Es mag absurd klingen, doch John Carpenter (Die Fürsten der Dunkelheit) und Michael Haneke (Der siebente Kontinent) weisen in ihrem Schaffen eine klare thematische Überschneidung auf, die sich fast wie ein roter Faden durch den Output der beiden Filmschaffenden zieht: Ihre persönliche Auseinandersetzung mit dem Gewaltpotenzial, welches jedem Menschen eingeschrieben ist. Während die inszenatorischen Mittel des Österreichers denen des intellektuellen Arthaus-Kinos entsprechen, die im Zuge der sperrigen, künstlerischen Distanz nachhallende Charakterprofile entwirft, so ist John Carpenter dem Regelwerk des Genre-Kinos verpflichtet, gibt sich bauchiger, zugänglicher, aber natürlich nicht weniger relevant in seiner Bedeutung für die Filmgeschichte. Beide Regisseure indes eint eine panische Angst vor alltäglicher Gewalt, was zum elementaren Thema in Filmen wie Code unbekannt, Caché oder eben Assault – Anschlag bei Nacht wurde.
In jedem Frame, welches John Carpenter hier in seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm aufbereitet, dräut die sich anbahnende Gewalteruption. Der erste Szene bereitet diese natürlich schon vor, wenn gezeigt wird, wie Polizisten eine Gruppe Jugendlicher erschießt. Danach wird der afroamerikanische Lieutenant Bishop (Austin Stoker, Die Schlacht um den Planet der Affen) in den Fokus genommen, der sich zu einem Polizeirevier begibt, welches kurz vor der Verlegung steht. Seine Aufgabe? Eigentlich nur darauf warten, bis morgen endlich der Storm abgestellt wird. Zeitgleich formieren sich die Rädelsführer der großstädtischen Straßenbanden und bereiten ihren großen Angriff vor. Worin sich dieser begründet, beantwortet Assault – Anschlag bei Nacht nicht, was jene Angst des Regisseurs weitergehend unterstreicht: Gewalt muss nicht argumentiert werden, sie muss nicht nachvollziehbar sein.
Es dauert nicht lange, bis Bishop, das noch anwesende Personal der Station und einige Gefangene zum ersten Mal in Berührung mit der vollkommen unmotivierten Gewalt kommen. Die Atmosphäre, die von Beginn an angespannt, aggressiv, kochend ist, eskaliert in einem der wohl packendsten Belagerungsszenarien, die das amerikanische Kino seit jeher in Szene gegossen hat. In einer Welt, in der es keine Helden mehr gibt, sondern nur noch Männer, die Befehle ausführen, wird es immer unmöglicher, das Richtige zu tun. Letztlich ist alles, was den Protagonisten geblieben ist, ihre Instinkte und Triebe. Die amorphe Masse aus Aggressoren, die nicht einmal mehr davor zurückschreckt, ein kleines Mädchen auf offener Straße, am helllichten Tage, hinzurichten, will Gewalt säen, um Gegengewalt zu erzwingen und so einen Teufelskreis aus Tod und Verderben aus dem blutdurchtränkten Boden zu stampfen.
Legendär ist dabei nicht nur John Carpenters minimalistischer Synthie-Klangteppich, der das Geschehen dermaßen effizient verdichtet, dass es dem Zuschauer beinahe die Luft abschnürt, sondern auch der Umstand, mit welcher Brillanz sich Carpenter hier im Allgemeinen als ökonomischer Handwerker beweist. Aus überschaubaren Möglichkeiten wird hier ein Maximum an schöpferischer Sprengkraft geschaffen. Zeitlose Spannungsfelder, die noch heute elektrisieren. Assault – Anschlag bei Nacht ist ein 90-minütiger Beklemmungsakt. Wenn es nur noch um das Überleben geht, ist der moralische Bewegungsradius, ebenso wie die räumliche Begrenzung, limitiert. Die Atemnot der klaustrophobischen Bedrängung trifft auf den reinen Zwang, sich zur Wehr setzen zu müssen. Zivilisierte Kommunikationsformen liegen brach, Waffen ersetzen den Dialog und machen das Polizeirevier, die Festung des Rechts, zum Schauplatz eines in seiner Dringlichkeit bis heute atemberaubenden Meisterwerks.