5.3

MB-Kritik

Alter weißer Mann 2024

Comedy

5.3

Meltem Kaptan
Jan Josef Liefers
Elyas M'Barek
Denise M'Baye
Roxanne Rittmann
Şafak Şengül
Nadja Uhl
Juri Winkler

Inhalt

Die Zeiten sind sensibel. Das muss Familienvater Heinz Hellmich schmerzhaft feststellen, als ihm nach einigen ungeschickten Fehltritten in der Firma der Jobverlust droht. Um zu beweisen, dass er kein "alter weißer Mann” ist, lädt er seinen Chef und weitere Gäste (oder heißt es Gäst*innen?!) für ein Dinner zu sich nach Hause ein. Mitsamt seiner Familie will er sich von der besten, modernsten und“wokesten”Seite präsentieren! Doch schon in der Anbahnung des Abends tappt Heinz von einem Festnäpfchen ins nächste und stellt dabei fest, dass seine Frau Carla, seine Kinder und auch Opa Georg nicht gerade pure Harmonie ausstrahlen. Als nach vielen Turbulenzen endlich alle an einem Tisch sitzen, beginnt die politisch korrekte Fassade schnell zu bröckeln... alte Streitigkeiten brechen auf, überraschende Gäste sorgen für immer neue Wendungen und die diverse Dinner-Gesellschaft pflügt chaotisch durch das Minenfeld der heikelsten Themen unserer Zeit, bis am Ende die Frage steht, wie es möglich ist, trotz aller Streitigkeiten Brücken zu bauen, in der Familie Hellmich, wie der gesamten Gesellschaft.

Kritik

Wenn sich ein deutscher Film traut Klartext zu reden und sich über Themen lustig macht, die normalerweise unantastbar sind, dann verdient er allein deshalb den größten Respekt. Heutzutage ist es nämlich gerade in Deutschland besonders schwierig von seiner Kunstfreiheit Gebrauch zu machen, ohne in irgendwelche seltsam anmutende Nazi-Ecke geschoben zu werden. Besonders absurd wird es, wenn die Schuldzuweisungen von den weißen privilegierten „letzten Generationen“ kommen, die sich offensichtlich für etwas Besseres halten und glauben den anderen Menschen ihre Weltanschauung aufdrängen zu müssen. Besonders bizarr wird es, wenn die weißesten Deutschen den Menschen, die von ihnen nicht als Deutsch gelesen werden, erklären, was die armen „Unwissenden“ nicht sagen dürfen, um nicht als Nazi abgestempelt zu werden. Genau diese Kuriositäten werden in der Komödie Alter weißer Mann behandelt und am Beispiel von der weißen privilegierten wohlbehüteten Mittelstandstochter Leni (Momo Beier, Perfekt verpasst) beleuchtet, die ihrem schwarzen Freund Mo (Leon Ndiaye) voller Inbrunst mit der Nazikeule droht. An dieser Stelle ist Mo völlig zu Recht überrascht und kontert damit, wie absurd es ist, dass sie ausgerechnet ihn in die rechte Ecke schieben will und das, obwohl er offensichtlich weder etwas Rassistisches gesagt noch getan hat.

