Inhalt
Der lange Kampf gegen Serienkiller hat den Profiler Takakura ausgebrannt. Mit Frau und Hund zieht er sich in eine ruhige Gegend zurück, wo er nun als Dozent der Kriminalpsychologie arbeitet. Während er sich auf Bitten eines Ex-Kollegen nochmal den alten Fall einer verschwundenen Familie vornimmt, versucht seine Frau Yasuko mit ihrem Nachbarn Nishino warm zu werden. Doch mit dem scheint etwas nicht zu stimmen. Yasuko fühlt sich zunehmend irritiert von der zwischen Aggression und Schmeichelei pendelnden Art. Als ihr eines Tages Nishinos Tochter heimlich ins Ohr flüstert, der Mann wäre gar nicht ihr Vater, beginnt eine markerschütternde Horrorfarce ihren Lauf zu nehmen.
Kritik
“Creepy” mag zwar ein absolut generischer Titel sein, Cast und Crew des Films machen aber neugierig. Gerade Regietalent Kiyoshi Kurosawa, der sich mit Filmen wie "Pulse" und "Sühne" im Gruselkino bereits mehrfach beweisen konnte, sorgt für die nötige Vorfreude, die sich allein durch Titel und Inhalt des Films nicht eingestellt hätte. Denn auch inhaltlich klingt Creepy äußerst bekannt: Das glücklich wirkende Paar, welches in eine neue Behausung zieht und mit der Zeit feststellen muss, dass ihr Nachbar kein so netter Kerl ist, wie zunächst gedacht, inklusive eines Ex-Cops, der nur schwer mit seiner Vergangenheit klarkommt sowie alten Wunden, die durch einen neuen Fall wieder aufgerissen werden. Creepy ist inhaltlich weder ein frisches oder sonderlich experimentelles Filmerlebnis. Aber Cast und Crew machen hier nicht umsonst neugierig: Denn allen Beteiligten gelingt es durch inszenatorisches Gefühl sowie starkes Schauspiel diese altbekannte Geschichte absolut sehenswert zu formen.
Besonders hervorzuheben ist, dass Creepy trotz seiner 130 Minuten Laufzeit nur selten langweilig wird. Kurosawa beweist ein äußerst gutes Gespür das Pacing seines Films zu nutzen und kleine Höhepunkte immer genau an den Stellen einzusetzen, an denen der Film droht sich in Ödnis zu verlieren. Auch der extrem düsteren und unheilvollen Atmosphäre des Films ist es geschuldet, dass Creepy nur mit Hilfe von langen Dialogen oder unheimlichen Kamerafahrten bereits für Gänsehaut sorgen kann, erwartet der Zuschauer doch stets den nächsten großen Knall in der Geschichte. So avanciert die Laufzeit des Films, die so manchen Zuschauer zu Beginn vielleicht noch von Creepy abschrecken könnte, zu einem der größten Pluspunkt des Films, bewerkstelligt Kurosawa es doch meisterhaft diese Zeit auch wirklich zu nutzen und gerade die Charaktere dadurch rund und nachvollziehbar auszuarbeiten.
Dennoch sollte man mit Creepy, trotz des Titels, keinen Gruselfilm oder reinrassigen Psychothriller erwarten, vielmehr setzt Kurosawa hier auf eine interessante Kriminalgeschichte, die sich immer mehr mit den Schicksalen der Hauptfiguren verwebt. Parallelen zu David Fincher (“Gone Girl - Das perfekte Opfer”) sind da gar nicht weit hergeholt, behandelt Kurosawa seine Figuren doch mit einer ähnlichen Intensität und inszeniert seinen Film ähnlich düster und optisch ansprechend. Das hohe Niveau eines Finchers erreicht der Film im Endeffekt aber nicht, was vor allem daran liegt, dass Creepy sich narrativ hier und da etwas verrennt. Zwar schafft es der Film, wie angesprochen, über die volle Laufzeit zu unterhalten und seine Zeit gerade bei den Figuren weise zu nutzen, viele Subplots verlaufen im Endeffekt aber ein wenig ins Leere. So bleiben diese zwar spannend, nötig für den Ausgang der Geschichte sind sie aber nicht, was ein wenig am positvien Endbild des Films rüttelt.
Außerdem zerrt Creepy hier und da an der Glaubwürdigkeit der eigenen Geschichte. Gerade gerade im letzten Akt wirken daher einige Vorkommnisse und Entscheidungen leicht forciert, um zu einem bestimmten Ausgang der Story zu gelangen. So rhythmisch sich der Plot im Laufe der Zeit entwickelt, so sehr muss man am Ende dann doch zwei, drei Augen zudrücken, um dem Film seinen Ausgang abzunehmen. An einem äußerst interessanten und von Hidetoshi Nishijima ("Cut") und Teruyuki Kagawa ("Key of Life") äußerst gut gespielten Film ändert dies aber nichts, sodass Creepy jedem Fan des düsteren Krimikinos mit mysterischem Touch durchaus ans Herz gelegt sein soll.
Fazit
Zwar muss man bei Kyohshi Kurosawas Psychokrimi “Creepy” ab und an das erzählerische Auge zudrücken, insgesamt überzeugt der Film aber durch eine beklemmende Atmosphäre, starke darstellerische Leistungen sowie ein erstaunlich gutes Pacing innerhalb der 130 Minuten Laufzeit. Sonst bleibt Kurosawas “Creepy” in all seinen Zutaten unerwartet klassisch, groß experimentiert wird in der relativ bekannten Geschichte des Films nicht. Dass "Creepy" es seine gesamte Laufzeit hindurch dennoch schafft so problemlos zu unterhalten, weist auf das große Talent der Beteiligten hin, die hier keinen cineastischen Knaller, aber einen atmosphärisch unheimlich dichten Genrefilm auf die Leinwand gebracht haben.
Autor: Thomas Söcker