Inhalt
Nach monatelanger Gefangenschaft in Donbass kehrt die ukrainische Luftaufklärungsspezialistin Lilia zu ihrer Familie zurück. Die Schrecken der Gefangenschaft verfolgen die junge Frau mit visionsartigen Tagträumen. Mit dem unverarbeiteten Trauma wächst etwas anderes in ihr, das auch die Beziehung zu ihrem Partner Tokha belastet. Doch Lilia will nicht als Opfer wahrgenommen werden und kämpft für ihre Unabhängigkeit.
Kritik
Äußerlich scheint der in Cannes als Special Screenings aufgeführte Mariupolis 2 des ermordeten Filmemachers Mantas Kvedaravicius das stilistische Gegenteil von Maksym Nakonechnyis (This Rain Will Never Stop) impulsiver medialer Mixtur aus Drohnenaufnahmen, Handy-Videos und computertechnisch verfremdeten Traumszenen. Doch das dokumentarische Rekonstrukt verdankt genau wie das allegorische Kriegsdrama seine Beachtung weniger filmischen Qualitäten als alarmierender zeitgeschichtlicher Aktualität. An diese erinnert der ukrainische Regisseur, wenn er auf der Festival-Premiere den Krieg anspricht und einen Sieg des Lichts über Dunkelheit beschwört.
Diesen unverbrüchlichen Optimismus signalisiert auch die wortwörtlich symbolträchtige Story um Luftaufklärungsspezialistin Lilia (Rita Burkovska), die nach monatelanger Gefangenschaft in Donbass durch einen Austausch freikommt. Für ihre Landsleute ist sie eine Heldin, doch das Trauma sitzt tief und wird immer sichtbarer, parallel zu ihrer Schwangerschaft durch Vergewaltigung. Das Baby ist eine überdeutliche Metapher für eine aus Gewalt entstehende Zukunft, die Maryna Er Gorbachs Groteske Klondike auf der diesjährigen Berlinale in nahezu gleichem Kontext weit effektiver anwendete.
Auch ohne den direkten Vergleich der beiden Filme überzeugt Nakonechnyis Vision weder handwerklich noch dramaturgisch. Steife Dialoge holpern nur so dahin, das Ensemble ist sichtlich überfordert und die visuellen Verfremdungen kaschieren kaum die geringen Produktionswerte. Die sinnbildliche Funktion des rape childs, dessen Austragung schon unwahrscheinlich wirkt, rechtfertigt nicht die unsensible Behandlung des Themas. Dass die Schwangerschaft nicht nur Folge eines Traumas ist, sonder ein neues darstellt, passt Nakonechnyi genauso wenig ins Konzept wie die Langzeitfolgen.
Fazit
Problematischer als die inszenatorischen Schwächen und anstrengende Ästhetik zwischen Studentenfilm, TV-Serie und gefilmter Theatervorstellung ist der dramaturgische Umgang mit den hochsensiblen Themen, aus denen Maksym Nakonechnyi ein parabolisches Pamphlet konstruiert. Der Einsatz extremer sexueller Gewalt als Metapher für militärische Annexion ist per se fragwürdig, umso mehr durch deren zu voyeuristischen Stereotypen neigende Inszenierung. Die Verharmlosung der psychischen und körperlichen Traumata zugunsten politischer Symbolik gibt der darin ausgedrückten Hoffnung auf die Zukunft einen zynischen Unterton.
Autor: Lida Bach