Inhalt
Der alte Shuhei trifft sich hin und wieder mit ehemaligen Klassenkameraden in einem Restaurant, wo sie in Gesprächen und Erinnerungen an die Vergangenheit schwelgen. Nebst Gedanken rundum Altern und Sterben sorgt er sich auch um seine Tochter Michiko, die noch keinen Mann an ihrer Seite hat …
Kritik
Ein Herbstnachmittag greift viele Motive auf, denen sich Yasujirō Ozu bereits in seinen Vorgängerwerken angenommen hat. Das Sinnieren über das Altern, der verwitwete Vater, der für seine Tochter nach einem passenden Mann sucht und die innerfamiliären Generationenkonflikte waren so oder so ähnlich schon Thema in Filmen wie Die Reise nach Tokyo, Später Frühling oder Spätherbst. Ein Herbstnachmittag, der sich im Nachhinein als Ozus letzter Film herausstellen sollte, wirkt deshalb in vielen Momenten wie ein zufriedenstellender Abschluss einer ohnehin fabelhaften Filmografie.
Neben Chishū Ryū (Mishima: A Life in Four Chapters, Der Herbst der Familie Kohayagawa) und Mariko Okada (Erosu purasu Gyakusatsu, Woman of the Lake) in den Hauptrollen ist der Film unter anderem mit Haruko Sugimura und Daisuke Katō auch in den Nebenrollen hochgradig besetzt, vor allem aber mit vielen Schauspieler*innen gefüllt, mit denen der Regisseur immer wieder zusammenarbeitete. So mimte Chishu Ryu in Ozus Filmen schon mehrmals die Vaterfigur, und auch Keiji Sada war zuvor schon in Ozus Sommerblüten oder Guten Morgen zu sehen. Das kleine Ensemble harmoniert und schafft es, die bedächtigen und humorvollen Szenerien gleichermaßen gelungen auszuspielen. Oftmals reichen dafür schon kleine Mimiken und gezielte Blicke, aus denen Ozu entweder Witz oder eine ganz eigene Tragik zieht.
Zur bodenständigen Inszenierung tragen natürlich auch die schlichten Kulissen bei, theaterhafte Settings, in denen der japanische Regisseur vor allem in seinen Spätwerken heimisch geworden ist. Abgesehen von ein paar wenigen Außenaufnahmen und einem Ausflug zum Golfen spielt sich die Geschichte in privaten Innenräumen oder vereinzelt in Bars ab. Die beschwingte, leichtfüßige Musik und die kräftigen Farben gestalten die Atmosphäre aus und stehen im Kontrast zu durchaus nachdenklichen Themen, die der in seiner Erzählweise überaus entschleunigte Film anstößt. Dabei bergen die in erster Linie unaufgeregte Inszenierung und Erzählung wiederholt Raum für Witz und kleine Raffinessen, die mit den Erwartungen des Zuschauers spielen, etwa die Einbindung eines Baseballspiels, sowie Kommentare auf die vorherrschende Zeit und Gesellschaft, wenn sich Ozu der Militärvergangenheit seiner Figuren annimmt.
Fazit
Die Stärke des Films liegt nicht in dessen Bedeutung als Ozus letztes Werk, sondern vor allem an den Themen, die wieder aufgegriffen werden, und vor allem, wie sie miteinander verbunden werden: Generationenkonflikte, eine Meditation über das Altern und das geruhsame Beobachten eines mehr oder minder traditionellen Familienlebens, dessen Zusammenwirken und Ineinandergreifen. Farbenfroh, gewitzt, musikalisch verspielt und metaphorisch, nachdenklich und dennoch leichtfüßig sprüht dieser Film in seiner einfachen, bühnenhaften Kulisse nur so vor kleinen, gelungenen Momenten.
Autor: Paul Seidel