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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Ausgehend von einer Begegnung auf einem Pariser Boulevard, versammelt der Film eine Hand voll Menschen und Geschichten, die lose miteinander verbunden sind. Aus scheinbar willkürlichen Fragmenten wird ein vielfach gebrochenes, distanziertes und zugleich hoch codiertes Gegenwartsbild montiert, in dem viele aktuelle Diskurse aufgegriffen werden, u.a. über Migration und Rassismus, das Verhältnis von Wahrheit und medialer Inszenierung, Zivilcourage und Schuld. Der ebenso dichte wie spannende Film erweist sich als Michael Hanekes neuerliches Lob des Fragmentarischen und als Einspruch gegen die beständige Tendenz des menschlichen Geistes zur Sinnstiftung.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Mit seiner kontroversen Gewalt-Studie Funny Games wurde der österreichische Filmemacher Michael Haneke schlagartig auch außerhalb der Arthaus-Blase bekannt, zog sich danach aber scheinbar gezielt wieder dorthin zurück. Drei Jahre dauerte es bis zu seinem Folgewerk Code unbekannt, mit dem er nicht nur seinen Filmheimat-Umzug nach Frankeich vollzug, sondern sich wieder einem deutlich kleineren Publikum zuwandte und von der eventuelle durch Funny Games neugewonnenen Zuschauerschaft wieder abwendete. Vielleicht auch, da Funny Games so exzellent funktionierte, dass er eben auch ein Publikum für sich gewann, dessen Sehgewohnheiten er eigentlich kritisierte und sarkastische entlarvte. Im Prinzip der größtmögliche Erfolg, aber eben auch der Punkt, an dem man nicht Gefahr laufen durfte, selbst ein Teil der kritisierten Maschinerie zu werden. Aber dafür war der gebürtige Münchener immer schon klug und reflektiert genug. Code unbekannt zählt heutzutage zu seinen weniger besprochenen und bekannteren Werken und sorgte – beinah muss man sagen „naturgemäß“ – zu einer Spaltung bei Publikum und Kritik. Mal wieder musste sich Haneke die platten Vorwürfe des „Oberlehrers“ mit erhobenen Zeigefinger gefallen lassen (seitens einiger Kritiken) und wer mit dem puristischen, mitunter gar schmucklosen Stil  - der alle seine Werke konsequent durchzieht – nichts anfangen kann, der wird auch mit seinem fünften Kinofilm nicht glücklich werden.

Von seiner Struktur erinnert diese Arbeit glasklar an seinen 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls (1994). Wie dort ist die Erzählung praktisch zerstückelt in viele kurze Momentaufnahmen, die zwar chronologisch erzählt werden, aber in ihren Handlungsorten und Figuren abrupt hin und her wechseln. Dabei brechen die an sich langkonzipierten, oftmals in einem One-Shot vorgetragenen Szenen urplötzlich ab, was die Narration natürlich gewollt sprunghaft, aber keinesfalls willkürlich oder inkonsequent erscheinen lässt. Denn obwohl es anfangs vielleicht nicht so erscheinen mag, Michael Haneke verfolgt dabei sehr wohl einen strukturierten Plan und rotem Faden, der aber einen gewissen Mut zur Lücke nicht nur miteinbezieht und herausfordert, sondern durch diese Stilistik erst das übergeordnete Thema des Films deutlich hervorhebt. Dabei sind offensichtliche Aspekte wie Alltagsrassismus, Kommunikationsstörungen und gesellschaftliche Vorurteile beinah nur Randerscheinungen. Vielmehr ist Code unbekannt wie ein Lehrstück über die narrativen Möglichkeiten des Medium Films, aber ausdrücklich nicht im negativ behafteten „Oberlehrer-Mechanismus“, sondern mehr wie eine beeindruckende Darbietung des vorhandenen Verständnisses und Können in diesem Bereich. Ein Muskelspiel, das Haneke ohne Arroganz, aber mit allem berechtigten Selbstbewusstsein zur Schau stellt.

Durch diese eigenwillige und durchaus herausfordernde Inszenierung wird die erhöhte Aufmerksamkeit des Publikums ganz natürlich angeregt und im gleichen Atemzug auch belohnt. Wie gewohnt versteht Haneke in seiner nüchternen Vorgehensweise, das Maximum an Intensität aus manchmal vielleicht banal anmutenden Momentaufnahmen herauszukitzeln. Dabei kann er sich selbstverständlich auch auf die Leistung von Darsteller*innen verlassen, die diesem erhöhten Anspruch gewachsen sind. Da sind die Parallelen zu Ingmar Bergman (Schreie und Flüstern) mal wieder unverkennbar. Erstmals drehte er hier mit Juliette Binoche (Der englische Patient), die ihn in der Folge die Treue halten sollte. Auch wenn einzelne Verbindungsstücke durch die selbstgewählte Fragmentierung ausbleiben (im französischen Original trägt der Film den – übersetzten – Titelzusatz „Unvollständige Erzählung verschiedener Reisen“) entsteht dabei keine Frustration oder – noch schlimmer – das Gefühl, dass Haneke sich dadurch das Leben einfach machen würde und dem Publikum etwas Halbfertiges vorwirft, damit es sich den Rest bitte selber erschließt, ohne dabei einen klaren Gedanken zu verfolgen. Dieses trieb er 2005 bei Caché auf einen brillanten Höhepunkt, aber auch wie dort fordert er seine Zuschauerschaft aktiv zum Mitdenken heraus und möchte wohl auch nicht blinde Applaus von Menschen bekommen, die nicht bereit sind, sich mit seiner Art des Filmemachens bewusst auseinanderzusetzen. Das mag für einige zu anstrengend, eventuell sogar belanglos oder gar prätentiös erscheinen und das kann und muss man so auch akzeptieren, wer sich aber auf diesen fast einzigartigen Stil auf einem beeindruckend konstanten Niveau über die Jahrzehnte einlassen kann, wird begeistert sein. Allein die U-Bahn-Szene kurz vor Schluss kann und sollte an jeder Filmhochschule gezeigt werden – aus zahlreichen Gründen.

Fazit

Ein waschechter Haneke. Auf eine gewisse Weise sperrig, sehr puristisch und keine leicht konsumierbare Kost, dennoch irgendwie weit weniger schwerfällig und kompliziert als oftmals angedichtet. Und erst recht nicht besserwisserisch oder gar belehrend, da er durchaus auch andere Sichtweisen und Interpretationen zulässt. Haneke ist ein präziser Beobachter und messerscharfer Analyst, wie es sie cineastische selten gegeben hat. In seiner ganz eigenen Form (mal wieder) einfach nur großartig.

Kritik: Jacko Kunze

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