Doch während Mo sich noch ziemlich gut gegen die haltlosen Behauptungen wehren kann und zumindest kurzzeitig bei seiner Gesprächspartnerin für ein verdutztes Gesicht sorgt, hat man als alter weißer Mann in Deutschland eh stets den Kürzeren gezogen, denn egal, was er sagt oder tut, es wird immer falsch sein, weil er allein wegen seiner angeblichen überlegenen Vormachtstellung als weißer alter Penisträger offenbar grundsätzlich Unrecht hat und durch das Lieblingsargument der jungen Generation eh immer sofort Schachmatt gesetzt werden kann und dieses Argument ist stets die Nazikeule und völlig egal, ob es um die korrekte Anrede geht oder andere Themen, die weder mit Ausländern noch Hass noch Diskriminierung zu tun haben, der alte weiße Mann wird sofort mundtot gemacht und das Erstaunliche daran ist, dass er sofort spurt, weil er genau weiß, dass er keine Chance hat. Seine Zeit ist vorüber und er erkennt, wann er sich geschlagen geben muss. So läuft er auf heißen Kohlen, weil er keine Witze mehr machen darf, weil er keine Ahnung hat, was er sagen darf oder nicht und, weil jedes Wort, das er sagt, sofort gegen ihn verwendet wird. Herrlich, wie der Film das alles aufgreift und die gegenwärtige inflationäre Benutzung des Wortes Nazi anprangert, denn jedes Mal, wenn der New Generation die Argumente ausgehen, kann man sicher sein, dass die Rassismuskarte ausgespielt wird.

Das zeigt der Film wiederum an der privilegierten Tochter des Hauses, die dem Opa (Friedrich von Thun, Schindlers Liste) erklärt, warum die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ rassistisch ist. Der arme Opa ist erstaunt und erzählt ihr von der Zeit, als er sich noch gegen echte Nazis gewährt hat und gegen sie demonstriert hat. So schnell lässt sich die Enkeltochter nicht überzeugen und zeigt dem Opa auf, wie menschenverachtend es ist, wenn man keine Sternchen in seine Wörter einbaut. Es ist erstaunlich, wie aggressiv sie dabei vorgeht, so als wäre ihre Meinung, die einzige Meinung, die zählt und während Opa ihr geduldig zuhört, wird sie laut und das ohne jeden ersichtlichen Grund, einfach nur, weil der Opa die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ benutzt. Die Enkeltochter verkörpert all das, was in der heutigen Gesellschaft schiefläuft, denn sie nutzt ihre Vormachtstellung als privilegiertes weißes Kind vollends aus und ist nicht dazu in der Lage irgendwelche Argumente zu liefern, abgesehen von dem Rassismus-Argument natürlich.

Während in anderen Ländern viele junge Frauen und Männer in den Krieg ziehen müssen, um ihre Familien zu verteidigen, kämpft man in Deutschland für ein verdammtes Sternchen in den Wörtern und das bis aufs Blut. Das ist absurd und völlig bizarr und respektlos gegenüber Menschen, die tatsächlich Rassismus, Krieg oder Hungersnöte am eigenen Leib erfahren mussten. Doch während es der älteren Generation (siehe Großvater im Film) völlig egal ist, ob die New Generation, Dreiecke, Herzchen oder Einhörner in ihre Wörter einbaut, ist die jüngere Generation in ihren Meinungen extrem festgefahren. Dabei deckt der Film auch völlig zutreffend auf, wer eigentlich die Vormachtstellung heutzutage in Deutschland hat. Das ist längst nicht mehr, der alte weiße Mann! Das ist die junge weiße Frau aus dem wohlbehüteten Zuhause. Sie erzählt euch gerne, wie der Hase läuft. Sie weiß nämlich immer, was richtig und, was falsch ist und ist sich aus irgendeinem Grund gar nicht dessen bewusst, dass sie andere Leute bevormundet. Dass eine weiße junge Frau einem Schwarzen ohne ersichtlichen Grund mit der Nazikeule kommt, kann nur in Deutschland passieren und das diese Komödie genau das aufzeigt ist großartig.

Vielen Dank Alter weißer Mann, dass du dich traust endlich auf humorvolle Art sich mit diesen Absurditäten auseinanderzusetzen, obwohl du genau weißt, dass es genug Kritiker gibt, die definitiv die Rassimuskeule gegen dich schwingen werden und vermutlich nicht einmal sagen werden, dass „Das Ergebnis unabsichtlich rassistisch“ ist, sondern dass man hier den Film gemacht hat, der ihnen nicht in den Kragen passt, weil er genau das zeigt, was diese Kritiker sind, nämlich Menschen, die vermutlich in ihren ganzen Leben nur mit den weißesten Deutschen zu tun hatten, doch trotzdem genau wissen werden, dass alles, was in diesem Film gezeigt wird, nur Klischees sind, die die armen "Nicht-Deutsch-gelesenen" verletzen könnten. What a fuck! Während die Hardcore New Generation Deutschen über die Witzchen die Nase rümpfen, lachen alle anderen, weil sie sich selbst oder ihre Bekannte oder Freunde darin erkennen und, weil es Spaß macht, sich über Vorurteile lustig zu machen.

