Inhalt
Nach der Entführung eines irakischen Scheichs durch die Amerikaner, wird New York von Bombenattentaten islamischer Fanatiker erschüttert. Das FBI, hier vertreten durch den Agenten Hubbard (Denzel Washington) hat große Mühe, die Angelegenheit unter Kontrolle zu bringen, da er sich gleichzeitig auch noch mit der CIA auseinandersetzen muß.Als die Situation zu eskalieren droht, wird über New York, speziell Brooklyn, der Ausnahmezustand ausgerufen und das Militär übernimmt die Stadt. Durch das radikale Vorgehen gegen alle möglichen Ausländer des verdächtigen Kulturkreises wird die Stadt mehr und mehr zu einem Hexenkessel.
Kritik
Als Ausnahmezustand 1998 in den Kinos lief konnte noch niemand ahnen, wie sehr das hier in weiten Teilen noch unvorstellbare Geschehen bald schon unangenehm real werden sollte. Terroranschläge islamistischer Extremisten nicht „nur“ auf irgendwelche Botschaften oder Militärstützpunkte weit weg der Heimat, sondern mitten im Herz der USA, mit tausenden zivilen Opfern. Aber auch die Reaktion nach der (im Film nur sehr kurzen) Schockstarre, bei der sich die Angegriffenen alles andere als mit Ruhm bekleckern und die eigenen, wenig humanistischen Gräueltaten allesamt mit dem „Kampf gegen den Terror“ vor der Öffentlichkeit legitimiert. Damals war der Film finanziell kein großer Erfolg und nach 9/11 verschwand er gar für viele Jahre nahezu von der Bildfläche, eben wegen der nun sehr befremdlichen Nähe zum aktuellen Zeitgeschehen.
All das könnte das Werk von Regisseur Edward Zwick (The Last Samurai) nun, mit einem bald neutralen Abstand, doch zu einem immens interessanten Beitrag werden lassen, der sozusagen prophetisch mit einem fiktiven Szenario hantiert, das wenig später kaum noch Fiktives an sich hatte. Seinerzeit schien sein Plot eventuell zu abwegig und seine Grundthematik trotzdem zu ernst für Star-besetztes Popcornkino, als das Ausnahmezustand vielerorts vermarktet werden sollte. Das könnte man schlichtweg als ungeschicktes Missverständnis abtun, aber der Film hat dieses Problem in der Tat. Auch ohne den Umstand, dass sein Geschehen alsbald von der Realität eingeholt und in ein ganz anderes Licht gerückt wurde, steht er in gleich mehrfacher Hinsicht zwischen den Stühlen und findet darin bis zum tragisch missglückten Ende auch keinen Ausweg mehr.
Man hat schon das Gefühl, dass Edward Zwick nicht unbedingt einen reinen Unterhaltungsfilm machen, sondern durchaus ein Statement setzen wollte. Ein realistisches, bedrohliches Szenario kreieren möchte, dass jederzeit vorstellbar sei und nicht nur vor dem immer näherkommenden Terrorismus, sondern noch mehr von den Folgen einer militärischen Überreaktion warnen will, die die Grundwerte der freien Welt ad absurdum führen. In seinen besten Momenten gelingt das Ausnahmezustand sogar kurzfristig, hat aber leider mit einem Drehbuch zu kämpfen, dass eindeutiger als reines Spannungs-Kino konzipiert wurde. Der Plot erscheint im Detail dann doch viel zu konstruiert und hauptsächlich auf den kurzzeitigen Effekt abzielend, inklusive holzschnittartiger Figuren, an denen auch die gute Besetzung wenig abmildern kann. Bruce Willis (Sin City) erntet für seine Performance als gnadenloser Oberbefehlshaber gar die Goldene Himbeere, was (wie immer) natürlich kein echter Maßstab ist, aber schon offenlegt, wie überzogen der gesamte Part trotz seines ernsten Grundtons letztlich ausfällt. Dabei ist das ja der interessanteste Ansatz bei Ausnahmezustand: dass in Extremsituationen plötzlich alle ansonsten doppelmoralisch gepredigten Wertvorstellungen wie selbstverständlich über Bord geworfen werden, wenn der Zweck auf einmal die Mittel heiligt.
Bis dahin hangelt sich das Skript an generischen Genre-Elementen entlang, die bis auf eine partiell wuchtige Inszenierung kaum begeistern können und ausgerechnet dann, als der Film mit seiner durchaus kritisch angehauchten Perspektive doch noch ganz interessant zu werden scheint, einen Twist raushaut, der beinah als ärgerlich einzustufen ist. Einerseits sollen Vorurteile und die Pauschalisierung von Islamisten als potenzielle Terroristen angeprangert werden, gleichzeitig bestätigt es der angepeilte Überraschungseffekt gen Ende aber dann doch: du kannst keinem trauen, also sieh dich vor. Damals wurde der Film vom American-Arab Anti-Discrimination Committee wegen diverser Umstände scharf kritisiert und gar als gefährlich im Bezug auf das kreierte Bild islamistischer Stereotypen bezeichnet, ganz von der Hand zu weisen ist dies tatsächlich nicht. Um das zu relativieren: das ist ganz bestimmt nicht das Anliegen des Films und in seinen Ansätzen ist klar zu erkennen, ihm schwebt eher ein Apell um Toleranz vor. Wenn du dann aber damit so grob fahrlässig (und vor allem völlig unnötig) Schlitten fährst, brauchst du dich über empörte oder zumindest irritierte Reaktionen auch nicht wundern.
Fazit
Schade, denn neben der handwerklich guten Präsentation steckt in „Ausnahmezustand“ sehr viel Potential. Gerade da er „das Glück“ hatte, eine Thematik zu behandeln, die weniger Jahre später lange tabu sein sollte und hier schon Dinge vorwegnimmt, die sich in Ansätzen als sehr zutreffend erwiesen. Mit einem besseren, weniger auf sichere und in dem Kontext unpassend wirkende Entertainment-Bausteine setzenden Drehbuch und insbesondere ohne das dämliche Ende (aber nochmal: ganz bestimmt nicht absichtlich bösartig, sondern schlicht unüberlegt) wäre da viel möglich gewesen.
Autor: Jacko Kunze