Inhalt
Ungarn, im 17. Jahrhundert: Nach einem Unfall findet Gräfin Elisabeth heraus, dass das Blut junger Frauen ihr ewige Jugend verleihen kann. Doch dieser Zustand ist nur von kurzer Dauer. So braucht sie ständig neue Opfer, um sich weiterhin für ihre eigene Tochter ausgeben zu können.
Kritik
1970 war es um die legendären britischen Hammer Studios schon längst nicht mehr gut bestellt. Das in diesem Jahr mit Wie schmeckt das Blut von Dracula und Dracula – Nächte des Entsetzens gleich zwei Dracula-Filme und mit Frankensteins Schrecken der bereits sechste Frankenstein-Film erschienen, war bezeichnend für die beinah verzweifelte Planlosigkeit, wie man das sich immer mehr abwindende Publikum wieder zurückgewinnen wollte. Ein Film mit dem Titel Countess Dracula klingt da wieder nur wie Dienst nach Vorschrift, doch so ganz stimmt zumindest das nicht. Für gewöhnlich wurden eher in der deutschen „Übersetzung“ Schlagwörter wie Dracula oder Frankenstein hinzugedichtet (siehe Draculas Hexenjagd alias Twins Of Evil), diesmal war allerdings der Originaltitel eine kleine Mogelpackung. Der bei uns als Comtesse des Grauens bekannte Film hat mit dem berühmten Blutsauger rein gar nichts zu tun, dafür mit einer realen Liebhaberin des roten Lebenssaftes, bei der sich über die Jahrhunderte allerdings historisch belegte Fakten und Legendenbildung zu einem nicht mehr lupenreinen Ganzen vermengt haben.
Die Rede ist von der sogenannten Blutgräfin Elisabeth Báthory (1560-1614), die (angeblich) unzählige junge Frauen brutal zu Tode foltern ließ und anschließend in deren Blut gebadet haben soll. Ob das alle so stimmt, sei mal dahingestellt, es reicht auf jeden Fall für eine interessante Grundlage und im Falle der Hammer Studios war dies wenigstens mal etwas frischer Wind in den alten Gemäuern. Die nicht ganz so gute Nachricht: Regie führte Peter Sasdy (Hände voller Blut), der bei Hammer immer nur dann zum Zuge kam, wenn die wirklich guten Leute keine Zeit oder Interesse hatten. Warum, dass sieht man leider auch hier. Comtesse des Grauens hat zwar eine ganz interessante, unverbrauchte Grundidee, mit Ingrid Pitt (James Bond 007 - Octopussy) eine wunderschöne Hauptdarstellerin und die immer wiederverwerteten Kulissen wie Requisiten, weswegen alle Hammer-Filme eines gewissen Zeitraums sich grundsätzlich sehr ähnlich sahen (in diesem speziellen Fall besonders die Karnstein-Trilogie und Circus der Vampire), wirkt jedoch sehr zweckmäßig inszeniert. Während Kollegen wie Terence Fisher (Der Hund von Baskerville), Freddie Francis (Haus des Grauens) oder ein Roy Ward Baker (Das Grüne Blut der Dämonen) mit den spärlichen Möglichkeiten des Studios mitunter kleine Genre-Klassiker- bis Meisterwerke auf die Beine stellten, blieben Sasdy’s Arbeiten stets mausgrau, unspektakulär und auf gewisse Art und Weise auch schlicht uninspiriert.
Der überwiegend am helllichten Tage anstand in vernebelten Nächten spielende Plot versprüht trotz des grundsätzlichen Gothic-Horror-Settings wenig Unheimliches und die an und für sich – im wahrsten Sinne des Wortes – blutrünstige Prämisse ist weitaus weniger drastisch oder radikal als zu erhoffen. Zwar fließt schon etwas mehr Blut als in den alten Klassikern des Studios und das hier und da gerne auch sekundäre Geschlechtsmerkmale offenherzig gezeigt werden, gehörte unlängst zur neuen Strategie. Gemessen an der grausamen Vorlage (real oder nicht) ist das aber alles immer noch viel zu harmlos. Die Geschichte bietet so viel interessante Facetten an, wirklich interessiert daran ist man offenkundig nicht. Niemand sollte von einem Hammer-Film besonders gut ausgearbeitete Drehbücher erwarten, dass waren immer schlichte Gruselgeschichten. Aber die Guten von ihnen verfügten über dieses gewisse Etwas. Eine einzigartige Atmosphäre, eine enthusiastische Inszenierung oder famose Darsteller wie Peter Cushing (Frankensteins Fluch), Christopher Lee (Blut für Dracula), Oliver Reed (Der Fluch von Siniestro) oder im Einzelfällen gar Oscargewinnerinnen wie Bette Davis (The Nanny) oder Joan Fontaine (The Witches). Im besten Falle sogar alles davon. Comtesse des Grauens ist maximal durchschnittliche Kost, die wenigstens eine erinnerungswürdige Prämisse beinhaltet und im Vergleich mit einigen anderen Hammer-Filmen der 70er noch im leicht gehobeneren Bereich einzuordnen ist. Aber die Messlatte lag schon ein bis zwei Etage tiefer beim hausinternen Qualitäts-Limbo.
Fazit
„Comtesse des Grauens“ zählt dank seiner kreativen Grundidee (im direkten Vergleich mit den endlosen Franchise-Serientätern) wenigstens zu den individuelleren Vertretern des dezent langweilig gewordenen Hammer-Katalogs, verfügt aber nicht mehr über die inszenatorische Finesse der frühen Glanzjahre und verfolgt mehr oder weniger krampfhaften Dienst nach Vorschrift. Schlecht ist das Ganze unterm Strich nicht, aber letztlich nur noch für echte Fans dieser insgesamt immer noch liebenswerten „Serie“ irgendwie empfehlenswert.
Autor: Jacko Kunze