Verrat und einen Mann, der in eine Rolle hineinwachsen muss, die er sich nicht ausgesucht hat. Diesmal nur vollständig angesiedelt in der alten Heimat, mit größerem gesellschaftshistorischen Hintergrund. Während der Roman größtenteils mit guten Kritiken bedacht wurde, musste die filmische Adaption von Michael Cimino (Die durch die Hölle gehen) mit weitaus heftigerem Gegenwind zurechtkommen. Mal nicht wegen fehlinterpretierter, moralischer Anstößigkeiten, vielmehr wurde die Umsetzung per se angeprangert. Und gänzlich davon freisprechen kann man Der Sizilianer leider nicht, obwohl er sie zwischenzeitlich fast vergessen lässt.
Es soll nicht als post mortem Lobhudelei verstanden werden, es ist nun mal eine nicht zu verleugnende Tatsache: Michael Cimino hatte es nach dem Karriere-killenden Debakel um Heaven's Gate – Das Tor zum Himmel nicht leicht. Im Jahr des Drachen brachte ihm teilweise verspielten Kredit wieder zurück, obwohl dem Film nie flächendeckend das angebrachte Lob zuteilwurde. Der Sizilianer war der letzte Versuch von Cimino, sein episches, klassisch-großes Erzählkino mit dem Hang zur extravaganten Dekadenz (die ihm einst das Genick brach) wieder dem Publikum und den Kritikern schmackhaft zu machen. Nach dem erneut ernüchternden Feedback ließ er es bleiben, es folgten nur noch zwei Kinofilme mit sichtbar zurückgenommenen Ambitionen. Dieses letzte Aufbäumen macht definitiv auch nicht alles richtig, was fatalerweise bei der Besetzung der so wichtigen Hauptfigur beginnt. Christopher Lambert (Highlander – Es kann nur Einen geben) entspricht schon optisch und generell vom Typ nicht im Geringsten der in der literarischen Vorlage beschriebenen Figur (das wäre sogar noch zu verschmerzen), er stößt darstellerisch deutlich an seine imitierten Fähigkeiten.
Lambert besitzt zweifellos eine einprägsame, immer wiederzuerkennende „Charakterfresse“, sein Talent ist in der Feinarbeit ebenso unzweifelhaft begrenzt. Trotz seiner Bemühungen ist er schlicht und einfach fehlbesetzt und nicht in der Lage, die Rolle mit entsprechender Tiefe auszufüllen. Ebenso fragwürdig (wenn auch aufgrund ihrer nicht so großen Relevanz nur eine Randnotiz) ist Barbara Sukowa (Homo Faber), die als amerikanisches Adels-Luder fast wie eine Karikatur wirkt. Im Gegenzug trumpfen Nebendarsteller wie John Turturro (Barton Fink), Joss Ackland (Lethal Weapon 2 – Brennpunkt L.A.) oder Terence Stamp (The Limey) groß auf. So pendelt sich die darstellerische Waage halbwegs im Gleichgewicht aus. Was die grundsätzliche, fachkundige Inszenierung angeht, machte Cimino eh kaum jemand etwas vor. Manche Szenen strotzen nur so von Kraft, Vitalität und großem Momentum, vollgestopft mit dieser Extra-Large-Cimino-Power, die den unbändigen Ehrgeiz des Regisseurs und seinen Antrieb zum Größtmöglichen eindrucksvoll zum Vorschein bringen. Alles getragen von Mario Puzo's spannender Grundlage, der der Film nicht immer, aber oft genug relativ gerecht wird.
Für Kenner des Buches dürfte es eine mindestens mittelschwere Enttäuschung darstellen, dass es nicht zum Leinwand-Meeting vom „Sizilianer“ Salvatore Giuliano und dem anstrebenden „Godfather“ Michael Corleone kommt, wie es der Roman mit seiner zeitlichen und inhaltlichen Überschneidung der beiden Geschichten beinhaltete. Neben dem offensichtlichen Problem einer nicht möglichen Besetzung von Al Pacino (Heat; zu der Zeit nicht im Filmbusiness aktiv, zu alt für den hier beschriebenen Part und selbst wenn einfach zu teuer und aufwändig für diese Nebenrolle), lagen die Hauptgründe der nur lapidaren Umschiffung dieses Baustücks (es wird nur von „der Familie aus New York“ gesprochen) eher im rechtlichen Raum. Paramount besaß die Rechte an Der Pate, versuchte Francis Ford Coppola schon seit einer Ewigkeit zu einem dritten Teil zu bewegen, zu dem er sich drei Jahre später letztlich gezwungen sah. Es wäre einfach nicht oder nur unter sehr schwierigen Bedingungen realisierbar gewesen, das sollte akzeptiert werden.
Mit verständlichen Beschneidungen diverser Details bewegt sich der Film nah am Geschehen des Buches und entwirft ein ähnlich interessantes Konstrukt aus Historien-, Politik-, Helden- und Gangstergeschichte. Das politisch-gesellschaftliche Konfliktpotenzial einer seit Jahrzehnten gespaltenen Zwei – bis Dreiklassengesellschaft in Italien. Ein unentschlossener, wackeliger Prozess zwischen abflachendem Faschismus, (wieder)aufkeimendem-revolutionärem Kommunismus und der geschmierten Politik der angeblichen Mitte, in der die Mafia, die höheren Zehntausend und natürlich die über allem stehende Kirche gemeinsam an einem Strang ziehen. Viel Stoff - fast zu viel für 140 Minuten Film - die trotz eines gemäßigten Tempos sehr schnell vergehen, dabei eine nicht immer schlüssige Charakterentwicklung im Eiltempo vorskippt. Wohl ebenfalls den Umständen geschuldet, einem Cimino würde niemand wieder 3 oder noch mehr Stunden Zeit geben, um sich voll austoben zu dürfen. Wer weiß, wie der Film ohne die persönliche Vorgeschichte geworden wäre. Vielleicht eine ganz große Nummer. So ist es ein fehlerhafter, gehemmter und manchmal unglücklich gelöster, im Ansatz aber trotzdem noch großer Film. Mal fast romantisch verklärter Edel-Kitsch, mal nah an einem heftigen, intelligenten und hintergründigem Epos.
Fazit
Erzählerisch zwischen grandioser Klasse und Platin-Soap, mit großen Bildern und schwammig skizzierten Figuren. "Der Sizilianer" ist ein Grenzgänger, der einen mitnimmt, beeindruckt und immer mal wieder ernüchtert. Missen möchte man ihn aber nicht. Vielleicht abändern. Aber sicher hätte das Cimino auch, wenn er denn gedurft hätte…
Autor: Jacko Kunze