Alter weißer Mann räumt diese Vorurteile sogar aus dem Weg und dient als ein Aufklärungsfilm für die alte, aber auch für die neue Generation, denn manchmal müssen wir eben von anderen Menschen lernen. Egal, ob sie jung, alt, weiß oder schwarz sind, wenn wir uns von den Meinungen anderer Menschen gänzlich verschließen, dann sind wir nicht besser als diejenigen, die wir kritisieren wollen. Wir leben alle in einem Land, in dem Frieden herrscht und ist es wirklich so verdammt wichtig, ob man die verfluchten Sternchen in den Wörtern benutzt? Solange niemand auf uns schießt, können wir uns doch alle entspannt zurücklehnen und den anderen richtig zuhören und zur Abwechslung mal auch auf das Gesagte eingehen und das ohne die vorgefertigten Schubladenargumente wie „Rassismus“, „Alter Weißer Mann“ oder „Sexismus“. Wenn man nur mit Schlagwörtern, um sich wirft, bringt es niemanden weiter, weil so keine richtige Diskussion entstehen kann. Letztendlich entsteht diese Diskussion in der Komödie und das ist äußerst erfrischend und das, obwohl der Film vorhersehbar ist und ja auch klischeehaft, aber es macht nicht weniger Spaß zuzusehen, wie alle Figuren lernen, sich weiterentwickeln, Gefühle zeigen. Und ja, die weißen alten Männer haben auch Gefühle, auch wenn manche es nicht glauben wollen.

Die Gesellschaftskritik ist treffend und man macht sich ausnahmslos über alle lustig, ob es nun ältere Menschen mit verstaubten Ansichten sind, jüngere Menschen mit erstaunlich festgefahrenen Ansichten oder Best Ager, die an dem Selbstoptimierungstick leiden. (Die Figur, die von Elyas M'Barek (Fack ju Göhte) verkörpert wird). Das ist unsere moderne Gesellschaft, die hier auf die Schippe genommen wird und genau auf diesen Film haben viele Jahre lang gewartet, während sie zum Lachen in den Keller gegangen sind. Auch wenn der Film an sich vorhersehbar und zu konstruiert ist, ist er dafür aber unglaublich mutig und allein dafür sollte er honoriert werden. Im Übrigen ist nahezu jede deutsche Komödie, in der nicht der blanke Hintern von Matthias Schweighöfer (Der Nanny) oder der nuschelnde Schweiger (Honig im Kopf) vorkommt, eine Bereicherung für die deutsche Filmindustrie.

Fazit

Endlich traut sich in Deutschland jemand einen lustigen Film zu drehen, der sich über die Kuriositäten unserer stets politisch korrekten, genderneutralen Gesellschaft lustig macht. „Alter weißer Mann“ ist zwar vorhersehbar, doch dafür scharfsinnig und unterhaltsam. Hier wird wirklich jeder durch den Kakao gezogen und es wird bewusst mit den Klischees gespielt und die Vorurteile werden letztendlich aus dem Weg geräumt, weil es viel wichtiger ist miteinander zu reden und Verständnis für einander aufzubringen, statt jeden grundlos als Nazi zu beschimpfen. Toleranz ist nämlich keine Einbahnstraße. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, bevor man als privilegierter weißer Spross des Mittelstandes anderen Menschen die Welt erklärt. Danke, „Alter weißer Mann“! 

Autor: Yuliya Mieland
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