Inhalt
Die 10-jährige Aya wächst in einem Kinderheim auf, wo sie viele Streiche mit ihrem besten Freund ausheckt. Um potenzielle Adoptiveltern abzuschrecken, präsentiert sie sich nicht unbedingt von ihrer besten Seite. Überraschend wird sie einiges Tages von einer mysteriösen Frau namens Bella Yaga adoptiert und muss fortan der gemeinen Hexen assistieren. Das ist überhaupt nicht das, was Aya möchte. Sie schmiedet einen Plan, um der Hexe zu entkommen.
Kritik
Mit dem Tod von Isao Takahata, der mit seinem letzten Meisterwerk Die Legende der Prinzessin Kaguya das vielleicht eindrucksvollste Ghibli-Werk schuf, und dem Ruhestand von Hayao Miyazaki (Wie der Wind sich hebt), der als das schillernde Aushängeschild des Studios galt, stand die Traumfabrik vor einer Zäsur. Mit den Filmen von Hiromasa Yonebayashi (Erinnerungen an Marnie), Michael Dudok de Wit (Die rote Schildkröte) und Goro Miyazaki (Der Mohnblumenberg) rückten Nachwuchswerke auf. Letzterer hat nun mit Aya und die Hexe das neueste Ghibli-Werk geschaffen, das dem internen Umbruch ästhetisch Rechnung trägt: an die Stelle des gewohnten Zeichentricks sollen 3D-Animationen treten, die zauberhafte Welten, fabelhafte Märchen, rätselhafte Parabeln zum Leben erwecken.
Nachdem Miyazaki mit seinem zähen Erstlingswerk Die Chroniken von Erdsee den Zorn vieler Liebhaber auf sich zog, den er erst mit einem versöhnlichen Folgefilm befrieden konnte, wünscht man ihm eine Emanzipation von Vater und Studio. Ihm diese zu gewähren scheint unmöglich, da sich sein neuester Film nicht vom Kanon des Studios trennen lässt. So basiert das Werk auf einem Roman von Diana Wynne Jones, die schon die Vorlage zu Das Wandelnde Schloss lieferte. Außerdem werden Kernmotive früherer Produktionen aufgegriffen, um sie im neuen Gewand zu verarbeiten. Die gezogenen Verbindungen von Natur und Mysthik, Arbeit und Alltag, Jugend und Altern müssen demnach vor dem Hintergrund einer ästhetischen Erneuerung gelesen werden, zu der Miyazaki bereits in seiner Serie Ronja Räubertochter arbeitete.
Die weit hinter den technischen Möglichkeiten stehenden Animationen, die bisweilen an das Super-RTL Vormittagsprogramm erinnern, erzeugen nicht nur skurrile Bilder, sondern muten mit Verweis auf gängige Ghibli-Motive gruselig an: dadurch, dass der Zuschauer hinter den CGI-Aufnahmen noch die Züge sinnlicherer Bilder wahrzunehmen glaubt, kommt es zur Abwandlung eines Uncanny Valley. Unterstützt wird dieser Eindruck, indem altbekannte Handlungselemente aufgegriffen werden, ohne einzusehen, dass sie in neuer Form anders funktionieren. Wenn Aya über weite Strecken des Filmes bei der Hausarbeit gezeigt wird, könnte man sich in malerischer Weite in die Stimmung melancholischer Ausbruchsträumerei begeben, was bei der materiell-plastischen CGI-Animation nicht glücken mag.
Die Figuren sind als Platzhalter zu denken: Protagonistin, Antagonistin, bester Freund, mystischer Fremder. Miyazaki vertraut darauf, dass Züge seiner Charaktere bekannt sind, gesteht dabei ein, dass er ihnen nichts Neues abzugewinnen versucht. Sie bleiben Wegweiser einer ziellosen Handlung, die Ghibli-Motive zu eindimensionalen Meilensteinen verkommen lässt. Mühe investiert Aya und die Hexe stattdessen in die Farbgebung, die der Plastizität der Animationen gerecht wird, sich durch Gleichnisse und Kontraste in den Räumen einrichtet. Ermöglicht wird den Bildern Gemütlichkeit, die bisweilen wie Design anmutet, doch im Ganzen einen Vorgeschmack gewährleistet, wie Miyazakis Neuerungen gelingen können.
Fazit
"Aya und die Hexe" verfolgt eine ziellose Handlung, in der Ghibli-Motive als lose Meilensteine dienen, Charaktere nur als altbekannte Prototypen. Die Erneuerung hin zu 3D-Animationen wollen nicht glücken, sorgen stattdessen für eigenartige Entfremdungsgefühle.
Autor: Maximilian Knade