Inhalt
Jo und Frank sind zwei ziemlich unterschiedliche Brüder, die sich aus den Augen verloren haben. Erst als Frank seinem kleinen Bruder anbietet, ihm an den Wochenenden hinter dem Tresen seiner Bar auszuhelfen, finden die beiden wieder zusammen. Und plötzlich gibt es kein Halten mehr: Das heruntergekommene "Belgica" wird zum Anlaufpunkt für das Partyvolk. Eine Arche Noah für die Feierwütigen, wo der Schweiß von der Decke tropft und der Rock'n'Roll aus jeder Pore trieft. Für eine Weile ist das Leben der Brüder ein einziger Trip, doch dann holt die Realität sie ein.
Kritik
Mit Spannung durfte man erwarten, was Felix van Groeningen (Die Beschissenheit der Dinge) nach seinem letzten Film The Broken Circle als nächstes abliefern würde. Wer diese herzergreifende und zugleich extrem niederschmetternde Dampfwalze von einem Drama gesehen hat, bei dem wird sich sicherlich alleine nach bloßer Erinnerung an einzelne Schlüsselmomente Gänsehaut oder ein flaues Gefühl in der Magengegend breit machen. Mit seinem aktuellen Werk Café Belgica schaltet der Regisseur verständlicherweise ein paar Gänge zurück, was den Faktor der emotionalen Berg- und Talfahrt angeht. Ohne Zweifel bestätigt van Groeningen hier allerdings wieder seinen Status als fantastisches Talent, wenn es darum geht, mitreißende Stimmungsbilder zu erzeugen.
Im Mittelpunkt der Geschichte befinden sich die Brüder Frank und Jo, die gemeinsam ein Café der besonderen Art eröffnen. Nachdem Frank, der ein ziemlich gewöhnliches Leben mit Frau und Kind führt, erstmals hinter dem Tresen der Bar seines Bruders, der ein typischer Rumtreiber ist, aushilft, hat er sofort Blut geleckt. Das neue Café der beiden lässt schließlich etliche Clubs ganz schön alt aussehen, denn das Belgica entwickelt sich schnell zu einem regelrechten Hotspot, in dem sich feierwütige Menschen aus sämtlichen Gesellschaftsschichten zusammenfinden, wobei sich hemmungslos betrunken und getanzt wird.
Der Regisseur inszeniert seine beiden Hauptfiguren dabei als angehende Rockstars, die sich ihren ganz eigenen Traum von Sex, Drugs & Rock n´ Roll erfüllen. Auf mehreren Bühnen gleichzeitig versammeln sie verschiedene Musiker und Künstler, deren grundsätzlich unterschiedliche Spielarten zu einem sprudelnden Mix der Klänge verschmelzen, während im Backstage-Bereich Groupies vernascht werden und das Kokain durch die Nase ins Gehirn schießt. In den exzessivsten Szenen ist Café Belgica ein beispielloser Rausch von unglaublicher Energie, der das Adrenalin und die ständig ausgeschütteten Glücksgefühle der Hauptfiguren für den Betrachter spürbar werden lässt, was ganz klar an der wuchtigen Inszenierung liegt. Am beeindruckendsten ist der Soundtrack von Soulwax. Das belgische DJ-Duo hat exklusiv für den Film fiktive Bands kreiert, die von Indie-Rock über Electro bis hin zu Big-Band-Jazz-Extravaganzen sehr abwechslungsreiche Genres bedienen und die grandiose Party-Atmosphäre von einem Extrem zum nächsten peitschen.
Da ist es fast ein wenig schade, dass sich hinter dem audiovisuellen Rausch, den dieser Film die meiste Zeit präsentiert, ein recht gewöhnliches Drama verbirgt. Nach dem taumelnden, betäubten Gefühl des ständigen Höhenflugs folgt logischerweise irgendwann der harte Aufprall, wobei die Ernüchterung bei beiden Brüdern erstmal für unterschiedliche Einsichten sorgt. Die Handlung jedenfalls folgt einer jederzeit klar ersichtlichen Rise-and-Fall-Dramaturgie, welche ohne wirkliche Überraschungen stringent von unten nach oben und letztlich wieder nach unten führt.
Als wuchtig inszeniertes Drama, das Rausch, Höhenflug, Kater und Aufprall konsequent in Bilder und Töne und damit in nachempfindbare Stimmungen übersetzt, ist Café Belgica überaus gelungen. Das zu gewöhnliche Handlungsgerüst des außerdem etwas zu lang geratenen Films stört den Gesamteindruck etwas, doch der wilde Rausch wird selten auffällig ausgebremst. In diesem Café möchte man nach Sichtung des Streifens auch selbst mal abfeiern, aber dann natürlich bitte ohne anschließenden Kater. Auch wenn der wohl unvermeidlich bleibt.
Fazit
Felix van Groeningen inszeniert seine Geschichte von zwei Brüdern, die gemeinsam ein Café der ganz besonderen Art eröffnen, als hypnotisch-wuchtigen Rausch, der Aufstieg, Höhenflug, Exzess und harten Aufprall audiovisuell mitreißend darstellt. Auch wenn die Handlung etwas zu vorhersehbar und gewöhnlich verläuft, ist Café Belgica ein gelungenes Drama, das von seinen guten Schauspielern und der hemmungslosen Machart lebt.
Autor: Patrick Reinbott