Inhalt
Italien in den frühen Siebzigern. Es sind raue Zeiten und raue Zeitgenossen treiben ihr Unwesen auf den Straßen Roms. Ein italienischer Polizeikommissar kämpft gegen eine Gruppe von "falschen" Polizisten, die im Stil faschistischer Femegerichte Exekutionen an freigelassenen Übeltätern durchführt. Zu spät merkt er, dass auch seine Vorgesetzten und führende Politiker Teil der geheimen Organisation sind. Sein undankbarer Job ist es, einerseits dem Treiben der Verbrecher ein Ende zu setzen, andrerseits die Geheimorganisation zu entlarven.
Kritik
Mario Bertone (Famos: Enrico Maria Salerno, Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe), seines Zeichens Hauptkommissar des römischen Morddezernats, sind die Hände gebunden: Geht er gegen die kriminellen Machenschaften in der italienischen Hauptstadt vor, wird ihm unverhältnismäßige Polizeigewalt vorgeworfen. Lässt er sich auf eine weniger brachiale Gangart ein, um Missetäter zu überführen und Dingfest zu machen, zieht er den Unmut des Volkes auf sich. Die Gemüter scheinen hier derart heiß gelaufen zu sein, dass sie kurz davor sind, zu kollabieren. Und genau davor fürchtet sich Bertone: Vor einer gesellschaftlichen Ohnmacht, die noch mehr Verbrechen an die urbane Oberfläche spülen wird – als wäre Rom nicht bereits zu einem delinquenten Schmerztiegel verkommen. In genau dieses aufgeheizte Geprägte setzt sich Stefano „Steno“ Vanzina (Plattfuß in Afrika) mit Das Syndikat, der Blaupause des Poliziottesco; dem Urvater des italienischen Polizeifilms.
Herausgekommen ist dabei ein Film, der sich zwar bisweilen thesenhaft gebiert, sein politisches Potenzial aber ungemein fesselnd über die Mechanismen des Spannungskinos entfacht und dabei vor allem aufzeigt, wie es um eine Sozial- und Gesellschaftsstruktur steht, wenn sie das Vertrauen in den Polizeiapparat sowie die Justiz- und die Politorgane verliert. Was bleibt, sind die Massenmedien, die selbstverständlich entscheidenden Einfluss darüber genießen, das Temperament des Volkskörpers aufzuhetzen und abzukühlen. Kristallisationspunkt von Das Syndikat ist ein Überfall des Ganoven Michele Settecamini (Jürgen Drews, Malastrana) auf einen Juwelier, bei dem eine Frau ums Leben gekommen ist, aber kein Raubgut erbeutet wurde. Die Stellschrauben des Wahrnehmungsraumes der Allgemeinheit verweisen auf die Todesstrafe für den Flüchtenden, Kommissar Bertone aber sieht in Michele nur einen willigen Vollstrecker, der auf ein viel größeres Übel verweisen könnte.
Erst einmal ist es hochgradig irritierend, Jürgen Drews in der Rolle eines zwischen Niedertracht und Hilflosigkeit oszillierenden Straftäter überzeugen zu sehen. Genau der Jürgen Drews, der sich als (offensichtlich) ewig junggebliebener König von Mallorca im deutschen Schlagersektor einen renommierten Namen gemacht hat. Seine Performance überzeugt vor allem durch ihre Unterschwelligkeit; dieser junge Mann kann doch nicht der maßgebende Faktor sein, um der Kriminalitätsrate Roms Einhalt zu gewähren. Wenn Drews dann aber eine Frau mit sardonischem Grinsen auf den Lippen drangsaliert, demütigt und ihr ohne Vorbehalte eine saftige Backpfeife verpasst, dann zeigt Das Syndikat auf, dass die Verrohung dieser Tage längst schon in den Reihen der Mitläufer, Wendehälse und Gehilfen angekommen ist. Michele ist eine Art Symbolfigur, die den Grat der Entmenschlichung aufzeigt. Er ist das Produkt einer jeden Glauben aufgebenden Gesellschaft.
Was Das Syndikat den noch folgenden Poliziotteschi (vornehmlich mit dem ikonengleichen Franco Nero besetzt) voraus hat, ist Vanzinas mit Vorbedacht arrangierte Inszenierung: Hier entfesselt sich kein wüster Exploiter, sondern ein politisch-aufgeladener, von konspirativen Umtrieben verschalter Großstadtthriller, der die verstrebten Machtarchitekturen von der Unterwelt bis in die oberste Regierungsinstanz abtastet und sich ob all der (zwischen-)menschliche Entartung frustriert, aber niemals resignativ präsentiert. Irgendjemand wird sich dem düsteren Treiben in den Weg stellen, egal, welcher Preis dafür gezahlt werden muss. Und sicherlich ist auch dies ein wegweisendes Element in Das Syndikat: Die Protagonisten sind keine virilen Helden, sondern bemühen sich dort um Schadensbegrenzung, wo noch ein Funke Zuversicht bestehen könnte. Das System ist schlecht, nicht der Mensch. Es bleibt zu hoffen, dass diese Haltung der Wahrheit entspricht. Wenigstens etwas.
Fazit
Die Blaupause des italienischen Polizeifilms beweist sich als politischer Großstadtthriller, der beunruhigt auf die stetig wachsende Kriminalität innerhalb der italienischen Hauptstadt blickt, dieser aber nicht resigniert entgegentritt, sondern aufzeigt: Es wird immer jemanden geben, der nicht korrumpierbar ist. Auch wenn dieser jemand einen hohen Preis dafür bezahlen muss.
Autor: Pascal Reis