1.5

MB-Kritik

Blue Eyes and Colorful My Dress 2020

Documentary

1.5

Inhalt

Neugierig und selbstbewusst erkundet die dreijährige Zhana über mehrere Sommertage hinweg ihre Umgebung. Auf ihrem Weg macht sie Entdeckungen und erlebt mutige, kleine Abenteuer. Sie hüpft durch Pfützen lernt Katzen und Hunde kennen und macht sich ihren eigenen Reim auf die Spiele der älteren Kinder.

Kritik

Aus der Sicht einer Dreijährigen (Zhana Henkes ist einfach sie selbst) ist das Erkunden der Parks, Spielplätze und Hinterhöfe einer bulgarischen Stadt ein fröhliches Abenteuer. An jeder Ecke gibt es Spannendes zu entdecken. Die Inlineskates eines Schulmädchens, anderer Kinder Plastikgewehre und jaulende Elektromobile, in die gutmütige Arbeiter Münzen einwerfen. Mit drei ist die (Film)Welt noch in Ordnung und eine knappe Stunde Stadttour ein Erlebnis. Dummerweise ist das Kinopublikum älter als Polina Gumielas aufgeweckte Heldin.

Deren Ausflug durch ein urbanes Revier fast ohne Erwachsene, wo hinter jeder Mauer eine Überraschung wartet, ist nur vorgeblich ein unvoreingenommener Blick auf kleinkindliches Erleben. Das sommerliche Umfeld, in dem Zhana von früh bis abends sorglos herumtollt, gibt nur vor städtische Realität abzubilden. Gefahren registriert die Regisseurin nicht, selbst so alltägliche wie befahrene Straßen oder steile Treppen. Nichts beeinträchtigt den Spaß des unbetreuten Mädchens. Der Gedanke an unfreundliche oder gar böswillige Menschen kommt nie auf.

Jede_r begegnen Zhana freundlich und geduldig. Sogar die Tiere lassen alles über sich ergehen, wie das vor Langweile apathische Publikum. Das zieht aus dem sinnleeren Kinderfilm keinerlei Erkenntnis. Jedes x-beliebige Elternvideo ist inhaltsreicher. Kein Wunder, denn die Observation verwehrt Zhana jede Entwicklung. Nichts lernt sie dazu, weil es in der von unangenehmen Reizen und Herausforderungen bereinigten Scheinwirklichkeit nichts zu lernen gibt. Was sich als naturalistische Studie unverdorbener Aufgeschlossenheit ausgibt, ist kalkulierte filmische Manipulation.

Fazit

Verpackt als unverfälschte Darstellung einer naiven Perspektive auf das Stadtgeschehen, verkauft Polina Gumiela dem Festival-Publikum eine putzig anzuschauende Lüge von Unbeschwertheit und Sicherheit. Denn Angst, Verwirrung und Wut sind essenzieller Teil kindlichen Erlebens. Nicht nur die Wahrhaftigkeit ist aufgesetzt, auch die Anteilnahme der Regisseurin. Ihr Interesse an der Hauptfigur beschränkt sich auf Instrumentalisierung von deren Niedlichkeit, damit das Publikum ununterbrochen „Hach, wie drollig!“ seufzt. Die Berlinale präsentiert: das menschlich besetzte Pendant zu hirnlosen Katzenvideos.

Autor: Lida Bach
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